MN111 – Einer nach dem anderen

Majjhima Nikàya 111

 

Einer nach dem anderen (Anupada Sutta)

1. So habe ich gehört. Einmal hielt sich der Erhabene bei Sàvatthã im Jeta Hain,
dem Park des Anàthapindika auf. Dort richtete er sich folgendermaßen an die
Bhikkhus: „Ihr Bhikkhus.“ – „Ehrwürdiger Herr“, erwiderten sie. Der Erhabene
sagte dieses:

2. „Ihr Bhikkhus, Sàriputta ist weise. Sàriputta besitzt große Weisheit; Sàriputta
besitzt umfassende Weisheit; Sàriputta besitzt freudebereitende Weisheit; Sàriputta
besitzt schnellauffassende Weisheit; Sàriputta besitzt scharfsichtige Weisheit;
Sàriputta besitzt durchdringende Weisheit. Einen Halbmonat lang, ihr Bhikkhus,
praktizierte Sàriputta Einsicht in (verschiedene) Zustände, einen nach dem anderen 1).
Sàriputtas Einsicht in (verschiedene) Zustände, einen nach dem anderen,
war diese:

3. „Da, ihr Bhikkhus, trat Sàriputta ganz abgeschieden von Sinnesvergnügen,
abgeschieden von unheilsamen Geisteszuständen, in die erste Vertiefung ein, die
von anfänglicher und anhaltender Hinwendung des Geistes begleitet ist, und verweilte
darin, mit Verzückung und Glückseligkeit, die aus der Abgeschiedenheit
entstanden sind.“

4. „Und die Zustände der ersten Vertiefung – die anfängliche Hinwendung des
Geistes, die anhaltende Hinwendung des Geistes, die Verzückung, die Glückseligkeit
und die Einspitzigkeit des Geistes; der Kontakt, das Gefühl, die Wahrnehmung,
der Wille und Geist; der Eifer, der Entschluß, die Energie, die Achtsamkeit,
der Gleichmut und das Aufmerken 2) – diese Zustände wurden von ihm umgrenzt,
einer nach dem anderen; jene Zustände entstanden, und er hatte Kenntnis davon,
sie waren gegenwärtig, und er hatte Kenntnis davon, sie verschwanden, und er
hatte Kenntnis davon 3). Er verstand: ,Diese Zustände treten also tatsächlich in
Erscheinung, nachdem sie vorher nicht vorhanden waren; nach ihrem Vorhandensein
verschwinden sie.‘ In Bezug auf jene Zustände verweilte er, ohne angezogen
zu werden, ohne abgestoßen zu werden, unabhängig, ungebunden, frei,
losgelöst, mit einem unbeschränkten Herzen. Er verstand: ,Es gibt ein Entkommen
jenseits davon‘, und mit der Pflege jenes Erreichungszustands bestätigte er,
daß es das gibt 4).“

5. „Wiederum, ihr Bhikkhus, trat Sàriputta mit der Stillung der anfänglichen
und anhaltenden Hinwendung des Geistes (zum Meditationsobjekt) in die zweite
Vertiefung ein, die innere Beruhigung und Einheit des Herzens enthält, ohne
anfängliche und anhaltende Hinwendung des Geistes, und verweilte darin, mit
Verzückung und Glückseligkeit, die aus der Konzentration entstanden sind.“

6. „Und die Zustände der zweiten Vertiefung – die innere Beruhigung, die
Verzückung, die Glückseligkeit und die Einspitzigkeit des Geistes; der Kontakt,
das Gefühl, die Wahrnehmung, der Wille und Geist; der Eifer, der Entschluß, die
Energie, die Achtsamkeit, der Gleichmut und das Aufmerken – diese Zustände
wurden von ihm umgrenzt, einer nach dem anderen; jene Zustände entstanden,
und er hatte Kenntnis davon, sie waren gegenwärtig, und er hatte Kenntnis davon,
sie verschwanden, und er hatte Kenntnis davon. Er verstand: ,Diese Zustände
treten also tatsächlich in Erscheinung, nachdem sie vorher nicht vorhanden
waren; nach ihrem Vorhandensein verschwinden sie.‘ In Bezug auf jene Zustände
verweilte er, ohne angezogen zu werden, ohne abgestoßen zu werden, unabhängig,
ungebunden, frei, losgelöst, mit einem unbeschränkten Herzen. Er
verstand: ,Es gibt ein Entkommen jenseits davon‘, und mit der Pflege jenes
Erreichungszustands bestätigte er, daß es das gibt.“

7. „Wiederum, ihr Bhikkhus, trat Sàriputta mit dem Verblassen der Verzükkung,
in Gleichmut verweilend, achtsam und wissensklar, voll körperlich erlebter
Glückseligkeit, in die dritte Vertiefung ein, von der die Edlen sagen: ,Glückselig
verweilt derjenige, der voll Gleichmut und Achtsamkeit ist‘, und verweilte darin.“

