MN128 – Geistestrübungen

Majjhima Nikàya 128

Geistestrübungen
(Upakkilesa Sutta)

1. So habe ich es gehört. Einmal hielt sich der Erhabene bei Kosambã in Ghositas
Park auf.

2. Bei dieser Gelegenheit waren die Bhikkhus bei Kosambã in Streit und Zank
verfallen und waren in Streitgespräche vertieft, bei denen sie sich gegenseitig
mit Worten, die Dolchen glichen, verletzten.

3. Da ging ein bestimmter Bhikkhu zum Erhabenen, und nachdem er ihm gehuldigt
hatte, stand er zur Seite und sagte: „Ehrwürdiger Herr, die Bhikkhus hier
bei Kosambã sind in Streit und Zank verfallen und sind in Streitgespräche vertieft,
bei denen sie sich gegenseitig mit Worten, die Dolchen gleichen, verletzen.
Es wäre gut, ehrwürdiger Herr, wenn der Erhabene aus Mitgefühl zu jenen
Bhikkhus gehen würde.“ Der Erhabene stimmte schweigend zu.

4. Dann ging der Erhabene zu jenen Bhikkhus und sagte zu ihnen: „Genug, ihr
Bhikkhus, es soll keinen Streit, keinen Zank, keinen Zwist und keine Streitgespräche
geben.“ Nach diesen Worten sagte ein bestimmter Bhikkhu zum Erhabenen:
„Warte, ehrwürdiger Herr. Der Erhabene, der Herr des Dhamma lebe
unbeschwert und widme sich dem angenehmen Verweilen hier und jetzt. Wir
sind diejenigen, die für diesen Streit, diesen Zank, diesen Zwist und diese Streitgespräche
verantwortlich sein werden.“
Zum zweiten Mal sagte der Erhabene: „Genug, ihr Bhikkhus, es soll keinen
Streit, keinen Zank, keinen Zwist und keine Streitgespräche geben.“ Zum zweiten
Mal sagte jener Bhikkhu zum Erhabenen: „Warte, ehrwürdiger Herr. Der
Erhabene, der Herr des Dhamma lebe unbeschwert und widme sich dem angenehmen
Verweilen hier und jetzt. Wir sind diejenigen, die für diesen Streit, diesen
Zank, diesen Zwist und diese Streitgespräche verantwortlich sein werden.“
Zum dritten Mal sagte der Erhabene: „Genug, ihr Bhikkhus, es soll keinen
Streit, keinen Zank, keinen Zwist und keine Streitgespräche geben.“ Zum dritten
Mal sagte jener Bhikkhu zum Erhabenen: „Warte, ehrwürdiger Herr. Der Erhabene,
der Herr des Dhamma lebe unbeschwert und widme sich dem angenehmen
Verweilen hier und jetzt. Wir sind diejenigen, die für diesen Streit, diesen Zank,
diesen Zwist und diese Streitgespräche verantwortlich sein werden.“

5. Als es Morgen war, zog sich der Erhabene an, nahm seine Schale und äußere
Robe und ging um Almosen nach Kosambã hinein. Nachdem er in Kosambã
um Almosen umhergegangen war und nach seinem Mahl von seiner Almosenrunde
zurückgekehrt war, brachte er seine Lagerstätte in Ordnung, nahm seine
Schale und äußere Robe, und äußerte noch im Stehen diese Verse:

6. „Wenn viele durcheinander schrei’n,
So dünkt sich keiner selbst als Narr;
Obwohl die Sangha fällt entzwei,
Sieht keiner seinen Fehler ein.

Die weise Rede man vergaß,
Und wortbesessen sprechen sie.
Mit loser Zunge zanken sie;
Den Grund dafür weiß keiner mehr.

,Geschlagen hat er mich, beschimpft1),
Hat mich besiegt, hat mich beraubt!‘
Wer solchem Denken sich gibt hin,
In dem kommt nie der Haß zur Ruh’.

Durch Haß fürwahr kann nimmermehr
Zur Ruhe bringen man den Haß;
Durch Nicht-Haß kommt der Haß zur Ruh’:
Das ist ein ewiges Gesetz.

Die Andern aber seh’n nicht ein,
Daß man sich hierin zügeln muß.
Doch, wer da rechte Einsicht hat,
In dem kommt aller Streit zur Ruh’.

Wer Knochen bricht und Leben nimmt,
Wer Reichtum, Vieh und Pferde stiehlt,
Wer brandschatzt gar das ganze Reich –
Der kommt mit seinesgleichen aus.
Warum gelingt euch jenes nicht?

