Über die Buddhanatur

– Dharmavortrag des Ehrw. Thich Thong Phuong – 8. Oktober 2009, Buddhas Weg

retreat-ven-thich-thong-phuong-303Alle Wesen tragen die Buddhanatur in sich – tatsächlich ist sie die wahre Natur des Menschen. Doch der Geist der (meisten) Lebewesen ist verdunkelt, was dazu führt, dass wir im Kreis der Wiedergeburten gefangen sind. Je mehr Wiedergeburten wir durchlaufen, desto schwieriger ist es für uns, zu unserer wahren Natur zurückzufinden. Wir haben uns im Netz der Wiedergeburten verloren.
Ein armer Mann kam einmal zu einem Zenmeister und beklagte sich über seine Armut. Der Meister antwortete, er trage doch einen Schatz in seinem Ärmel und dennoch suche er in der ganzen Welt nach Reichtum.

Wir tragen den Keim der Befreiung in uns …

Die meisten Menschen wissen nicht, dass sie den Keim der Befreiung in sich tragen. Wir sind immer auf der Suche nach irgendetwas im Außen. Über unsere sechs Sinne sind wir ständig auf der Suche nach Befriedigung. Mit unseren Augen suchen wir nach Schönheit, mit unseren Ohren nach angenehmen Klängen. Wir meinen, wenn wir keine Reize über unsere sechs Sinne empfangen, büßen wir unsere Lebendigkeit ein. Wir sehen nicht, dass wir uns eben durch diese Sinneswahrnehmungen in die Irre führen lassen. Wir suchen im Außen nach etwas, was wir in unserem Inneren bereits besitzen. Schaut Euch an: Ihr habt zum Teil weite Wege zurückgelegt, um heute den Dharmatalk hören zu können. Ihr hofft, hier Eure Buddhanatur zu finden. Dabei tragt Ihr sie doch in Euch selbst und müßt nirgendwo hingehen, um sie zu erlangen. Jeder Mensch hat die Möglichkeit, ein Buddha zu werden. Allerdings ist es dazu notwendig, dass wir praktizieren. Auch der Buddha selbst hat viele Leben hindurch praktizieren müssen, um zum Buddha zu werden.

Der Weg des Bodhisattwa …

kidsWas ist ein Bodhisattwa? Ein Bodhisattwa ist ein erleuchteter Mensch. Er wurde also als Mensch geboren und wurde erst nach langer (geistiger) Praxis zum Bodhisattwa.

Ein Zenmeister sagte: „In jedem Holz steckt der Keim des Feuers.“ Aber man muss etwas tun, damit dieses Feuer aus dem Holz befreit wird. Nur durch die Reibung mit einem anderen Stück Holz kann dies geschehen. Auch der Mensch muss den ihm innewohnenden Keim der Befreiung hegen und pflegen, damit er sich entwickeln und wachsen kann.

Wann fand der Buddha eigentlich seine Erleuchtung? Als er unter dem Bodhi-Baum saß? Wo wurde er erleuchtet? Erleuchtung findet innerlich statt, unabhängig davon, wo man sitzt. Der Buddha war in seinem Herzen erleuchtet. Wenn der Keim der Erleuchtung nicht vorhanden ist, kann man nicht erleuchtet werden – da hilft dann auch die Praxis nicht.
Der Buddha sagt, die wahre Natur der Lebewesen ist rein. So lange unser Geist benebelt ist, können wir die Erleuchtung nicht erlangen. Die Erleuchtung ist einfach nur ein anderer Zustand. Wenn wir geboren werden, bekommen wir einen Namen. Wenn wir Mönch oder Nonnen werden, erhalten wir einen neuen Namen. Ein Name ist nichts Festes, hat keine Beständigkeit, er ist nur eine Bezeichnung.

In jedem Menschen einen zukünftigen Buddha sehen …

participating_nun1Im Diamant-Sutra wird die Frage gestellt, wie man denn den Lebewesen klar machen könne, dass sie die Buddhanatur in sich tragen. Der Buddha antwortete, dass man versuchen müsse, den Lebewesen zu vermitteln, dass ihr Leben als Menschen nicht von Dauer ist. Die Natur und die Daseinsformen und –ebenen verändern sich. Nur die Buddhanatur ist unveränderlich und unerschütterlich – sie ist Teil der absoluten Wahrheit. Im Lotos-Sutra wird gesagt, wenn wir alle Menschen mit Respekt behandeln und in jedem, dem wir begegnen, einen zukünftigen Buddha sehen, können wir die Erleuchtung erlangen. Dies wird möglich, weil wir durch diese Betrachtungsweise Demut entwickeln können. Wie können wir einem zukünftigen Buddha Hass oder andere negative Gefühle entgegen bringen?

