MN6 – Sollte ein Bhikkhu wünschen

Majjhima Nikàya 6

 

Sollte ein Bhikkhu wünschen (Àkankheyya Sutta)

1. So habe ich gehört. Einmal hielt sich der Erhabene bei Sàvatthã im Jeta Hain, dem Park des Anàthapindika auf. Dort richtete er sich folgendermaßen an die Bhikkhus: „Ihr Bhikkhus.“ – „Ehrwürdiger Herr“, erwiderten sie. Der Erhabene sagte dieses:

2. „Ihr Bhikkhus, lebt sittsam, gemäß den Pàtimokkha-Regeln 1), zurückgehalten mit der Zurückhaltung der Pàtimokkha -Regeln, seid vollkommen im Verhalten und (der Wahl des) Aufenthaltsorts, und indem ihr den Schrecken im kleinsten Fehler seht, übt ihr euch, indem ihr die Übungsregeln auf euch nehmt.“

3. „Sollte ein Bhikkhu wünschen: ,Möge ich meinen Gefährten im heiligen Leben lieb und angenehm sein, von ihnen respektiert und geschätzt werden‘, dann soll er die Sittlichkeit erfüllen, sich der inneren Geistesruhe widmen, die Meditation nicht vernachlässigen, Einsicht pflegen und in leeren Hütten wohnen.“

4. „Sollte ein Bhikkhu wünschen: ,Möge ich einer sein, der Roben, Almosenspeise, Lagerstätte und krankheitsbedingte Medikamente und Requisiten erlangt‘, dann soll er die Sittlichkeit erfüllen, sich der inneren Geistesruhe widmen, die Meditation nicht vernachlässigen, Einsicht pflegen und in leeren Hütten wohnen.“

5. „Sollte ein Bhikkhu wünschen: ,Mögen die Dienste derjenigen, deren Roben, Almosenspeise, Lagerstätte und krankheitsbedingte Medikamente und Requisiten ich benutze, ihnen reiche Frucht und Nutzen bringen‘, dann soll er die Sittlichkeit erfüllen, sich der inneren Geistesruhe widmen, die Meditation nicht vernachlässigen, Einsicht pflegen und in leeren Hütten wohnen.“

6. „Sollte ein Bhikkhu wünschen: ,Möge es meinen dahingeschiedenen, gestorbenen Angehörigen und Verwandten reiche Frucht und Nutzen bringen, wenn sie sich mit vertrauensvollem Geist an mich erinnern 2)‘, dann soll er die Sittlichkeit erfüllen, sich der inneren Geistesruhe widmen, die Meditation nicht vernachlässigen, Einsicht pflegen und in leeren Hütten wohnen.“

7. „Sollte ein Bhikkhu wünschen: ,Möge ich ein Sieger über Unzufriedenheit und Vorlieben werden, und mögen Unzufriedenheit und Vorlieben mich nicht besiegen; möge ich verweilen, indem ich Unzufriedenheit und Vorlieben überwinde, wann immer sie entstehen‘, dann soll er die Sittlichkeit erfüllen, sich der inneren Geistesruhe widmen, die Meditation nicht vernachlässigen, Einsicht pflegen und in leeren Hütten wohnen.“

8. „Sollte ein Bhikkhu wünschen: ,Möge ich ein Sieger über Furcht und Schrecken werden, und mögen Furcht und Schrecken mich nicht besiegen; möge ich verweilen, indem ich Furcht und Schrecken überwinde, wann immer sie entstehen‘, dann soll er die Sittlichkeit erfüllen, sich der inneren Geistesruhe widmen, die Meditation nicht vernachlässigen, Einsicht pflegen und in leeren Hütten wohnen.“

9. „Sollte ein Bhikkhu wünschen: ,Möge ich einer werden, der nach Belieben, ohne Probleme oder Schwierigkeiten die vier Vertiefungen erlangt, die die höhere Geistigkeit ausmachen und für ein angenehmes Verweilen hier und jetzt sorgen‘, dann soll er die Sittlichkeit erfüllen, sich der inneren Geistesruhe widmen, die Meditation nicht vernachlässigen, Einsicht pflegen und in leeren Hütten wohnen.“

10. „Sollte ein Bhikkhu wünschen: ,Möge ich mit dem Körper in Kontakt mit jenen Erlösungen kommen und darin verweilen, die friedvoll und formlos sind und Formen transzendieren 3)‘, dann soll er die Sittlichkeit erfüllen, sich der inneren Geistesruhe widmen, die Meditation nicht vernachlässigen, Einsicht pflegen und in leeren Hütten wohnen.“

11. „Sollte ein Bhikkhu wünschen: ,Möge ich mit der Vernichtung von drei Fesseln ein Stromeingetretener werden, dem Verderben nicht länger unterworfen, (zur Befreiung) bestimmt, auf die Erleuchtung zugehend‘, dann soll er die Sittlichkeit erfüllen, sich der inneren Geistesruhe widmen, die Meditation nicht vernachlässigen, Einsicht pflegen und in leeren Hütten wohnen.“