8. „Und die Zustände der dritten Vertiefung – der Gleichmut, die Glückseligkeit,
die Achtsamkeit, die Wissensklarheit und die Einspitzigkeit des Geistes;
der Kontakt, das Gefühl, die Wahrnehmung, der Wille und Geist; der Eifer, der
Entschluß, die Energie, die Achtsamkeit, der Gleichmut und das Aufmerken –
diese Zustände wurden von ihm umgrenzt, einer nach dem anderen; jene Zustände
entstanden, und er hatte Kenntnis davon, sie waren gegenwärtig, und er hatte
Kenntnis davon, sie verschwanden, und er hatte Kenntnis davon. Er verstand:
,Diese Zustände treten also tatsächlich in Erscheinung, nachdem sie vorher nicht
vorhanden waren; nach ihrem Vorhandensein verschwinden sie.‘ In Bezug auf
jene Zustände verweilte er, ohne angezogen zu werden, ohne abgestoßen zu werden,
unabhängig, ungebunden, frei, losgelöst, mit einem unbeschränkten Herzen.
Er verstand: ,Es gibt ein Entkommen jenseits davon‘, und mit der Pflege
jenes Erreichungszustands bestätigte er, daß es das gibt.“

9. „Wiederum, ihr Bhikkhus, trat Sàriputta mit dem Überwinden von Glück
und Schmerz und dem schon früheren Verschwinden von Freude und Trauer in
die vierte Vertiefung ein, die aufgrund von Gleichmut Weder-Schmerzhaftes-noch-
Angenehmes und Reinheit der Achtsamkeit in sich hat, und verweilte darin.“

10. „Und die Zustände der vierten Vertiefung – der Gleichmut, das wederschmerzhafte-
noch-angenehme Gefühl, die Nicht-Anteilnahme des Herzens aufgrund
von Stille, die Reinheit der Achtsamkeit und die Einspitzigkeit des Geistes;
der Kontakt, das Gefühl, die Wahrnehmung, der Wille und Geist; der Eifer, der
Entschluß, die Energie, die Achtsamkeit, der Gleichmut und das Aufmerken –
diese Zustände wurden von ihm umgrenzt, einer nach dem anderen; jene Zustände
entstanden, und er hatte Kenntnis davon, sie waren gegenwärtig, und er hatte
Kenntnis davon, sie verschwanden, und er hatte Kenntnis davon. Er verstand:
,Diese Zustände treten also tatsächlich in Erscheinung, nachdem sie vorher nicht
vorhanden waren; nach ihrem Vorhandensein verschwinden sie.‘ In Bezug auf
jene Zustände verweilte er, ohne angezogen zu werden, ohne abgestoßen zu werden,
unabhängig, ungebunden, frei, losgelöst, mit einem unbeschränkten Herzen.
Er verstand: ,Es gibt ein Entkommen jenseits davon‘, und mit der Pflege
jenes Erreichungszustands bestätigte er, daß es das gibt.“

11. „Wiederum, ihr Bhikkhus, mit dem völligen Überwinden der Formwahrnehmung,
mit dem Verschwinden der Wahrnehmung der Sinneseinwirkung,
mit Nichtbeachtung der Vielheitswahrnehmung, indem sich Sàriputta vergegenwärtigte
,Raum ist unendlich‘, trat er in das Gebiet der Raumunendlichkeit ein
und verweilte darin.“

12. „Und die Zustände im Gebiet der Raumunendlichkeit – die Wahrnehmung
des Gebiets der Raumunendlichkeit und die Einspitzigkeit des Geistes; der Kontakt,
das Gefühl, die Wahrnehmung, der Wille und Geist; der Eifer, der Entschluß,
die Energie, die Achtsamkeit, der Gleichmut und das Aufmerken – diese Zustände
wurden von ihm umgrenzt, einer nach dem anderen; jene Zustände entstanden,
und er hatte Kenntnis davon, sie waren gegenwärtig, und er hatte Kenntnis
davon, sie verschwanden, und er hatte Kenntnis davon. Er verstand: ,Diese Zustände
treten also tatsächlich in Erscheinung, nachdem sie vorher nicht vorhanden
waren; nach ihrem Vorhandensein verschwinden sie.‘ In Bezug auf jene
Zustände verweilte er, ohne angezogen zu werden, ohne abgestoßen zu werden,
unabhängig, ungebunden, frei, losgelöst, mit einem unbeschränkten Herzen. Er
verstand: ,Es gibt ein Entkommen jenseits davon‘, und mit der Pflege jenes
Erreichungszustands bestätigte er, daß es das gibt.“

