Aktionswoche zum Medizinbuddha-Fest: Ein Rückblick
Es war dank unserer tibetischen Gäste eine bunte und abwechslungsreiche Woche, die auf dem Medizinbuddha-Fest ihren krönenden Abschluss fand. Im Rahmen ihrer Fundraising-Tour durch Europa war die Gajang Medical Society aus Indien zu Gast in der Pagode Phat Hue. Die Gruppe bestand aus tibetischen Mönchen und Übersetzern und bereicherte nicht nur das Programm des diesjährigen Medizinbuddha-Fests, sondern auch die gesamte Woche davor.
In seinem Dharmavortrag über Meditationspraxis am Montagabend betonte Geshe Lobsang Soeba die Wichtigkeit einer, jenseits von Egotrip und Egozentrik, auf aufrichtigem Mitgefühl basierenden, offenen Geisteshaltung. Ähnlich wie auch in anderen buddhistischen Traditionen sollte jede Meditationspraxis zunächst mit der Beruhigung des Geistes, mit Hilfe der Samatha-Methode, beginnen. Für die weitere, geistige Entwicklung ist es jedoch wichtig, Samatha mit der analytischen Meditation zu verbinden. Wenn wir tief in uns verstanden haben, dass jedes fühlende Wesen im Verlauf seiner Reisen durch den Kreis der Wiedergeburten einmal unsere liebende Mutter war, können wir in uns das Gefühl von Dankbarkeit und liebender Güte wachrufen. So erkennen wir, dass wir unabhängig von Glauben und Nationalität und jenseits von Vorlieben und Abneigung, alle miteinander verbunden sind. Auf diese Weise erzeugen wir in uns Bodhicitta, den Erleuchtungsgeist – das Eingangstor zum Pfad der Bodhisattvas im Mahayana-Buddhismus. Der tiefe Herzenswunsch, alle fühlenden Lebewesen auf dem Leidenskreislauf von Samsara zu befreien, entwickelt sich daraufhin auf natürliche Weise zu unserer bestimmenden Lebensaufgabe.
Am Dienstagvormittag begann die Errichtung des Medizinbuddha-Sandmandalas. In der Eröffnungszeremonie wurden die Dharmabeschützer herbeigerufen und der Medizinbuddha um Erlaubnis für die Errichtung des Sandmandalas gebeten. Nachdem der Medizinbuddha seinen Segen für das Sandmandala erteilt hatte, begannen die Mönche mit ihrer hingebungsvollen, filigranen Arbeit. Viele Besucher der Pagode nutzten während der folgenden Tage die einmalige Gelegenheit und verfolgten die Entstehung des Kunstwerks in der Buddhahalle. Millimeter für Millimeter wurde das bunt gefärbte Steinmehl nach traditionellen Vorlagen in das entstehende Universum des Buddhas der Heilung eingefügt. Jedes einzelne Sandkorn gilt dabei als Träger der heilenden Energie des Medizinbuddhas und muss entsprechend respektvoll und mit Sorgfalt behandelt werden.
Der Mittwochabend stand ganz im Zeichen der tibetischen Medizin. Das tibetische Heilsystem zählt zu den ältesten im asiatischen Raum. So lange die drei Elemente Wind (Lung), Galle (Tripa) und Schleim (Péken) miteinander in Harmonie sind, fühlen wir uns energiegeladen und gesund, führte der Referent des Abends, Namgyal Phuntsok, aus. Auch äußere Einflüsse, wie z.B. extreme Witterungsbedingungen, können uns nicht aus dem Gleichgewicht bringen. Befindet sich aber eines der Elemente im Mangelzustand oder ist im Überfluss vorhanden, kommt es zur Disharmonie, die über kurz oder lang Symptome und Befindlichkeitsstörungen sowohl auf körperlicher als auch auf geistiger Ebene nach sich ziehen kann. Damit ist das Ziel jeder therapeutischen Intervention klar gesteckt: es geht in erster Linie darum, die Harmonie der Elemente zu bewahren oder wiederherzustellen. Geistige Hygiene mit Hilfe von Reflektion und Meditation gehören genau so zum therapeutischen Repertoire wie Ernährungsempfehlungen und Veränderungen in der Lebensführung. Erst wenn diese drei Ansätze nicht den gewünschten Erfolg ermöglichen, wird der Arzt Medikamente verschreiben, die dann die Aufgabe haben, die Disharmonie „von innen” zu beheben.
Am Donnerstagabend sprach Geshe Lobsang Soeba im Rahmen des offenen Abends, zu welchem die Sangha der Pagode Phat Hue eingeladen hatte, über die Entwicklung von Mitgefühl in unserem Alltag. Es gibt drei Arten von Mitgefühl: Das natürliche, bereits angeborene Mitgefühl, welches wir vorzugsweise jenen Menschen entgegenbringen, die uns nahe stehen, wie z.B. unsere engen Familienangehörigen. Die zweite Form des Mitgefühls ist das grenzenlose Mitgefühl, welches erst entstehen kann, wenn wir realisiert haben, dass wir mit allen fühlenden Lebewesen über Verwandtschaftsbeziehungen aus vergangenen Leben verbunden sind. Dies bedeutet, dass wir unterschiedslos allen Wesen unser wahrhaftiges Mitgefühl entgegenbringen können. Die dritte Art des Mitgefühls, ist das große Mitgefühl der Bodhisattwas, jener also, die sich der Befreiung aller fühlenden Wesen aus dem Wiedergeburtskreislauf des Samsaras verschrieben haben.
Freitagmorgen war das Medizinbuddha-Sandmandala vollendet – leuchtendes Rot, Blau, Gelb und Grün sowie weiße Farbe fanden sich in reicher Ornamentik von Blumen, Krügen, Schriftrollen und traditionellen Symbolen. Viele Besucher fragten sich jedoch: Wo ist hier der Medizinbuddha? Es gibt unterschiedliche Ebenen der Mandaladarstellung. In der buddhistischen Praxis wird zwischen der körperlichen, verbalen und mentalen Ebene unterschieden – so auch bei der Errichtung von Sandmandalas. In unserem Fall handelte es sich um eine Darstellung der geistigen Ebene des Medizinbuddhas, daher suchte man den lapislazuliblauen, physischen Körper des Buddhas umsonst. Entsprechend repräsentierten die einzelnen Symbole Elemente der geistigen Übertragung des Medizinbuddhas, z.B. die Schriftrollen als Symbol für das Medizinbuddha-Sutra, welches das Heilwissen Buddhas übermittelt.
Die Errichtung des Medizinbuddha-Sandmandalas sowie die Veranstaltungen dieser Woche waren die ideale Vorbereitung für das am Wochenende anschließende Medizinbuddha-Fest.
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