MN16 – Die Wildnis im Herzen

Majjhima Nikàya 16

 

Die Wildnis im Herzen (Cetokhila Sutta)

1. So habe ich gehört. Einmal hielt sich der Erhabene bei Sàvatthã im Jeta Hain, dem Park des Anàthapindika auf. Dort richtete er sich folgendermaßen an die Bhikkhus: „Ihr Bhikkhus.“ – „Ehrwürdiger Herr“, erwiderten sie. Der Erhabene
sagte dieses:

2. „Ihr Bhikkhus, daß irgendein Bhikkhu, der fünf Wildnisse im Herzen nicht überwunden hat und fünf Ketten im Herzen nicht gesprengt hat, in diesem Dhamma und dieser Disziplin zu Wachstum, Anwachsen und Erfüllung gelangen sollte – das ist unmöglich.“

3. „Was, ihr Bhikkhus, sind die fünf Wildnisse im Herzen, die er nicht überwunden hat? Da ist ein Bhikkhu in Ungewißheit, im Zweifel, unentschlossen und ohne Zuversicht in Bezug auf den Lehrer, und somit neigt sein Geist nicht zu Eifer, Hingabe, Beharrlichkeit und Anstrengung. Da sein Geist nicht zu Eifer, Hingabe, Beharrlichkeit und Anstrengung neigt, ist das die erste Wildnis im Herzen,
die er nicht überwunden hat.“

4. „Wiederum ist ein Bhikkhu in Ungewißheit, im Zweifel, unentschlossen und ohne Zuversicht in Bezug auf das Dhamma, und somit neigt sein Geist nicht zu Eifer, Hingabe, Beharrlichkeit und Anstrengung. Da sein Geist nicht zu Eifer, Hingabe, Beharrlichkeit und Anstrengung neigt, ist das die zweite Wildnis im Herzen, die er nicht überwunden hat.“

5. „Wiederum ist ein Bhikkhu in Ungewißheit, im Zweifel, unentschlossen und ohne Zuversicht in Bezug auf die Sangha, und somit neigt sein Geist nicht zu Eifer, Hingabe, Beharrlichkeit und Anstrengung. Da sein Geist nicht zu Eifer, Hingabe, Beharrlichkeit und Anstrengung neigt, ist das die dritte Wildnis im Herzen, die er nicht überwunden hat.“

6. „Wiederum ist ein Bhikkhu in Ungewißheit, im Zweifel, unentschlossen und ohne Zuversicht in Bezug auf die Übung, und somit neigt sein Geist nicht zu Eifer, Hingabe, Beharrlichkeit und Anstrengung. Da sein Geist nicht zu Eifer, Hingabe, Beharrlichkeit und Anstrengung neigt, ist das die vierte Wildnis im Herzen, die er nicht überwunden hat.“

7. „Wiederum ist ein Bhikkhu zornig und unzufrieden mit seinen Gefährten im heiligen Leben, ärgerlich und hart ihnen gegenüber, und somit neigt sein Geist nicht zu Eifer, Hingabe, Beharrlichkeit und Anstrengung. Da sein Geist nicht zu Eifer, Hingabe, Beharrlichkeit und Anstrengung neigt, ist das die fünfte Wildnis im Herzen, die er nicht überwunden hat. Dies sind die fünf Wildnisse im Herzen, die er nicht überwunden hat.“

8. „Was, ihr Bhikkhus, sind die fünf Ketten im Herzen, die er nicht gesprengt hat? Da ist ein Bhikkhu nicht frei von Begierde, Gier, Vernarrtheit, Durst, Fieber und Begehren nach Sinnesvergnügen, und somit neigt sein Geist nicht zu Eifer, Hingabe, Beharrlichkeit und Anstrengung. Da sein Geist nicht zu Eifer, Hingabe, Beharrlichkeit und Anstrengung neigt, ist das die erste Kette im Herzen, die
er nicht gesprengt hat.“

9. „Wiederum ist ein Bhikkhu nicht frei von Begierde, Gier, Vernarrtheit, Durst, Fieber und Begehren nach dem Körper, und somit neigt sein Geist nicht zu Eifer, Hingabe, Beharrlichkeit und Anstrengung. Da sein Geist nicht zu Eifer, Hingabe,
Beharrlichkeit und Anstrengung neigt, ist das die zweite Kette im Herzen, die er nicht gesprengt hat.“

10. „Wiederum ist ein Bhikkhu nicht frei von Begierde, Gier, Vernarrtheit, Durst, Fieber und Begehren nach Form 1), und somit neigt sein Geist nicht zu Eifer, Hingabe, Beharrlichkeit und Anstrengung. Da sein Geist nicht zu Eifer, Hingabe, Beharrlichkeit und Anstrengung neigt, ist das die dritte Kette im Herzen, die er nicht gesprengt hat.“