13. „Wiederum, ihr Bhikkhus, mit dem völligen Überwinden des Gebiets der
Raumunendlichkeit, indem sich Sàriputta vergegenwärtigte ,Bewußtsein ist unendlich‘,
trat er in das Gebiet der Bewußtseinsunendlichkeit ein und verweilte
darin.“

14. „Und die Zustände im Gebiet der Bewußtseinsunendlichkeit – die Wahrnehmung
des Gebiets der Bewußtseinsunendlichkeit und die Einspitzigkeit des
Geistes; der Kontakt, das Gefühl, die Wahrnehmung, der Wille und Geist; der
Eifer, der Willensentschluß, die Energie, die Achtsamkeit, der Gleichmut und
das Aufmerken – diese Zustände wurden von ihm umgrenzt, einer nach dem
anderen; jene Zustände entstanden, und er hatte Kenntnis davon, sie waren gegenwärtig,
und er hatte Kenntnis davon, sie verschwanden, und er hatte Kenntnis
davon. Er verstand: ,Diese Zustände treten also tatsächlich in Erscheinung, nachdem
sie vorher nicht vorhanden waren; nach ihrem Vorhandensein verschwinden
sie.‘ In Bezug auf jene Zustände verweilte er, ohne angezogen zu werden, ohne
abgestoßen zu werden, unabhängig, ungebunden, frei, losgelöst, mit einem unbeschränkten
Herzen. Er verstand: ,Es gibt ein Entkommen jenseits davon‘, und
mit der Pflege jenes Erreichungszustands bestätigte er, daß es das gibt.“

15. „Wiederum, ihr Bhikkhus, mit dem völligen Überwinden des Gebiets der
Bewußtseinsunendlichkeit, indem sich Sàriputta vergegenwärtigte ,da ist nichts‘,
trat er in das Gebiet der Nichtsheit ein und verweilte darin.“

16. „Und die Zustände im Gebiet der Nichtsheit – die Wahrnehmung des Gebiets
der Nichtsheit und die Einspitzigkeit des Geistes; der Kontakt, das Gefühl,
die Wahrnehmung, der Wille und Geist; der Eifer, der Entschluß, die Energie, die
Achtsamkeit, der Gleichmut und das Aufmerken – diese Zustände wurden von
ihm umgrenzt, einer nach dem anderen; jene Zustände entstanden, und er hatte
Kenntnis davon, sie waren gegenwärtig, und er hatte Kenntnis davon, sie verschwanden,
und er hatte Kenntnis davon. Er verstand: ,Diese Zustände treten
also tatsächlich in Erscheinung, nachdem sie vorher nicht vorhanden waren; nach
ihrem Vorhandensein verschwinden sie.‘ In Bezug auf jene Zustände verweilte
er, ohne angezogen zu werden, ohne abgestoßen zu werden, unabhängig, ungebunden,
frei, losgelöst, mit einem unbeschränkten Herzen. Er verstand: ,Es gibt
ein Entkommen jenseits davon‘, und mit der Pflege jenes Erreichungszustands
bestätigte er, daß es das gibt.“

17. „Wiederum, ihr Bhikkhus, mit dem völligen Überwinden des Gebiets der
Nichtsheit trat Sàriputta in das Gebiet von Weder-Wahrnehmung-Noch-Nichtwahrnehmung
ein und verweilte darin.“

18. „Er trat achtsam aus jenem Erreichungszustand heraus. Nachdem er das
getan hatte, betrachtete er die vergangenen Zustände, die aufgehört und sich verändert
hatten, folgendermaßen: ,Diese Zustände treten also tatsächlich in Erscheinung,
nachdem sie vorher nicht vorhanden waren; nach ihrem Vorhandensein
verschwinden sie 5).‘ In Bezug auf jene Zustände verweilte er, ohne angezogen zu
werden, ohne abgestoßen zu werden, unabhängig, ungebunden, frei, losgelöst, mit
einem unbeschränkten Herzen. Er verstand: ,Es gibt ein Entkommen jenseits davon‘,
und mit der Pflege jenes Erreichungszustands bestätigte er, daß es das gibt.“

19. „Wiederum, ihr Bhikkhus, mit dem völligen Überwinden des Gebiets von
Weder-Wahrnehmung-Noch-Nichtwahrnehmung trat Sàriputta in das Erlöschen
von Wahrnehmung und Gefühl ein und verweilte darin. Und seine Triebe wurden
zerstört, indem er mit Weisheit sah.“