12. „Sollte ein Bhikkhu wünschen: ,Möge ich mit der Vernichtung von drei Fesseln und mit der Abschwächung von Begierde, Haß und Verblendung ein Einmalwiederkehrer werden, der einmal in diese Welt zurückkehrt, um Dukkha ein Ende zu bereiten‘, dann soll er die Sittlichkeit erfüllen, sich der inneren Geistesruhe widmen, die Meditation nicht vernachlässigen, Einsicht pflegen und in leeren Hütten wohnen.“

13. „Sollte ein Bhikkhu wünschen: ,Möge ich mit der Vernichtung der fünf niedrigeren Fesseln dazu bestimmt sein, spontan (in den Reinen Bereichen) 4) wiederzuerschienen und dort Nibbàna zu erlangen, ohne je von jener Welt zurückzukehren‘, dann soll er die Sittlichkeit erfüllen, sich der inneren Geistesruhe widmen, die Meditation nicht vernachlässigen, Einsicht pflegen und in leeren Hütten wohnen.“

14. „Sollte ein Bhikkhu wünschen: ,Möge ich die verschiedenen Arten übernatürlicher Kräfte beherrschen 5): nachdem ich einer gewesen bin, möge ich mich vervielfältigen; nachdem ich mich vervielfältigt habe, möge ich einer werden; möge ich erscheinen und verschwinden; möge ich ungehindert durch eine Wand gehen, durch eine Einzäunung, durch einen Berg, als ob ich mich durch den freien Raum bewegte; möge ich in die Erde eintauchen und aus ihr auftauchen, als ob sie Wasser wäre; möge ich übers Wasser gehen, ohne zu versinken, als ob es Erde wäre; möge ich im Lotussitz durch den Raum reisen, wie ein Vogel; möge ich mit der Hand den Mond und die Sonne, die so kraftvoll und mächtig sind, berühren und streicheln; möge ich körperliche Beherrschung, die sogar bis zur Brahma-Welt reicht, haben‘, dann soll er die Sittlichkeit erfüllen, sich der inneren Geistesruhe widmen, die Meditation nicht vernachlässigen, Einsicht pflegen und in leeren Hütten wohnen.“

15. „Sollte ein Bhikkhu wünschen: ,Möge ich mit dem Element des Himmlischen Ohrs, das geläutert und dem menschlichen überlegen ist, beide Arten von Klängen hören, die himmlischen und die menschlichen, die fernen ebenso wie die nahen‘, dann soll er die Sittlichkeit erfüllen, sich der inneren Geistesruhe widmen, die Meditation nicht vernachlässigen, Einsicht pflegen und in leeren Hütten wohnen.“

16. „Sollte ein Bhikkhu wünschen: ,Möge ich das Herz anderer Wesen, anderer Personen verstehen, nachdem ich sie mit meinem eigenen Herzen umfaßt habe. Möge ich einen Geist, der von Begierde beeinträchtigt ist, als von Begierde beeinträchtigt verstehen, und einen Geist, der nicht von Begierde beeinträchtigt ist, als nicht von Begierde beeinträchtigt; möge ich einen Geist, der von Haß beeinträchtigt ist, als von Haß beeinträchtigt verstehen, und einen Geist, der nicht von Haß beeinträchtigt ist, als nicht von Haß beeinträchtigt; möge ich einen Geist, der von Verblendung beeinträchtigt ist, als von Verblendung beeinträchtigt verstehen, und einen Geist, der nicht von Verblendung beeinträchtigt ist, als nicht von Verblendung beeinträchtigt; möge ich einen zusammengezogenen Geist als zusammengezogen verstehen, und einen abgelenkten Geist als abgelenkt; möge ich einen erhabenen Geist als erhaben verstehen, und einen nicht erhabenen Geist als nicht erhaben; möge ich einen übertrefflichen Geist als übertrefflich verstehen, und einen unübertrefflichen Geist als unübertrefflich; möge ich einen konzentrierten Geist als konzentriert verstehen, und einen unkonzentrierten Geist als unkonzentriert; möge ich einen befreiten Geist als befreit verstehen, und einen unbefreiten Geist als unbefreit‘, dann soll er die Sittlichkeit erfüllen, sich der inneren Geistesruhe widmen, die Meditation nicht vernachlässigen, Einsicht pflegen und in leeren Hütten wohnen.“