11. „Wiederum ißt ein Bhikkhu soviel er mag, bis sein Bauch voll ist und er gibt sich dem Glück des Schlafens, Herumlungerns und Dösens hin, und somit neigt sein Geist nicht zu Eifer, Hingabe, Beharrlichkeit und Anstrengung. Da sein Geist nicht zu Eifer, Hingabe, Beharrlichkeit und Anstrengung neigt, ist das die vierte Kette im Herzen, die er nicht gesprengt hat.“

12. „Wiederum führt ein Bhikkhu das heilige Leben aus dem Grund, weil er folgendermaßen nach einer bestimmten Gattung von Dasein als Himmelswesen strebt: ,Durch diese Sittlichkeit oder durch die Einhaltung dieser Regeln oder durch diese Askese oder durch dieses heilige Leben werde ich ein höheres oder niedrigeres Himmelswesen werden‘, und somit neigt sein Geist nicht zu Eifer, Hingabe, Beharrlichkeit und Anstrengung. Da sein Geist nicht zu Eifer, Hingabe, Beharrlichkeit und Anstrengung neigt, ist das die fünfte Kette im Herzen, die er nicht gesprengt hat. Dies sind die fünf Ketten im Herzen, die er nicht gesprengt hat.“

13. „Ihr Bhikkhus, daß irgendein Bhikkhu, der diese fünf Wildnisse im Herzen nicht überwunden hat und diese fünf Ketten im Herzen nicht gesprengt hat, in diesem Dhamma und dieser Disziplin zu Wachstum, Anwachsen und Erfüllung gelangen sollte – das ist unmöglich.“

14. „Ihr Bhikkhus, daß irgendein Bhikkhu, der fünf Wildnisse im Herzen überwunden hat und fünf Ketten im Herzen gesprengt hat, in diesem Dhamma und dieser Disziplin zu Wachstum, Anwachsen und Erfüllung gelangen sollte – das ist möglich.“

15. „Was, ihr Bhikkhus, sind die fünf Wildnisse im Herzen, die er überwunden hat? Da ist ein Bhikkhu nicht in Ungewißheit, im Zweifel, unentschlossen oder ohne Zuversicht in Bezug auf den Lehrer, und somit neigt sein Geist zu Eifer, Hingabe, Beharrlichkeit und Anstrengung. Da sein Geist zu Eifer, Hingabe, Beharrlichkeit und Anstrengung neigt, ist die erste Wildnis im Herzen von
ihm überwunden worden.“

16. „Wiederum ist ein Bhikkhu nicht in Ungewißheit, im Zweifel, unentschlossen oder ohne Zuversicht in Bezug auf das Dhamma, und somit neigt sein Geist zu Eifer, Hingabe, Beharrlichkeit und Anstrengung. Da sein Geist zu Eifer, Hingabe, Beharrlichkeit und Anstrengung neigt, ist die zweite Wildnis im Herzen von ihm überwunden worden.“

17. „Wiederum ist ein Bhikkhu nicht in Ungewißheit, im Zweifel, unentschlossen oder ohne Zuversicht in Bezug auf die Sangha, und somit neigt sein Geist zu Eifer, Hingabe, Beharrlichkeit und Anstrengung. Da sein Geist zu Eifer, Hingabe, Beharrlichkeit und Anstrengung neigt, ist die dritte Wildnis im Herzen von ihm überwunden worden.“

18. „Wiederum ist ein Bhikkhu nicht in Ungewißheit, im Zweifel, unentschlossen oder ohne Zuversicht in Bezug auf die Übung, und somit neigt sein Geist zu Eifer, Hingabe, Beharrlichkeit und Anstrengung. Da sein Geist zu Eifer, Hingabe, Beharrlichkeit und Anstrengung neigt, ist die vierte Wildnis im Herzen von ihm überwunden worden.“

19. „Wiederum ist ein Bhikkhu nicht zornig und unzufrieden mit seinen Gefährten im heiligen Leben, nicht ärgerlich und hart ihnen gegenüber, und somit neigt sein Geist zu Eifer, Hingabe, Beharrlichkeit und Anstrengung. Da sein Geist zu Eifer, Hingabe, Beharrlichkeit und Anstrengung neigt, ist die fünfte Wildnis im Herzen von ihm überwunden worden.“

20. „Was, ihr Bhikkhus, sind die fünf Ketten im Herzen, die er gesprengt hat? Da ist ein Bhikkhu frei von Begierde, Gier, Vernarrtheit, Durst, Fieber und Begehren nach Sinnesvergnügen, und somit neigt sein Geist zu Eifer, Hingabe, Beharrlichkeit und Anstrengung. Da sein Geist zu Eifer, Hingabe, Beharrlichkeit und Anstrengung neigt, ist die erste Kette im Herzen von ihm gesprengt worden.“