Die Buddhaschaft ist durchaus erreichbar. Wenn wir allen Menschen um uns herum mit Respekt begegnen brauchen wir keine Emotionen der Minderwertigkeit mehr zu entwickeln. Wir müssen zuversichtlich sein, dass sich unser Zustand eines Tages ändert und wir die Erleuchtung finden.

Viele Zenmeister versuchen aus ihren Schülern Eigenschaften und Ansichten „herauszunehmen“, so dass sie „plötzlich und auf der Stelle“ erleuchtet werden. In den zahlreichen Zengeschichten finden wir zum Teil merkwürdige Mittel, um dieses Bewusstsein/diesen Zustand in dem Schüler zu erzeugen oder heraus zu kitzeln.

Ein Armer kommt zu einem Zenmeister und fragt diesen, wie er denn aus seiner Armut herauskomme? Der Zenmeister antwortet: „Du lügst! Armer Mann, Du hast zwei Arme, zwei Beine und 6 funktionierende Sinne – wie kannst Du da arm sein?“

Was für unseren Weg hilfreich ist …

Auf der Suche nach unserer wahren Natur brauchen wir günstige Gelegenheiten. Die Buddhanatur kann nicht ohne Weiteres aufgedeckt werden.

Wir benötigen dazu (in der Regel):
1. Zugang zum Dharma.
Wir können dankbar sein, wenn wir die Möglichkeit haben, einen Dharmavortrag beizuwohnen. Dennoch reicht es für unsere geistige Entwicklung nicht aus, wenn wir lediglich zuhören. Wir müssen die Inhalte auch in unserem Leben praktizieren.

2. Einen geeigneten Lehrer/Meister.
Es gibt gute und schlechte Lehrer. Ein schlechter Lehrer ist einer, der Dir verspricht, dass Du in drei Monaten erleuchtet sein wirst. Erleuchtung kann Dir niemand von außen geben. Wäre dem so, bedenkt bitte, könnte der Meister sie Dir auch wieder nach Lust und Laune wegzunehmen. Erleuchtung ist ein innerer Prozess.

3. das Praktizieren des Achtfachen Pfads – Gutes Tun ohne Gegenleistungen zu erwarten.
Wenn wir zum Beispiel Spenden geben, um unser Karma aufzubessern, ist das keine heilsame Motivation. Dann werden wir vielleicht als „reiche Tiere“ wiedergeboren (z.B. als Elefant, der reich geschmückt wird). Ein Bodhisattwa denkt nicht darüber nach, warum oder wozu er Gutes tun soll. Er macht es einfach – ohne jeglichen Hintergedanken. Wenn wir Erwartungen mit unseren guten Taten verknüpfen, erzeugen wir nur Kummer und Enttäuschung für uns selbst, wenn diese nicht erfüllt werden. Wir müssen sie daher loslassen.

4. einen klaren Geist.
Die Buddhanatur ist vage, eher abstrakt. Man benötigt einen klaren Geist, um sie zu erkennen. Obwohl sie in uns selbst ist, können wir keinen Zugang zu ihr finden, so lange unser Geist nicht bereit dafür ist. Auch ein klarer Geist bedeutet noch nicht automatisch, dass man imstande ist, die Buddhanatur zu erfahren.

Nehmen wir einen Intellektuellen: er hat einen klaren Geist, aber eben nur für eine bestimmte Ebene, z.B. für Logik und Wissen. Er hat sozusagen seine ganze Klarheit für diese Ebene aufgebraucht und hat keine Kapazität mehr frei, um die Klarheit auf das Erkennen der Buddhanatur zu verwenden.

Es ist wie in einem dunklen Zimmer, in welchem viele Gegenstände sind. So lange der Raum dunkel ist, sehen wir die Dinge nicht. Stellen wir eine Lampe hinein, können wir sie wahrnehmen. Das bedeutet aber nicht, dass das Licht die Erscheinungen erzeugt hat – sie waren schon vorher vorhanden. Das Licht hilft nur, die Dinge zu sehen.

Wie erlangen wir einen klaren Geist?

1. die Lehren hören,
2, über die Lehren reflektieren und
3. die Lehren praktizieren.