17. „Sollte ein Bhikkhu wünschen: ,Möge ich mich an meine vielfältigen früheren Leben erinnern, das heißt, an eine Geburt, zwei Geburten, drei Geburten, vier Geburten, fünf Geburten, zehn Geburten, zwanzig Geburten, dreißig Geburten, vierzig Geburten, fünfzig Geburten, hundert Geburten, tausend Geburten, hunderttausend Geburten, viele Äonen, in denen sich das Weltall zusammenzog, viele Äonen, in denen sich das Weltall ausdehnte, viele Äonen, in denen sich das Weltall zusammenzog und ausdehnte: ,Dort wurde ich soundso genannt, war von solcher Familie, mit solcher Erscheinung, solcherart war meine Nahrung, so mein Erleben von Glück und Schmerz, so meine Lebensspanne; und nachdem ich von dort verschieden war, erschien ich woanders wieder; auch dort wurde ich soundso genannt, war von solcher Familie, mit solcher Erscheinung, war meine Nahrung solcherart, so mein Erleben von Glück und Schmerz, so meine Lebensspanne; und nachdem ich von dort verschieden war, erschien ich hier wieder.‘ Möge ich mich so an viele frühere Leben mit ihren Aspekten und Besonderheiten erinnern‘, dann soll er die Sittlichkeit erfüllen, sich der inneren Geistesruhe widmen, die Meditation nicht vernachlässigen, Einsicht pflegen und in leeren Hütten wohnen.“

18. „Sollte ein Bhikkhu wünschen: ,Möge ich mit dem Himmlischen Auge, das geläutert und dem menschlichen überlegen ist, die Wesen sterben und wiedererscheinen sehen, niedrige und hohe, schöne und häßliche, in Glück und Elend und möge ich verstehen, wie die Wesen ihren Handlungen gemäß weiterwandern: ,Diese geschätzten Wesen, die sich mit Körper, Sprache und Geist übel benommen haben, die die Edlen geschmäht haben, die falsche Ansichten hatten und diesen in ihren Taten Ausdruck verliehen, sind bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode in Umständen, die von Entbehrungen geprägt sind, wiedererschienen, an einem unglücklichen Bestimmungsort, in Verderbnis, ja sogar in der Hölle; aber jene geschätzten Wesen, die sich mit Körper, Sprache und Geist wohl benommen haben, die die Edlen nicht geschmäht haben, die richtige Ansichten hatten und diesen in ihren Taten Ausdruck verliehen, sind bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode an einem glücklichen Bestimmungsort wiedererschienen, ja sogar in der himmlischen Welt.‘ Möge ich so mit dem Himmlischen Auge, das geläutert und dem menschlichen überlegen ist, die Wesen sterben und wiedererscheinen sehen, niedrige und hohe, schöne und häßliche, in Glück und Elend, und möge ich verstehen, wie die Wesen ihren Handlungen gemäß weiterwandern‘, dann soll er die Sittlichkeit erfüllen, sich der inneren Geistesruhe widmen, die Meditation nicht vernachlässigen, Einsicht pflegen und in leeren Hütten wohnen.“

19. „Sollte ein Bhikkhu wünschen: ,Möge ich durch eigene Verwirklichung mit höherer Geisteskraft, hier und jetzt in die Herzensbefreiung, die Befreiung durch Weisheit, die mit der Vernichtung der Triebe triebfrei ist, eintreten und darin verweilen‘, dann soll er die Sittlichkeit erfüllen, sich der inneren Geistesruhe widmen, die Meditation nicht vernachlässigen, Einsicht pflegen und in leeren Hütten wohnen.“

20. „Also geschah es mit Bezug auf dieses, daß gesagt wurde: ,Ihr Bhikkhus, lebt sittsam, gemäß den Pàtimokkha-Regeln, zurückgehalten mit der Zurückhaltung der Pàtimokkha-Regeln, seid vollkommen im Verhalten und (der Wahl des) Aufenthaltsorts, und indem ihr den Schrecken im kleinsten Fehler seht, übt euch, indem ihr die Übungsregeln auf euch nehmt.‘“
Das ist es, was der Erhabene sagte. Die Bhikkhus waren zufrieden und entzückt über die Worte des Erhabenen.

Anmerkungen:

1) Die Pàtimokkha-Regeln sind das Hauptregelwerk des Bhikkhu- und Bhikkhunã-Ordens. Bei den Bhikkhus sind es 227 Regeln unterschiedlicher Gewichtung.
2) Besinnen auf heilsame Eigenschaften anderer mit gleichzeitigem Hervorbringen von Mitfreude ist generell eine heilsame Handlung. Besonders bei jenen, die im Bereich der Hungergeister und in den niedrigeren Devabereichen wiedererschienen sind, soll sie von großer Frucht sein.
3) Gemeint sind die formlosen Vertiefungen. Die Frage, warum formlose Bereiche „mit dem Körper“ berührt werden, wird von den klassischen Kommentaren nicht zufriedenstellend beantwortet. Möglicherweise ist gemeint, daß dieser Geisteszustand erreicht wird, während man noch einen materiellen Körper besitzt, im Gegensatz zum Wiedererscheinen in formlosen Daseinsbereichen.
4) Feinstoffliche Daseinsbereiche, in denen die Lebensumstände dem Fortschritt zur vollen Erleuchtung förderlich sind. Die Voraussetzung zum Wiedererscheinen dort ist die Stufe der Nicht-Wiederkehr.
5) In den folgenden Abschnitten werden die sechs Arten höherer Geisteskraft (abhiññà) beschrieben. Die ersten fünf davon sind weltlich, die sechste, das Wissen von der Vernichtung der Triebe ist die überweltliche höhere Geisteskraft.