Wenn einen einsichtsvollen Freund du findest,
Einen Gefährten, weise, edel lebend,
Magst freudig du und achtsam mit ihm wandeln
Und überwinden jegliche Gefahr.

Wenn keinen einsichtsvollen Freund du findest,
Einen Gefährten, weise, edel lebend,
Sei wie ein König, der sein Land im Stiche läßt
Und wandle einsam wie der Elefant im Wald.

Alleine wandern besser ist,
Gemeinsames gibt’s nicht mit Tor’n.
Man lebe einsam, tue keine böse Tat,
Sei unbekümmert wie der Elefant im Wald.“

7. Dann, nachdem der Erhabene diese Verse noch im Stehen geäußert hatte,
ging er zum Dorf Bàlakaloõakàra. Bei jener Gelegenheit hielt sich der ehrwürdige
Bhagu bei dem Dorf Bàlakaloõakàra auf. Als der ehrwürdige Bhagu den Erhabenen
in der Ferne kommen sah, bereitete er einen Sitz vor und stellte Wasser
zum Füßewaschen bereit. Der Erhabene setzte sich auf dem vorbereiteten Sitz
nieder und wusch sich die Füße. Der ehrwürdige Bhagu huldigte dem Erhabenen
und setzte sich seitlich nieder, und der Erhabene sagte zu ihm: „Ich hoffe, du bist
wohlauf, Bhikkhu, ich hoffe, es geht dir gut, ich hoffe, du hast keine Probleme,
Almosenspeise zu bekommen.“
„Ich bin wohlauf, Erhabener, es geht mir gut, und ich habe keine Probleme,
Almosenspeise zu bekommen.“
Dann unterrichtete der Erhabene den ehrwürdigen Bhagu, forderte ihn auf,
rüttelte ihn auf und ermunterte ihn mit einem Vortrag über das Dhamma, worauf
er sich von seinem Sitz erhob und zum Östlichen Bambus-Park ging.

8. Bei jener Gelegenheit hielten sich der ehrwürdige Anuruddha, der ehrwürdige
Nandiya und der ehrwürdige Kimbila beim Östlichen Bambus-Park auf2).
Der Parkwächter sah den Erhabenen in der Ferne kommen und sagte zu ihm:
„Betritt diesen Park nicht, Mönch. Hier sind drei Männer aus guter Familie, die
nach dem Guten streben. Störe sie nicht.“
Der ehrwürdige Anuruddha hörte den Parkwächter zum Erhabenen sprechen
und sagte zu ihm: „Freund Parkwächter, laß den Erhabenen nicht draußen bleiben.
Es handelt sich um unseren Lehrer, den Erhabenen, der da gekommen ist.“
Dann ging der ehrwürdige Anuruddha zum ehrwürdigen Nandiya und zum ehrwürdigen
Kimbila und sagte: „Kommt heraus, Ehrwürdige, kommt heraus! Unser
Lehrer, der Erhabene ist gekommen.“

10. Dann gingen alle drei dem Erhabenen entgegen. Einer nahm seine Schale
und äußere Robe, einer bereitete einen Sitz vor, und einer stellte Wasser zum
Füßewaschen bereit. Der Erhabene setzte sich auf dem vorbereiteten Sitz nieder
und wusch sich die Füße. Dann huldigten jene drei Ehrwürdigen dem Erhabenen
und setzten sich seitlich nieder, und der Erhabene sagte zu ihnen: „Ich hoffe, ihr
seid alle wohlauf, Anuruddha, ich hoffe, es geht euch allen gut, ich hoffe, ihr habt
keine Probleme, Almosenspeise zu bekommen.“
„Wir sind wohlauf, Erhabener, es geht uns gut, und wir haben keine Probleme,
Almosenspeise zu bekommen.“

11. „Ich hoffe, Anuruddha, daß ihr alle in Eintracht lebt, mit gegenseitigem
Verständnis, ohne Streit, wobei ihr euch wie Milch und Wasser mischt, euch
gegenseitig mit gütigen Augen betrachtet.“
„Gewiß, ehrwürdiger Herr, wir alle leben in Eintracht, mit gegenseitigem Verständnis,
ohne Streit, wobei wir uns wie Milch und Wasser mischen, uns gegenseitig
mit gütigen Augen betrachten.“
„Aber, Anuruddha, auf welche Weise lebt ihr so?“

