MN88 – Der Mantel

Majjhima Nikàya 88

 

Der Mantel (Bàhitika Sutta)

1. So habe ich gehört. Einmal hielt sich der Erhabene bei Sàvatthã im Jeta Hain,
dem Park des Anàthapindika auf.

2. Als es Morgen war, zog sich der ehrwürdige ânanda an, nahm seine Schale
und äußere Robe und ging um Almosen nach Sàvatthã hinein. Nachdem er in
Sàvatthã um Almosen umhergegangen war und von seiner Almosenrunde zurückgekehrt
war, ging er nach seiner Mahlzeit zum Östlichen Park, zum Palast
von Migàras Mutter, um den Tag zu verbringen.

3. Bei jener Gelegenheit hatte König Pasenadi von Kosala den Elefanten
Ekapuõóarãka bestiegen und ritt um die Mittagszeit aus Sàvatthã aus. Er sah den
ehrwürdigen ânanda in der Ferne kommen und fragte den Minister Sirivaóóha:
„Das ist der ehrwürdige ânanda, nicht wahr?“ – „Ja, Majestät, das ist der ehrwürdige
ânanda.“

4. Dann sagte König Pasenadi von Kosala zu einem bestimmten Mann: „Komm,
guter Mann, geh zum ehrwürdigen ânanda und bringe in meinem Namen mit
den Haupte zu seinen Füßen Huldigung dar, mit den Worten: ,Ehrwürdiger Herr,
König Pasenadi von Kosala bringt Huldigung mit dem Haupt zu Füßen des ehrwürdigen
ânanda dar.‘ Dann sage dieses: ,Ehrwürdiger Herr, wenn der ehrwürdige
ânanda nichts Dringendes zu erledigen hat, vielleicht könnte der ehrwürdige
ânanda aus Mitgefühl einen Moment warten?‘“

5. „Ja, Majestät“, erwiderte der Mann, und er ging zum ehrwürdigen ânanda
und nachdem er ihm gehuldigt hatte, stand er zur Seite. Dann sagte er zum ehrwürdigen
ânanda: „Ehrwürdiger Herr, König Pasenadi von Kosala bringt Huldigung
mit dem Haupt zu Füßen des ehrwürdigen ânanda dar und läßt sagen:
,Ehrwürdiger Herr, wenn der ehrwürdige ânanda nichts Dringendes zu erledigen
hat, vielleicht könnte der ehrwürdige ânanda aus Mitgefühl einen Moment
warten?‘“

6. Der ehrwürdige ânanda stimmte schweigend zu. Dann ritt König Pasenadi
auf dem Elefanten, so weit der Elefant gehen konnte, und dann stieg er ab und
ging zu Fuß zum ehrwürdigen ânanda weiter. Nachdem er ihm gehuldigt hatte,
stand er zur Seite und sagte zum ehrwürdigen ânanda: „Ehrwürdiger Herr, wenn
der ehrwürdige ânanda nichts Dringendes zu erledigen hat, wäre es gut, wenn er
aus Mitgefühl zum Ufer des Flusses Aciravatã gehen würde.‘“

7. Der ehrwürdige ânanda stimmte schweigend zu. Er ging zum Ufer des
Flusses Aciravatã und setzte sich am Fuße eines Baumes auf einem vorbereiteten
Sitz nieder. Dann ritt König Pasenadi auf dem Elefanten, so weit der Elefant
gehen konnte, und dann stieg er ab und ging zu Fuß zum ehrwürdigen ânanda
weiter. Nachdem er ihm gehuldigt hatte, stand er zur Seite und sagte zum ehrwürdigen
ânanda: „Ehrwürdiger Herr, hier ist ein Elefantenteppich. Der ehrwürdige
ânanda nehme darauf Platz.“
„Es besteht keine Notwendigkeit, großer König. Nimm Platz. Ich sitze auf
meiner eigenen Matte.“

8. König Pasenadi setzte sich auf einem vorbereiteten Sitz nieder. Danach
sagte er: „Ehrwürdiger ânanda, würde sich der Erhabene mit dem Körper auf
eine Weise verhalten, so daß er von weisen Mönchen und Brahmanen verurteilt
werden könnte 1)?“
„Nein, großer König, der Erhabene würde sich nicht mit dem Körper auf eine
Weise verhalten, so daß er von weisen Mönchen und Brahmanen verurteilt werden
könnte.“
„Ehrwürdiger ânanda, würde sich der Erhabene mit der Sprache auf eine Weise
verhalten, so daß er von weisen Mönchen und Brahmanen verurteilt werden könnte?“
„Nein, großer König, der Erhabene würde sich nicht mit der Sprache auf eine
Weise verhalten, so daß er von weisen Mönchen und Brahmanen verurteilt werden
könnte.“
„Ehrwürdiger ânanda, würde sich der Erhabene mit dem Geist auf eine Weise
verhalten, so daß er von weisen Mönchen und Brahmanen verurteilt werden könnte?“
„Nein, großer König, der Erhabene würde sich nicht mit dem Geist auf eine
Weise verhalten, so daß er von weisen Mönchen und Brahmanen verurteilt werden
könnte.“