20. „Er trat achtsam aus jenem Erreichungszustand heraus. Nachdem er das
getan hatte, betrachtete er die vergangenen Zustände 6), die aufgehört und sich
verändert hatten, folgendermaßen: ,Diese Zustände treten also tatsächlich in Erscheinung,
nachdem sie vorher nicht vorhanden waren; nach ihrem Vorhandensein
verschwinden sie.‘ In Bezug auf jene Zustände verweilte er, ohne angezogen
zu werden, ohne abgestoßen zu werden, unabhängig, ungebunden, frei, losgelöst,
mit einem unbeschränkten Herzen. Er verstand: ,Es gibt nichts mehr jenseits
davon‘, und mit der Pflege jenes Erreichungszustands bestätigte er, daß es
nichts mehr gibt.“

21. „Ihr Bhikkhus, wenn man zu Recht von irgendjemand sagen wollte: ,Er
hat Meisterschaft und Vervollkommnung in edler Sittlichkeit erlangt, er hat Meisterschaft
und Vervollkommnung in edler Konzentration erlangt, er hat Meisterschaft
und Vervollkommnung in edler Weisheit erlangt, er hat Meisterschaft und
Vervollkommnung in edler Befreiung erlangt‘, so ist in der Tat Sàriputta derjenige,
von dem man zu Recht dies sagen sollte.“

22. „Ihr Bhikkhus, wenn man zu Recht von irgendjemand sagen wollte: ,Er ist
der Sohn des Erhabenen, von seiner Brust geboren, von seinem Mund geboren,
vom Dhamma geboren, vom Dhamma erschaffen, ein Erbe im Dhamma, nicht
ein Erbe in materiellen Gütern‘, so ist in der Tat Sàriputta derjenige, von dem
man zu Recht dies sagen sollte.“

23. „Ihr Bhikkhus, das unübertreffliche Rad des Dhamma, das vom Tathàgata
in Gang gesetzt worden ist, wird auf richtige Weise von Sàriputta in Gang gehalten.“
Das ist es, was der Erhabene sagte. Die Bhikkhus waren zufrieden und entzückt
über die Worte des Erhabenen.

Anmerkung:
1) Das war die Einsichtsübung in den zwei Wochen zwischen der Ordination und
dem Erlangen der Arahantschaft (vgl. M74).
2) Die ersten fünf geistigen Faktoren werden Vertiefungsglieder genannt, weil sich
anhand dieser der betreffende Vertiefungsszustand definieren läßt. Das bedeutet
aber nicht, daß es beim Vertiefungserlebnis sonst weiter nichts gäbe. Viele Meditierende,
die Vertiefungserlebnisse nicht kennen, sind der Meinung, Vertiefungen
seien so eine Art Blackout (oder Whiteout). Ein Rückbesinnen auf das
Material, das die Suttas zu diesem Thema liefern, kann zur Standortbestimmung
in der eigenen Praxis hilfreich sein. Der Buddha nennt weiter Kontakt (phassa),
Gefühl (vedanà), Wahrnehmung (saññà), Wille (cetanà) und Geist (citta); Eifer
(chanda), Entschluß (adhimokkha), Energie (viriya), Achtsamkeit (sati), Gleichmut
(upekkhà) und Aufmerken (manasikàra).
3) Im Pàlikanon gibt es nur wenige Beschreibungen des Wesens der Vergänglichkeit,
hier ist eine davon: Entstehen, Bestehen und Vergehen. Modelle von kleinsten
(atomistischen) Geistesmomenten entstanden erst viel später. Diese fanden
in der Gelehrtenwelt des Theravàda weite Beachtung, obwohl sie keine Grundlage
in den Sutten haben. „Alles ist vergänglich“ heißt nicht, daß sich alles „in
jedem Augenblick“ ändert. Die Ungewißheit, wann Veränderung stattfinden wird,
ist ein wesentlicher Aspekt von Dukkha.
4) „Er verweilte, ohne angezogen zu werden etc.“, bedeutet zum einen, daß er sich
durch sein Eintreten in die Vertiefung zeitweilig außerhalb des Einflußbereichs
der Befleckungen, die er ja noch nicht endgültig überwunden hatte, aufhielt.
Außerdem hatte er keine Anhaftung an das Vertiefungserlebnis selbst, was in
seiner Erkenntnis „es gibt ein Entkommen jenseits davon“ zum Ausdruck kommt.
Das „Entkommen“ ist ein jeweils höherer Geisteszustand.
5) BB: Diese indirekte introspektive Methode muß angewandt werden, um den vierten
immateriellen Erreichungszustand zu betrachten, da dieser Erreichungszustand
äußerst subtil ist und für Schüler nicht in den Bereich des Beobachtbaren
eintritt. Nur vollständig erleuchtete Buddhas können ihn direkt betrachten.
6) MA sagt, nachdem es im Aufhören von Wahrnehmung und Gefühl keine geistigen
Faktoren gibt, muß sich „Zustände“ entweder auf materielle Dinge beziehen,
oder um geistige Dinge, die dem zuletzt genannten Erreichungszustand vorausgingen