12. „Ehrwürdiger Herr, was das betrifft, denke ich so: ,Es ist ein Gewinn für
mich, es ist ein großer Gewinn für mich, daß ich mit solchen Gefährten im heili-
gen Leben zusammenlebe.‘ Ich halte körperliche Handlungen der Liebenden Güte
gegenüber diesen Ehrwürdigen ein, sowohl öffentlich, wie auch im Privaten; ich
halte sprachliche Handlungen der Liebenden Güte ihnen gegenüber ein, sowohl
öffentlich, wie auch im Privaten; ich halte geistige Handlungen der Liebenden
Güte ihnen gegenüber ein, sowohl öffentlich, wie auch im Privaten. Ich erwäge:
, Warum stelle ich nicht zurück, was ich zu tun wünsche, und tue, was diese
Ehrwürdigen zu tun wünschen?‘ Dann stelle ich zurück, was ich zu tun wünsche,
und tue, was diese Ehrwürdigen zu tun wünschen. Wir sind im Körper unterschiedlich,
ehrwürdiger Herr, aber im Geiste eins.“
Der ehrwürdige Nandiya und der ehrwürdige Kimbila sprachen jeweils auf
gleiche Weise und fügten hinzu: „Auf jene Weise, ehrwürdiger Herr, leben wir in
Eintracht, mit gegenseitigem Verständnis, ohne Streit, wobei wir uns wie Milch
und Wasser mischen, uns gegenseitig mit gütigen Augen betrachten.“

13. „Gut, gut, Anuruddha. Ich hoffe, daß ihr alle umsichtig, eifrig und entschlossen
weilt.“
„Gewiß, ehrwürdiger Herr, wir weilen umsichtig, eifrig und entschlossen.“
„Aber, Anuruddha, auf welche Weise weilt ihr so?“

14. „Ehrwürdiger Herr, was das betrifft, wer von uns auch immer zuerst vom
Dorf mit Almosenspeise zurückkehrt, bereitet die Sitze vor, stellt Wasser zum
Trinken und Waschen bereit, und stellt den Abfalleimer auf seinen Platz. Wer
von uns auch immer zuletzt zurückkehrt, ißt, was an Essen übrigblieb, falls er
das wünscht; ansonsten wirft er es dort weg, wo nichts Grünes wächst, oder wirft
es dort ins Wasser, wo nichts lebt. Er räumt die Sitze und das Wasser zum Trinken
und Waschen weg. Er räumt den Abfalleimer weg, nachdem er ihn ausgewaschen
hat, und er fegt den Speisesaal. Wer auch immer feststellt, daß die Behälter
für das Trinkwasser oder das Waschwasser oder das Wasser für die Latrine fast
oder ganz leer sind, kümmert sich darum. Wenn sie zu schwer für ihn sind, ruft er
jemanden mit einem Handzeichen herbei, und mit vereinten Kräften bewegen
sie diese, aber deswegen fangen wir nicht zu sprechen an. Aber alle fünf Tage
sitzen wir die ganze Nacht hindurch zusammen und erörtern das Dhamma. Auf
jene Weise weilen wir umsichtig, eifrig und entschlossen.“

15. „Gut, gut, Anuruddha. Aber während ihr so umsichtig, eifrig und entschlossen
weilt, habt ihr irgendeinen übermenschlichen Zustand erreicht, Klarheit des
Wissens und der Schauung, die der Edlen würdig ist, ein angenehmes Verweilen?“
„Ehrwürdiger Herr, während wir hier umsichtig, eifrig und entschlossen weilen,
nehmen wir sowohl Licht, als auch eine Schauung von Formen wahr. Kurz
danach verschwinden das Licht und die Schauung der Formen3), aber wir haben
jenes Merkmal nicht durchschaut4).“

16. „Ihr solltet jenes Merkmal durchschauen, Anuruddha. Vor meiner Erleuchtung,
als ich noch ein lediglich unerleuchteter Bodhisatta war, nahm auch ich
sowohl Licht, als auch eine Schauung von Formen wahr. Kurz danach verschwanden
das Licht und die Schauung der Formen. Ich dachte: ,Was ist der Grund und
die Bedingung dafür, daß das Licht und die Schauung der Formen verschwunden
sind?‘ Dann erwog ich folgendes: ,Zweifel erschien in mir, und wegen des Zweifels
sank meine Konzentration dahin; als meine Konzentration dahinsank, verschwanden
das Licht und die Schauung der Formen. Ich werde mich so verhalten,
daß Zweifel in mir nicht wieder erscheinen wird.‘“