9. „Es ist wunderbar, ehrwürdiger Herr, es ist erstaunlich! Denn was wir mit
einer Frage nicht bewirken konnten, ist vom ehrwürdigen ânanda mit der Antwort
auf die Frage bewirkt worden. Wir erkennen keinerlei Wert darin, was törichte,
unwissende Personen, die reden, ohne untersucht und erwogen zu haben,
zum Lob oder Tadel anderer sagen; aber wir erkennen als wertvoll, was weise,
intelligente und scharfsinnige Personen, die reden, nachdem sie untersucht und
erwogen haben, zum Lob oder Tadel anderer sagen.“

10. „Nun, ehrwürdiger ânanda, welches körperliche Verhalten wird von weisen
Mönchen und Brahmanen verurteilt?“
„Jegliches körperliche Verhalten, das unheilsam ist, großer König.“
„Nun, ehrwürdiger ânanda, welches körperliche Verhalten ist unheilsam?“
„Jegliches körperliche Verhalten, das tadelnswert ist, großer König.“
„Nun, ehrwürdiger ânanda, welches körperliche Verhalten ist tadelnswert?“
„Jegliches körperliche Verhalten, das Leid bringt, großer König.“
„Nun, ehrwürdiger ânanda, welches körperliche Verhalten bringt Leid?“
„Jegliches körperliche Verhalten, das schmerzhafte Resultate hat, großer König.“
„Nun, ehrwürdiger ânanda, welches körperliche Verhalten hat schmerzhafte
Resultate?“
„Jegliches körperliche Verhalten, das zum eigenen Leid führt, oder zum Leid
anderer, oder zum Leid beider, und aufgrund dessen unheilsame Zustände zunehmen
und heilsame Zustände abnehmen. Solches körperliche Verhalten wird
von weisen Mönchen und Brahmanen verurteilt, großer König 2).“

11. „Nun, ehrwürdiger ânanda, welches sprachliche Verhalten wird von weisen
Mönchen und Brahmanen verurteilt?“
„Jegliches sprachliche Verhalten, das unheilsam ist, großer König.“
„Nun, ehrwürdiger ânanda, welches sprachliche Verhalten ist unheilsam?“
„Jegliches sprachliche Verhalten, das tadelnswert ist, großer König.“
„Nun, ehrwürdiger ânanda, welches sprachliche Verhalten ist tadelnswert?“
„Jegliches sprachliche Verhalten, das Leid bringt, großer König.“
„Nun, ehrwürdiger ânanda, welches sprachliche Verhalten bringt Leid?“
„Jegliches sprachliche Verhalten, das schmerzhafte Resultate hat, großer König.“
„Nun, ehrwürdiger ânanda, welches sprachliche Verhalten hat schmerzhafte
Resultate?“
„Jegliches sprachliche Verhalten, das zum eigenen Leid führt, oder zum Leid
anderer, oder zum Leid beider, und aufgrund dessen unheilsame Zustände zunehmen
und heilsame Zustände abnehmen. Solches sprachliche Verhalten wird
von weisen Mönchen und Brahmanen verurteilt, großer König.“

12. „Nun, ehrwürdiger ânanda, welches geistige Verhalten wird von weisen
Mönchen und Brahmanen verurteilt?“
„Jegliches geistige Verhalten, das unheilsam ist, großer König.“
„Nun, ehrwürdiger ânanda, welches geistige Verhalten ist unheilsam?“
„Jegliches geistige Verhalten, das tadelnswert ist, großer König.“
„Nun, ehrwürdiger ânanda, welches geistige Verhalten ist tadelnswert?“
„Jegliches geistige Verhalten, das Leid bringt, großer König.“
„Nun, ehrwürdiger ânanda, welches geistige Verhalten bringt Leid?“
„Jegliches geistige Verhalten, das schmerzhafte Resultate hat, großer König.“
„Nun, ehrwürdiger ânanda, welches geistige Verhalten hat schmerzhafte Resultate?“
„Jegliches geistige Verhalten, das zum eigenen Leid führt, oder zum Leid anderer,
oder zum Leid beider, und aufgrund dessen unheilsame Zustände zunehmen
und heilsame Zustände abnehmen. Solches geistige Verhalten wird von
weisen Mönchen und Brahmanen verurteilt, großer König.“

