Alles ist Zen – Meditationsretreat mit dem Vietnam. Zen-Meister Thich Thong Phuong

teilnehmer_retreatSie kamen aus England, Canada und sogar aus Australien: Nahezu 100 Teilnehmer-/innen meist vietnamesischer Herkunft nahmen im neuen Meditationszentrum Buddhas Weg an dem Retreat vom 7. bis 10. Oktober teil. Zen-Meister Thich Thong Phuong, ein Schüler des Ehrw. Thich Thanh Tu, ist einer der wenigen noch lebenden Zen-Meister Vietnams, die die traditionelle Zenschulung der Lin-Chi-Linie erhalten haben. Entsprechend groß waren die Freude und Dankbarkeit, einen so großen Meister „live” erleben zu dürfen.

retreat-ven-thich-thong-phuong-21In seinem Einführungsvortrag sagte der Ehrw. Thich Thong Phuong: „Wir wollen unsere Aufmerksamkeit in den nächsten Tagen nach Innen lenken. Im Alltag wenden wir uns gewöhnlich der Außenwelt zu und lassen uns von all den sinnlichen Eindrücken wegtragen. Dadurch haben wir unsere wahre Natur vergessen und uns selbst verloren.”

Durch die Meditationspraxis können wir wieder zu unserem wahren Selbst zurückfinden. Unser Geist wird ruhig und klar. Wir erkennen, dass Gedanken wie „ich mag dieses oder ich mag jenes nicht” reine Zeitverschwendung sind. Unser Leben ist so vergänglich, jeder Augenblick unseres Seins ist daher kostbar. Wir sollten keinen Moment vergeuden und was immer wir tun in Klarheit und mit vollem Gewahrsein tun.

meditationshaltungDer Hauptpfeiler der Praxis besteht darin, Körper und Geist an einem Ort zu halten, was schwieriger ist, als es sich zunächst anhört. Wir können stundenlang mit unserem Körper in der Meditationshaltung verweilen – was nutzt es uns, wenn unser Geist in den Supermarkt wandert und einkaufen will?

Wir müssen also erstmal ankommen – ankommen bei uns selbst, Körper und Geist zusammen nach Hause bringen. Auf diese Weise wird jeder Moment unseres Seins zur Zenpraxis.

Was bedeutet „Praktizieren“?

Zen-Meister Lin-Chi sagte, dass man die Praxis nicht im Außen oder in den Schriften suchen soll. Die wirkliche Praxis findet in unserem eigenen Geist statt.

Intellektuelles Wissen kann zwar Türen öffnen, aber hindurchgehen müssen wir selbst – mit Hilfe unserer eigenen praktischen Erfahrung. Erst dann erlangen wir Weisheit. In seiner öffentlichen Dharmarede in der Pagode Phat Hue am Samstag forderte der Ehrw. Thich Thong Phuong die Zuhörer auf: „Durchbreche Deine Logik, durchbreche Deinen Verstand – dann schaffst Du Dir die Möglichkeit, Weisheit zu erlangen.”

retreat-ven-thich-thong-phuong-301Das tiefe Durchdringen von Begriffen wie Vergänglichkeit und Leerheit ist notwendig. Um ihr Wesen in der Tiefe zu verstehen, benötigen wir viel Mut. Wir müssen der Vergänglichkeit in uns selbst begegnen, um sie in allen Erscheinungen unserer Welt wiedererkennen zu können. Dies können wir erreichen, indem wir über unseren eigenen Tod meditieren. Wenn wir unsere eigene Vergänglichkeit verinnerlicht haben, verlieren viele Dinge, die uns in unserem Leben bisher unverzichtbar erschienen sind, an Wichtigkeit. Das spirituelle Leben hingegen, gewinnt zunehmend an Stellenwert.

Nur wir selbst können unser Leid auflösen …

teilnehmer_frauenAls der Buddha das Dharmarad zum ersten Mal gedreht hat, hat er über die Vier Edlen Wahrheiten gesprochen. Dass nur wir selbst in der Lage sind, unser eigenes Leid aufzulösen. Er hat uns damit ermutigt und uns das Werkzeug an die Hand gegeben, uns selbst zu befreien.