17. „Anuruddha, während ich umsichtig, eifrig und entschlossen weilte, nahm
ich sowohl Licht, als auch eine Schauung von Formen wahr. Kurz danach verschwanden
das Licht und die Schauung der Formen. Ich dachte: ,Was ist der
Grund und die Bedingung dafür, daß das Licht und die Schauung der Formen
verschwunden sind?‘ Dann erwog ich folgendes: ,Unaufmerksamkeit erschien
in mir, und wegen der Unaufmerksamkeit sank meine Konzentration dahin; als
meine Konzentration dahinsank, verschwanden das Licht und die Schauung der
Formen. Ich werde mich so verhalten, daß weder Zweifel, noch Unaufmerksamkeit
in mir wieder erscheinen werden.‘“

18. „Anuruddha, während ich umsichtig, eifrig und entschlossen weilte, nahm
ich sowohl Licht, als auch eine Schauung von Formen wahr. Kurz danach verschwanden
das Licht und die Schauung der Formen. Ich dachte: ,Was ist der
Grund und die Bedingung dafür, daß das Licht und die Schauung der Formen
verschwunden sind?‘ Dann erwog ich folgendes: , Trägheit und Mattheit erschienen
in mir, und wegen der Trägheit und Mattheit sank meine Konzentration dahin;
als meine Konzentration dahinsank, verschwanden das Licht und die
Schauung der Formen. Ich werde mich so verhalten, daß weder Zweifel, noch
Unaufmerksamkeit, noch Trägheit und Mattheit in mir wieder erscheinen werden.‘“

19. „Anuruddha, während ich umsichtig, eifrig und entschlossen weilte, nahm
ich sowohl Licht, als auch eine Schauung von Formen wahr. Kurz danach verschwanden
das Licht und die Schauung der Formen. Ich dachte: ,Was ist der
Grund und die Bedingung dafür, daß das Licht und die Schauung der Formen
verschwunden sind?‘ Dann erwog ich folgendes: ,Furcht erschien in mir, und
wegen der Furcht sank meine Konzentration dahin5); als meine Konzentration
dahinsank, verschwanden das Licht und die Schauung der Formen.‘ Angenommen,
ein Mann begäbe sich auf eine Reise, und Mörder würden sich von beiden
Seiten auf ihn stürzen; dann würde aufgrund dessen Furcht in ihm erscheinen.
Genauso erschien Furcht in mir, und wegen der Furcht sank meine Konzentration
dahin; als meine Konzentration dahinsank, verschwanden das Licht und die
Schauung der Formen. Ich erwog: ,Ich werde mich so verhalten, daß weder Zweifel,
noch Unaufmerksamkeit, noch Trägheit und Mattheit, noch Furcht in mir
wieder erscheinen werden.‘“

20. „Anuruddha, während ich umsichtig, eifrig und entschlossen weilte, nahm
ich sowohl Licht, als auch eine Schauung von Formen wahr. Kurz danach verschwanden
das Licht und die Schauung der Formen. Ich dachte: ,Was ist der
Grund und die Bedingung dafür, daß das Licht und die Schauung der Formen
verschwunden sind?‘ Dann erwog ich folgendes: ,Freudige Erregung6) erschien
in mir, und wegen der freudigen Erregung sank meine Konzentration dahin; als
meine Konzentration dahinsank, verschwanden das Licht und die Schauung der
Formen.‘ Angenommen, ein Mann, der einen Zugang zu einem verborgenen
Schatz suchte, stieße gleich auf fünf Zugänge zu einem verborgenen Schatz; dann
würde aufgrund dessen freudige Erregung in ihm erscheinen. Genauso erschien
freudige Erregung in mir, und wegen der freudigen Erregung sank meine Konzentration
dahin; als meine Konzentration dahinsank, verschwanden das Licht
und die Schauung der Formen. Ich erwog: ,Ich werde mich so verhalten, daß
weder Zweifel, noch Unaufmerksamkeit, noch Trägheit und Mattheit, noch Furcht,
noch freudige Erregung in mir wieder erscheinen werden.‘“