13. „Nun, ehrwürdiger ânanda, heißt der Erhabene nur das Überwinden aller
unheilsamen Zustände gut?“
„Der Tathàgata, großer König, hat alle unheilsamen Zustände überwunden
und er besitzt heilsame Zustände 3).“

14. „Nun, ehrwürdiger ânanda, welches körperliche Verhalten wird von weisen
Mönchen und Brahmanen nicht verurteilt?“
„Jegliches körperliche Verhalten, das heilsam ist, großer König.“
„Nun, ehrwürdiger ânanda, welches körperliche Verhalten ist heilsam?“
„Jegliches körperliche Verhalten, das tadellos ist, großer König.“
„Nun, ehrwürdiger ânanda, welches körperliche Verhalten ist tadellos?“
„Jegliches körperliche Verhalten, das kein Leid bringt, großer König.“
„Nun, ehrwürdiger ânanda, welches körperliche Verhalten bringt kein Leid?“
„Jegliches körperliche Verhalten, das angenehme Resultate hat, großer König.“
„Nun, ehrwürdiger ânanda, welches körperliche Verhalten hat angenehme
Resultate?“
„Jegliches körperliche Verhalten, das nicht zum eigenen Leid führt, oder zum
Leid anderer, oder zum Leid beider, und aufgrund dessen unheilsame Zustände
abnehmen und heilsame Zustände zunehmen. Solches körperliche Verhalten wird
von weisen Mönchen und Brahmanen nicht verurteilt, großer König.“

15. „Nun, ehrwürdiger ânanda, welches sprachliche Verhalten wird von weisen
Mönchen und Brahmanen nicht verurteilt?“
„Jegliches sprachliche Verhalten, das heilsam ist, großer König.“
„Nun, ehrwürdiger ânanda, welches sprachliche Verhalten ist heilsam?“
„Jegliches sprachliche Verhalten, das tadellos ist, großer König.“
„Nun, ehrwürdiger ânanda, welches sprachliche Verhalten ist tadellos?“
„Jegliches sprachliche Verhalten, das kein Leid bringt, großer König.“
„Nun, ehrwürdiger ânanda, welches sprachliche Verhalten bringt kein Leid?“
„Jegliches sprachliche Verhalten, das angenehme Resultate hat, großer König.“
„Nun, ehrwürdiger ânanda, welches sprachliche Verhalten hat angenehme
Resultate?“
„Jegliches sprachliche Verhalten, das nicht zum eigenen Leid führt, oder zum
Leid anderer, oder zum Leid beider, und aufgrund dessen unheilsame Zustände
abnehmen und heilsame Zustände zunehmen. Solches sprachliche Verhalten wird
von weisen Mönchen und Brahmanen nicht verurteilt, großer König.“

16. „Nun, ehrwürdiger ânanda, welches geistige Verhalten wird von weisen
Mönchen und Brahmanen nicht verurteilt?“
„Jegliches geistige Verhalten, das heilsam ist, großer König.“
„Nun, ehrwürdiger ânanda, welches geistige Verhalten ist heilsam?“
„Jegliches geistige Verhalten, das tadellos ist, großer König.“
„Nun, ehrwürdiger ânanda, welches geistige Verhalten ist tadellos?“
„Jegliches geistige Verhalten, das kein Leid bringt, großer König.“
„Nun, ehrwürdiger ânanda, welches geistige Verhalten bringt kein Leid?“
„Jegliches geistige Verhalten, das angenehme Resultate hat, großer König.“
„Nun, ehrwürdiger ânanda, welches geistige Verhalten hat angenehme Resultate?“
„Jegliches geistige Verhalten, das nicht zum eigenen Leid führt, oder zum
Leid anderer, oder zum Leid beider, und aufgrund dessen unheilsame Zustände
abnehmen und heilsame Zustände zunehmen. Solches geistige Verhalten wird
von weisen Mönchen und Brahmanen nicht verurteilt, großer König.“

17. „Nun, ehrwürdiger ânanda, heißt der Erhabene nur das Übernehmen aller
heilsamen Zustände gut?“
„Der Tathàgata, großer König, hat alle unheilsamen Zustände überwunden
und er besitzt heilsame Zustände.“