Ohne Loslassen keine Befreiung …

Der Weg des Praktizierens erfordert Loslassen – sowohl von materiellen als auch von geistigen Anhaftungen. Es funktioniert nicht, dass wir einerseits nach der Befreiung streben, aber gleichzeitig nicht bereit sind, unsere Anhaftungen loszulassen.

Es ist alles vergänglich. Es lohnt sich nicht an etwas anzuhaften. Auch nicht an unseren Körper, der besteht auch nur aus Erde, Wasser, Feuer und Wind. Er ist lediglich eine Manifestation der Elemente. Was bleibt, ist unser Geist.

Ein Zenmeister besucht einen Tempel und geht zum Altar. Dort steht eine Figur aus Ton und die Besucher beten sie an. Der Meister nimmt seinen Stock und klopft dreimal auf die Statue, woraufhin diese zerbricht. Die Menschen sind entsetzt, aber der Zenmeister bleibt gelassen. Später als er aus dem Tempel kommt, kommt eine wunderschön gekleidete Gestalt auf ihn zu und kniet vor ihm nieder. Es ist der Küchengott, der sich bei dem Zenmeister bedanken möchte. „Ich danke Dir, dass Du diese Tonfigur zerschlagen hast, dadurch hast Du mich befreit. Die Menschen haben mich durch ihre Anbetung dort eingesperrt.”

Was wir sind oder nicht sind …

Ohne unseren Geist sind wir nur ein Stück Fleisch. Und an diesem Stück Fleisch haften wir. Wir können es nicht loslassen, daher haben wir solche Angst vor dem Tod.

Frage: Wie sollen wir mit jemanden umgehen, der uns beleidigt? Wir sollen uns vergegenwärtigen, dass er lediglich ein Stück Fleisch beleidigt. Unseren Geist kann man nicht beleidigen.

An einem Tag, ja, innerhalb einer Stunde sagen wir „ich bin fröhlich“, „ich bin traurig“ usw.: unser Zustand ändert sich ständig, wir sind nie „gleich“ – wir tragen so viele „Ichs“ in uns. Das ist unsere Ich-Natur: Der ständige Wechsel.
Oft verwechseln wir unsere 6 Sinne mit dem Ich. Diese sind aber nicht unser Ich. Sie sind nur eine Möglichkeit, mit der Außenwelt zu kommunizieren, in Kontakt zu treten.

Wenn wir essen – wer ißt? Der Mund, die Zunge oder der Magen? Keiner ißt für sich allein. Aber dennoch sagen wir immer nur „Ich, Ich, Ich“. An einem einzigen Tag erleben wir also unterschiedlichste, geistige Zustände. Darüber hinaus sind wir nicht nur an eine Funktion oder Rolle gebunden – wir tragen viele davon in uns, wir sind viele in einer Person: Mutter, Ehefrau, Freundin, Praktizierende…. Wir ändern uns also ständig, auf der materiellen und der geistigen Ebene, sowie im Kontakt mit der Außenwelt.

Wenn wir unsere Anhaftungen an negativen Emotionen wie Hass und Ärger pflegen, riskieren wir, auf einer niederen Daseinsebene wiedergeboren zu werden. Daher müssen wir uns von unserer destruktiven Denkweise befreien.

Der Prozess des Loslassens ist folglich ein wichtiger Faktor auf dem Weg zur Erleuchtung. Unser Ziel ist es, mit Hilfe eines klaren Geistes, die Dinge in ihrer wahren Natur zu erkennen. Dadurch verändert sich unsere Sichtweise und wir können „uns selbst vergessen”.

Die eigene Verantwortung übernehmen …

Der Meister ist dazu da, Euch an Eure wahre Natur zu erinnern, die Ihr im Laufe vieler Leben verloren habt (den Zugang dazu). Wichtig ist, dass Ihr auf Eurem Weg immer aus Eurer eigenen Kraft heraus arbeiten müßt. Anlehnen an Buddha oder einen Gott funktioniert nicht. Daher kann die Anbetung nicht der richtige Weg sein. Ihr müßt Euch selbst anstrengen, um die Befreiung zu erlangen. Viele Leute beten Statuen an, obwohl sie doch einen Buddha in sich selbst tragen.

steinbuddha_kopfWenn wir schlafen,
umarmen wir Buddha.
Wenn wir aufwachen,
gehen wir mit Buddha –
wir sind unzertrennlich,
aber trotzdem suchen wir nach Buddha (im Außen).”

Geht nicht auf die Suche (im Außen), sondern entwickelt Eure (innere) Buddhanatur. Unser Dasein dient dazu, zu lernen, unsere wahre Buddhanatur zu erwecken.

13. Oktober 2009

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