21. „Anuruddha, während ich umsichtig, eifrig und entschlossen weilte, nahm
ich sowohl Licht, als auch eine Schauung von Formen wahr. Kurz danach verschwanden
das Licht und die Schauung der Formen. Ich dachte: ,Was ist der
Grund und die Bedingung dafür, daß das Licht und die Schauung der Formen
verschwunden sind?‘ Dann erwog ich folgendes: ,Tadelnswertes7) erschien in
mir, und wegen des Tadelnswerten sank meine Konzentration dahin; als meine
Konzentration dahinsank, verschwanden das Licht und die Schauung der Formen.
Ich werde mich so verhalten, daß weder Zweifel, noch Unaufmerksamkeit,
noch Trägheit und Mattheit, noch Furcht, noch freudige Erregung, noch Tadelnswertes
in mir wieder erscheinen werden.‘“

22. „Anuruddha, während ich umsichtig, eifrig und entschlossen weilte, nahm
ich sowohl Licht, als auch eine Schauung von Formen wahr. Kurz danach verschwanden
das Licht und die Schauung der Formen. Ich dachte: ,Was ist der
Grund und die Bedingung dafür, daß das Licht und die Schauung der Formen
verschwunden sind?‘ Dann erwog ich folgendes: ,Ein Übermaß an Energie erschien
in mir, und wegen des Übermaßes an Energie sank meine Konzentration
dahin; als meine Konzentration dahinsank, verschwanden das Licht und die
Schauung der Formen.‘ Angenommen, ein Mann würde eine Wachtel fest mit
beiden Händen packen; sie würde auf der Stelle sterben. Genauso erschien ein
Übermaß an Energie mir, und wegen des Übermaßes an Energie sank meine
Konzentration dahin; als meine Konzentration dahinsank, verschwanden das Licht
und die Schauung der Formen. Ich erwog: ,Ich werde mich so verhalten, daß
weder Zweifel, noch Unaufmerksamkeit, noch Trägheit und Mattheit, noch Furcht,
noch freudige Erregung, noch Tadelnswertes, noch ein Übermaß an Energie in
mir wieder erscheinen werden.‘“

23. „Anuruddha, während ich umsichtig, eifrig und entschlossen weilte, nahm
ich sowohl Licht, als auch eine Schauung von Formen wahr. Kurz danach verschwanden
das Licht und die Schauung der Formen. Ich dachte: ,Was ist der
Grund und die Bedingung dafür, daß das Licht und die Schauung der Formen
verschwunden sind?‘ Dann erwog ich folgendes: ,Ein Mangel an Energie erschien
in mir, und wegen des Mangels an Energie sank meine Konzentration
dahin; als meine Konzentration dahinsank, verschwanden das Licht und die
Schauung der Formen.‘ Angenommen, ein Mann würde eine Wachtel zu locker
festhalten; sie würde ihm aus den Händen davonfliegen. Genauso erschien ein
Mangel an Energie mir, und wegen des Mangels an Energie sank meine Konzentration
dahin; als meine Konzentration dahinsank, verschwanden das Licht und
die Schauung der Formen. Ich erwog: ,Ich werde mich so verhalten, daß weder
Zweifel, noch Unaufmerksamkeit, noch Trägheit und Mattheit, noch Furcht, noch
freudige Erregung, noch Tadelnswertes, noch ein Übermaß an Energie, noch ein
Mangel an Energie in mir wieder erscheinen werden.‘“

24. „Anuruddha, während ich umsichtig, eifrig und entschlossen weilte, nahm
ich sowohl Licht, als auch eine Schauung von Formen wahr. Kurz danach verschwanden
das Licht und die Schauung der Formen. Ich dachte: ,Was ist der
Grund und die Bedingung dafür, daß das Licht und die Schauung der Formen
verschwunden sind?‘ Dann erwog ich folgendes: ,Sehnsucht erschien in mir, und
wegen der Sehnsucht sank meine Konzentration dahin; als meine Konzentration
dahinsank, verschwanden das Licht und die Schauung der Formen. Ich werde
mich so verhalten, daß weder Zweifel, noch Unaufmerksamkeit, noch Trägheit
und Mattheit, noch Furcht, noch freudige Erregung, noch Tadelnswertes, noch
ein Übermaß an Energie, noch ein Mangel an Energie, noch Sehnsucht in mir
wieder erscheinen werden.‘“