21. „Wiederum ist ein Bhikkhu frei von Begierde, Gier, Vernarrtheit, Durst, Fieber und Begehren nach dem Körper, und somit neigt sein Geist zu Eifer, Hingabe, Beharrlichkeit und Anstrengung. Da sein Geist zu Eifer, Hingabe, Beharrlichkeit und Anstrengung neigt, ist die zweite Kette im Herzen von ihm gesprengt worden.“

22. „Wiederum ist ein Bhikkhu frei von Begierde, Gier, Vernarrtheit, Durst, Fieber und Begehren nach Form, und somit neigt sein Geist zu Eifer, Hingabe, Beharrlichkeit und Anstrengung. Da sein Geist zu Eifer, Hingabe, Beharrlichkeit und Anstrengung neigt, ist das dritte Kette im Herzen von ihm gesprengt worden.“

23. „Wiederum ißt ein Bhikkhu nicht soviel er mag, bis sein Bauch voll ist und er gibt sich nicht dem Glück des Schlafens, Herumlungerns und Dösens hin, und somit neigt sein Geist zu Eifer, Hingabe, Beharrlichkeit und Anstrengung. Da sein Geist zu Eifer, Hingabe, Beharrlichkeit und Anstrengung neigt, ist die vierte Kette im Herzen von ihm gesprengt worden.“

24. „Wiederum führt ein Bhikkhu das heilige Leben nicht aus dem Grund, weil er folgendermaßen nach einer bestimmten Gattung von Dasein als Himmelswesen strebt: ,Durch diese Sittlichkeit oder durch die Einhaltung dieser Regeln oder durch diese Askese oder durch dieses heilige Leben werde ein höheres oder niedrigeres Himmelswesen werden‘, und somit neigt sein Geist zu Eifer, Hingabe,
Beharrlichkeit und Anstrengung. Da sein Geist zu Eifer, Hingabe, Beharrlichkeit und Anstrengung neigt, ist die fünfte Kette im Herzen von ihm gesprengt worden. Dies sind die fünf Ketten im Herzen, die er gesprengt hat.“

25. „Ihr Bhikkhus, daß irgendein Bhikkhu, der diese fünf Wildnisse im Herzen überwunden hat, und diese fünf Ketten im Herzen gesprengt hat, in diesem Dhamma und dieser Disziplin zu Wachstum, Anwachsen und Erfüllung gelangen sollte – das ist möglich.“

26. „Er entfaltet die Machtfährte, die in der Sammlung der Absicht und entschlossener Anstrengung besteht; er entfaltet die Machtfährte, die in der Sammlung der Energie und entschlossener Anstrengung besteht; er entfaltet die Machtfährte, die in der Sammlung des Geistes 2) und entschlossener Anstrengung besteht; er entfaltet die Machtfährte, die in der Sammlung des Nachforschens und entschlossener Anstrengung besteht. Und Enthusiasmus ist die fünfte.“

27. „Ein Bhikkhu, der auf solche Weise die fünfzehn Faktoren einschließlich des Enthusiasmus besitzt, ist in der Lage auszubrechen, zur Erleuchtung fähig, fähig, die höchste Sicherheit vor dem Gefesseltsein zu erlangen.“ „Angenommen, es gäbe eine Henne mit acht oder zehn oder zwölf Eiern, die sie richtig bedeckt, bebrütet und versorgt hatte. Obwohl sie nicht wünschte: ,O, daß doch meine Küken ihre Schalen mit den Spitzen ihrer Krallen und Schnäbel durchbohren und sicher ausschlüpfen mögen!‘, sind doch die Küken in der Lage, ihre Schalen mit den Spitzen ihrer Krallen und Schnäbel zu durchbohren und sicher auszuschlüpfen. Genauso ist ein Bhikkhu, der auf solche Weise die fünfzehn Faktoren einschließlich des Enthusiasmus besitzt, in der Lage auszubrechen, zur Erleuchtung fähig, fähig, die höchste Sicherheit vor dem Gefesseltsein zu erlangen.“
Das ist es, was der Erhabene sagte. Die Bhikkhus waren zufrieden und entzückt über die Worte des Erhabenen.

Anmerkungen:

1) Mit Form (rúpa) sind alle materiellen Dinge gemeint. Oft wird Form als Körperlichkeit interpretiert, was hier aber schon durch die gesonderte Aufzählung von Körper (kàya) fraglich erscheint.
2) BB versteht „Sammlung“ (samàdhi) hier im Sinne von „Konzentration des Geistes aufgrund von Absicht, Willenskraft etc.“. Diese Übersetzung versteht „Sammlung“ als „Konzentration von Absicht, Willenskraft etc.“.