Der Buddha sagt uns, solange Du Dein Leid nicht identifizieren kannst, ihm nicht begegnest und Dich nicht damit auseinandersetzt, kannst Du auch nicht davon befreit werden. Wenn Du aber weißt, wie Dein Leid aussieht, wenn Du es benennen kannst, musst Du nach den Ursachen forschen. Wenn Du diese kennst, kannst Du sie stufenweise auflösen.

Wie können wir das in unserem Alltag praktisch umsetzen?

„Ich weiß ganz genau, wenn die Wut hochsteigt, sollte ich sie nicht ausbrechen lassen. Dennoch passiert es mir häufig, dass ich wütend werde und dann meinen Mann oder meine Kinder anschreie. Warum ist das so?”

Der Grund ist, dass wir unsere Praxis ständig unterbrechen. Wir verlieren dann unsere Achtsamkeit. Die Folge ist, dass negative Emotionen wie Wut eine „Lücke” finden und sich entladen können. Je ausgeprägter die Gewohnheitsstruktur ist, in einer bestimmten Art und Weise zu agieren oder zu reagieren, desto leichter und heftiger wird sie sich im Alltag manifestieren. Viel Achtsamkeit und Geduld sind notwendig, damit wir uns wirklich nachhaltig zum Positiven verändern können.

In jedem Menschen einen zukünftigen Buddha sehen …

participating_nunEine Möglichkeit, aus diesem Teufelskreis auszubrechen, ist es, in unserem Gegenüber nicht Herrn Meier oder Frau Müller zu sehen, sondern einen zukünftigen Buddha. Wenn wir dies regelmäßig tun, werden wir imstande sein, jedem Mitmenschen mit Respekt zu begegnen. Denn wer will schon einen Buddha beleidigen?

Ein weiterer Weg führt über die Reflektion unserer Handlungen auf körperlicher und geistiger Ebene, zum Durchschauen und damit Entlarven der eigenen Struktur. Indem wir die Ursachen und Wirkungen unserer Handlungen verstehen, können wir unser Verhalten zunehmend bewusst(er) in eine heilsame Richtung steuern.

In seiner Dharmarede fasste Thich Thong Phuong die Alltagspraxis folgendermaßen zusammen.

gehmeditation„Legt Eure ganzen Bemühungen in alles, was Ihr tut. Seid achtsam. Konzentriert Euch auf die Tasse in Eurer Hand und lasst Eure Gedanken nicht umher wandern. Wenn Ihr geht, geht mit Leichtigkeit. Bei jedem Schritt sollte Euer Geist „dabei sein“. Macht gleichmäßige, ruhige Schritte, wenn Ihr lauft. Macht alles, was Ihr tut langsam, fokussiert und gleichmäßig – denkt daran: Alles ist ZEN.”

Und: Es ist nie zu spät, mit der Praxis zu beginnen. Nicht umsonst sagt der Buddha: „Jeder Tag, an welchem der Dharma praktiziert wurde, ist ein wertvoller Tag.”

abschlusspicgemeinde
Auszüge und Mitschriften aus den Dharmareden des Ehrw. Thich Thong Phuong sowie des Ehrw. Thich Khe Dinh finden Sie hier:
„Alles ist Zen” – aus dem Einführungsvortrag des Ehrw. Thich Thong Phuong – 7. Oktober 2009, Buddhas Weg
Über die Buddhanatur – Dharmavortrag des Ehrw. Thich Thong Phuong – 8. Oktober 2009, Buddhas Weg
Über Vergänglichkeit und Tod – aus dem Dharma-Talk des Ehrw. Thich Khe Dinh – 9. Oktober 2009, Buddhas Weg
Ankommen und Schauen – die Wichtigkeit der eigenen Erfahrung – aus dem Dharmavortrag des Ehrw. Thich Thong Phuong – 10. Oktober 2009, Pagode Phat Hue – Übersetzung ins Deutsche vom Ehrw. Thich Thien Son

13. Oktober 2009

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