25. „Anuruddha, während ich umsichtig, eifrig und entschlossen weilte, nahm
ich sowohl Licht, als auch eine Schauung von Formen wahr. Kurz danach verschwanden
das Licht und die Schauung der Formen. Ich dachte: ,Was ist der
Grund und die Bedingung dafür, daß das Licht und die Schauung der Formen
verschwunden sind?‘ Dann erwog ich folgendes: ,Vielfaltswahrnehmung erschien
in mir, und wegen der Vielfaltswahrnehmung sank meine Konzentration dahin;
als meine Konzentration dahinsank, verschwanden das Licht und die Schauung
der Formen. Ich werde mich so verhalten, daß weder Zweifel, noch Unaufmerksamkeit,
noch Trägheit und Mattheit, noch Furcht, noch freudige Erregung, noch
Tadelnswertes, noch ein Übermaß an Energie, noch ein Mangel an Energie, noch
Sehnsucht, noch Vielfaltswahrnehmung in mir wieder erscheinen werden.‘“

26. „Anuruddha, während ich umsichtig, eifrig und entschlossen weilte, nahm
ich sowohl Licht, als auch eine Schauung von Formen wahr. Kurz danach verschwanden
das Licht und die Schauung der Formen. Ich dachte: ,Was ist der
Grund und die Bedingung dafür, daß das Licht und die Schauung der Formen
verschwunden sind?‘ Dann erwog ich folgendes: ,Ein Übermaß an Meditation
über Formen erschien in mir, und wegen des Übermaßes an Meditation über
Formen sank meine Konzentration dahin; als meine Konzentration dahinsank,
verschwanden das Licht und die Schauung der Formen. Ich werde mich so verhalten,
daß weder Zweifel, noch Unaufmerksamkeit, noch Trägheit und Mattheit,
noch Furcht, noch freudige Erregung, noch Tadelnswertes, noch ein Übermaß
an Energie, noch ein Mangel an Energie, noch Sehnsucht, noch Vielfaltswahrnehmung,
noch ein Übermaß an Meditation über Formen in mir wieder erscheinen
werden.‘“

27. „Anuruddha, als ich wußte, daß Zweifel eine Geistestrübung8) ist, über-
wand ich die Geistestrübung des Zweifels. Als ich wußte, daß Unaufmerksamkeit
eine Geistestrübung ist, überwand ich die Geistestrübung der Unaufmerksamkeit.
Als ich wußte, daß Trägheit und Mattheit eine Geistestrübung ist,
überwand ich die Geistestrübung der Trägheit und Mattheit. Als ich wußte, daß
Furcht eine Geistestrübung ist, überwand ich die Geistestrübung der Furcht. Als
ich wußte, daß freudige Erregung eine Geistestrübung ist, überwand ich die
Geistestrübung der freudigen Erregung. Als ich wußte, daß Tadelnswertes eine
Geistestrübung ist, überwand ich die Geistestrübung des Tadelnswerten. Als ich
wußte, daß ein Übermaß an Energie eine Geistestrübung ist, überwand ich die
Geistestrübung des Übermaßes an Energie. Als ich wußte, daß Mangel an Energie
eine Geistestrübung ist, überwand ich die Geistestrübung des Mangel an
Energie. Als ich wußte, daß Sehnsucht eine Geistestrübung ist, überwand ich die
Geistestrübung der Sehnsucht. Als ich wußte, daß Vielfaltswahrnehmung eine
Geistestrübung ist, überwand ich die Geistestrübung der Vielfaltswahrnehmung.
Als ich wußte, daß ein Übermaß an Meditation über Formen eine Geistestrübung
ist, überwand ich die Geistestrübung des Übermaßes an Meditation über Formen.“

28. „Anuruddha, während ich umsichtig, eifrig und entschlossen weilte, nahm
ich Licht wahr, aber ich sah keine Formen; ich sah Formen, aber ich nahm kein
Licht wahr, sogar für die Dauer einer ganzen Nacht oder eines ganzen Tages oder
eines ganzen Tages und einer ganzen Nacht. Ich dachte: ,Was ist der Grund und
die Bedingung für dieses?‘ Dann erwog ich: ,Bei einer Gelegenheit, bei der ich
nicht auf das Merkmal von Formen achte, sondern auf das Merkmal von Licht
achte, dann nehme ich Licht wahr, aber ich sehe keine Formen. Bei einer Gelegenheit,
bei der ich nicht auf das Merkmal von Licht achte, sondern auf das
Merkmal von Formen achte, dann sehe ich Formen, aber ich nehme kein Licht
wahr9), sogar für die Dauer einer ganzen Nacht oder eines ganzen Tages oder
eines ganzen Tages und einer ganzen Nacht.“