18. „Es ist wunderbar, ehrwürdiger Herr, es ist erstaunlich, wie gut das vom
ehrwürdigen ânanda ausgedrückt worden ist! Und wir sind so zufrieden und
erfreut über das, was vom ehrwürdigen ânanda so gut ausgedrückt worden ist,
daß wir, wenn ihm der Kostbare Elefant gestattet wäre, ihm diesen geben würden;
wenn ihm das Kostbare Pferd gestattet wäre, würden wir es ihm geben;
wenn ihm ein Dorf als Lehen gestattet wäre, würden wir es ihm geben. Aber wir
wissen, ehrwürdiger Herr, daß diese Dinge dem ehrwürdigen ânanda nicht gestattet
sind. Aber hier ist mein Umhang, ehrwürdiger Herr, der mir von König
Ajàtasattu von Magadha geschickt wurde, verpackt in einen königlichen Schirmkoffer,
sechzehn Spannen lang und acht Spannen breit. Der ehrwürdige ânanda
nehme ihn aus Mitgefühl an.“
„Es ist nicht nötig, großer König. Meine dreifache Robe ist vollständig.“

19. „Ehrwürdiger Herr, sowohl der ehrwürdige ânanda als auch wir haben
gesehen, wie dieser Fluß Aciravatã aussieht, wenn sich eine große Wolke in den
Bergen heftig abgeregnet hat; dann tritt dieser Fluß über beide Ufer. Ebenso,
ehrwürdiger Herr, kann der ehrwürdige ânanda eine dreifache Robe für sich
selbst aus diesem Umhang machen, und er kann seine alte Robe unter seinen
Gefährten im heiligen Leben teilen. Auf diese Weise wird unsere Gabe über die
Ufer treten. Ehrwürdiger Herr, der ehrwürdige ânanda nehme den Umhang an.“

20. Der ehrwürdige ânanda nahm den Umhang an. Dann sagte König Pasenadi
von Kosala: „Und nun, ehrwürdiger Herr, nehmen wir Abschied. Wir sind beschäftigt
und haben viel zu tun.“
„Jetzt ist es an der Zeit, großer König, das zu tun, was du für richtig hältst.“
Dann erhob sich König Pasenadi von Kosala und nahm Abschied, entzückt
und erfreut über die Worte des ehrwürdigen ânanda, und nachdem er dem ehrwürdigen
ânanda gehuldigt hatte, nahm er Abschied, wobei er ihm die rechte
Seite zuwandte.

21. Danach, kurz nachdem er Abschied genommen hatte, ging der ehrwürdige
ânanda zum Erhabenen, und nachdem er ihm gehuldigt hatte, setzte er sich seitlich
nieder, berichtete ihm seine gesamte Unterhaltung mit König Pasenadi von
Kosala, und überreichte dem Erhabenen den Umhang.

22. Dann richtete sich der Erhabene folgendermaßen an die Bhikkhus: „Es ist
ein Gewinn, ihr Bhikkhus, für König Pasenadi von Kosala, es ist ein großer Gewinn
für König Pasenadi von Kosala, daß er die Gelegenheit hatte, ânanda zu
sehen und ihm Respekt zu erweisen.“
Das ist es, was der Erhabene sagte. Die Bhikkhus waren zufrieden und entzückt
über die Worte des Erhabenen.

Anmerkungen:
1) MA erklärt, daß der König diese Frage in Bezug auf den Fall der Wanderasketin
Sundarã stellte, in dem zu jenem Zeitpunkt ermittelt wurde. Eine Gruppe von
Wanderasketen stifteten Sundarã zu einem Komplott an, bei dem der Buddha in
Verruf gebracht werden sollte. Sundarã besuchte den Jeta Hain bei Nacht und ließ
sich am Morgen bei ihrer Rückkehr öffentlich sehen, um bei den Leuten Verdacht
zu erregen. Später wurde sie umgebracht, was auch dem Buddha in die
Schuhe geschoben werden sollte. Der Fall wurde eine Woche später von den
Spionen des Königs aufgeklärt.
2) BB erklärt, daß hier fünf Kriterien übler Handlung gegeben werden: „unheilsam“
bezieht sich auf die psychologische Eigenschaft der Handlung, ihren nachteiligen
Effekt auf die geistige Gesundheit; „tadelnswert“ bezieht sich auf die
ethische Abträglichkeit; „schmerzhafte Resultate“ bezieht sich auf kammische
Konsequenzen; die letzte Antwort des ehrwürdigen ânanda bezieht sich auf üble
Motivation und die langfristigen negativen Folgen für einen selbst und für andere.
Entsprechend gilt das Gegenteil für die weiter unten erfolgende Erklärung
heilsamer Handlung.
3) MA: die Antwort des ehrwürdigen ânanda geht über die Frage hinaus. Der Buddha
heißt nicht nur das Aufgeben aller unheilsamen Zustände gut, sondern handelt
auch entsprechend.