29. „Anuruddha, während ich umsichtig, eifrig und entschlossen weilte, nahm
ich begrenztes Licht wahr und sah begrenzte Formen; ich nahm unermeßliches
Licht wahr und sah unermeßliche Formen, sogar für die Dauer einer ganzen Nacht
oder eines ganzen Tages oder eines ganzen Tages und einer ganzen Nacht. Ich
dachte: ,Was ist der Grund und die Bedingung für dieses?‘ Dann erwog ich: ,Bei
einer Gelegenheit, bei der die Konzentration begrenzt ist, ist auch meine Schauung
begrenzt, und mit begrenzter Schauung nehme ich begrenztes Licht wahr und
sehe begrenzte Formen. Aber bei einer Gelegenheit, bei der die Konzentration
unbegrenzt ist, ist meine Schauung unermeßlich, und mit unermeßlicher Schauung
nehme ich unermeßliches Licht wahr und sehe unermeßliche Formen, sogar für
die Dauer einer ganzen Nacht oder eines ganzen Tages oder eines ganzen Tages
und einer ganzen Nacht.“

30. „Anuruddha, als ich wußte, daß Zweifel eine Geistestrübung ist, und ich
die Geistestrübung des Zweifels überwunden hatte; als ich wußte, daß Unaufmerksamkeit
eine Geistestrübung ist, und ich die Geistestrübung der Unaufmerk-
samkeit überwunden hatte; als ich wußte, daß Trägheit und Mattheit eine Geistestrübung
ist, und ich die Geistestrübung der Trägheit und Mattheit überwunden
hatte; als ich wußte, daß Furcht eine Geistestrübung ist, und ich die Geistestrübung
der Furcht überwunden hatte; als ich wußte, daß freudige Erregung eine
Geistestrübung ist, und ich die Geistestrübung der freudigen Erregung überwunden
hatte; als ich wußte, daß Tadelnswertes eine Geistestrübung ist, und ich die
Geistestrübung des Tadelnswerten überwunden hatte; als ich wußte, daß ein
Übermaß an Energie eine Geistestrübung ist, und ich die Geistestrübung des
Übermaßes an Energie überwunden hatte; als ich wußte, daß Mangel an Energie
eine Geistestrübung ist, und ich die Geistestrübung des Mangels an Energie überwunden
hatte; als ich wußte, daß Sehnsucht eine Geistestrübung ist, und ich die
Geistestrübung der Sehnsucht überwunden hatte; als ich wußte, daß Vielfaltswahrnehmung
eine Geistestrübung ist, und ich die Geistestrübung der Vielfaltswahrnehmung
überwunden hatte; als ich wußte, daß ein Übermaß an Meditation
über Formen eine Geistestrübung ist, und ich die Geistestrübung des Übermaßes
an Meditation über Formen überwunden hatte; da dachte ich: ,Ich habe jene
Geistestrübungen überwunden. Nun will ich Konzentration auf drei Arten entfalten.‘“

31. „Daraufhin, Anuruddha, entfaltete ich Konzentration mit anfänglicher und
anhaltender Hinwendung des Geistes; ich entfaltete Konzentration ohne anfängliche
Hinwendung des Geistes, nur mit anhaltender Hinwendung des Geistes10);
ich entfaltete Konzentration ohne anfängliche Hinwendung des Geistes und ohne
anhaltende Hinwendung des Geistes; ich entfaltete Konzentration mit Verzükkung;
ich entfaltete Konzentration ohne Verzückung; ich entfaltete Konzentration,
die von Vergnügen begleitet ist; ich entfaltete Konzentration, die von
Gleichmut begleitet ist.“

32. „Anuruddha, als ich Konzentration mit anfänglicher und anhaltender Hinwendung
des Geistes entfaltet hatte; als ich Konzentration ohne anfängliche Hinwendung
des Geistes, nur mit anhaltender Hinwendung des Geistes entfaltet hatte;
als ich Konzentration ohne anfängliche Hinwendung des Geistes und ohne anhaltende
Hinwendung des Geistes entfaltet hatte; als ich Konzentration mit Verzückung
entfaltet hatte; als ich Konzentration ohne Verzückung entfaltet hatte;
als ich Konzentration, die von Vergnügen begleitet ist, entfaltet hatte; als ich
Konzentration, die von Gleichmut begleitet ist, entfaltet hatte, entstanden in mir
das Wissen und die Schauung: ,Meine Befreiung ist unerschütterlich; dies ist
meine letzte Geburt; jetzt gibt es kein erneutes Wiederwerden mehr.‘“
Das ist es, was der Erhabene sagte. Der ehrwürdige Anuruddha war zufrieden
und entzückt über die Worte des Erhabenen.

Anmerkungen:
1) Diese und die nächsten beiden Strophen sind auch in der berühmten Verssammlung
Dhammapada (Dhp) zu finden: Dhp3, 5 und 6; die drei letzten Strophen sind
identisch mit Dhp328-330. Die Übersetzung des ehrwürdigen Nyanatiloka wurde
in leicht bearbeiteter Form übernommen.
2) Wie in M31; im Folgenden wird jedoch klar werden, daß die drei Bhikkhus in
dieser Lehrrede noch nach Arahantschaft streben, während sie diese in M31 schon
erlangt haben.
3) MA sagt, mit „Licht“ sei ein Phänomen beim Eintritt in die Vertiefung gemeint.
Mò sagt, das Licht-Kasiõa in die vierte Vertiefung zu nehmen, sei eine Vorstufe
zur Ausübung des Himmlischen Auges. Das macht bis zu einem gewissen Grad
Sinn, da der ehrwürdige Anuruddha später (auch schon vor seiner Erleuchtung)
diese übersinnliche Fähigkeit besaß und vom Buddha als Erster unter seinen Schülern
mit dieser Begabung bezeichnet wurde. Allerdings erklärt der Buddha anschließend
das Verschwinden von Licht und Schauung der Formen im
Zusammenhang mit den Hindernissen der Konzentration. Das würde bedeuten,
daß von vierter Vertiefung und Himmlischem Auge hier noch nicht die Rede sein
kann. Möglicherweise ist mit „Licht“ die Qualität und Leuchtkraft und mit
„Schauung von Formen“ die Stabilität und Schärfe des Kasiõa-Objekts gemeint.
Beides sind Indikatoren für den jeweiligen Zustand der Konzentration.
4) Tañca nimittaõ na paíivijjhàmà. Nimitta heißt allgemein „Zeichen, Merkmal“
und wird oft auf Erscheinungen in der Meditation, bzw. auf Meditationsobjekte
angewendet. BB übersetzt frei: „We have not discovered the cause for that.“
5) Furcht (chambhitatta); beim ungeübten Praktizierenden kann der Eintritt in die
Vertiefungen trotz der angenehmen Gegenwart der Vertiefungsglieder existenzielle
Furcht hervorrufen, da der “Beobachter” mit dem Aufhören der Hindernisse
weniger spürbar ist.
6) Freudige Erregung (ubbilla) ist das Gegenstück zur Furcht; eine Hochstimmung,
die die soeben erlangte Vertiefung wieder zunichte macht.
7) BB übersetzt duííhulla mit „inertia“ (Trägheit). Mylius hat „Bösartigkeit“ und
„Obszönität“, Krommaphra Chandaburinarünath hat „Bösartigkeit“ und „Grobheit“;
letztgenanntes Wörterbuch führt duííhu als „Partikel, der Tadel beinhaltet“.
Die Übersetzung „Tadelnswertes“ läßt mehrere Möglichkeiten offen.
Vielleicht sind die sinnlosen Gedanken gemeint, die manchmal bei der Meditation
auftauchen können.
8) BB weist darauf hin, daß der Begriff cittassa upakkileso auch in M7 verwendet
wird. Allerdings steht er dort in einem anderem Zusammenhang, und wird daher
auf zwei geringfügig unterschiedliche Weisen übersetzt. Diese Übersetzung folgt
BB‘s Hinweis: in M7 geht es mehr um einen ethischen Zusammenhang („Beflekkungen
des Geistes“), hier um Störungen bei der Entfaltung von Konzentration
(„Geistestrübungen“).
9) Bei der Kasiõa-Meditation kann es ein subtiles Hindernis werden, wenn man zu
sehr mit dem „Machen“ des Meditationsobjekts beschäftigt ist. Möglicherweise
kann man es sogar mit dem „Hinwenden zum Meditationsobjekt“ identifizieren,
das in der ersten Vertiefung vorhanden ist. Für diese These spricht, daß der folgende
Abschnitt in der Terminologie der zweiten Vertiefung gehalten ist (vgl.
M127), in der das Kasiõa erst seine volle Leuchtkraft entfaltet.
10) Diese Zweiteilung der ersten Vertiefung wurde später im Abhidhamma-Piñaka
übernommen. Mit Verzückung: erste und zweite Vertiefung; ohne Verzückung:
dritte und vierte Vertiefung; mit Vergnügen: erste bis dritte Vertiefung; mit Gleichmut:
vierte Vertiefung.