Ankommen und Schauen – die Wichtigkeit der eigenen Erfahrung

- aus dem Dharmavortrag des Ehrw. Thich Thong Phuong –
Pagode Phat Hue, 10. Oktober 2009

(Übersetzung aus dem Vietnamesischen vom Ehrw. Thich Thien Son)

retreat-ven-thich-thong-phuong-241Heute wollen wir über das Thema Ankommen und Schauen sprechen.

Das bedeutet, dass wir die Gelegenheit wahrnehmen, der Wahrheit in unserem Leben zu begegnen und sie zu erfahren. Was bedeutet es, der Wahrheit in uns zu begegnen? Es bedeutet, die Erleuchtung zu finden. Die Erleuchtung ist nicht irgendwo in den Schriften zu finden, sondern in unserem Geist, das müssen wir verstehen.

Meister Lin-Chi, der Begründer unserer Zenlinie, hat gesagt, dass man die Praxis nicht im Außen und in den Schriften suchen soll. Die Praxis findet in unserem eigenen Geist statt.

Viele Menschen lesen Bücher und eignen sich intellektuelle Informationen an, das ist nicht die lebendige Praxis und dadurch wird man nicht zum Buddha.

Wenn wir ein Kleid betrachten: Ein Kleid kann sich nicht von selbst bewegen. Nur derjenige, der drinnen steckt, kann es bewegen. Wenn wir die Tradition praktizieren, ist es wie mit einem Kleidungsstück: Es muss von unserem Geist bewegt werden.
Wenn wir Spiritualität praktizieren, muss sie durch unseren Geist bewegt werden.

Viele Menschen streben nach Nirvana – nach Befreiung oder Erleuchtung. Aber die Möglichkeiten zu Befreiung und Erleuchtung an sich liegen in unserem Geist. Deshalb müssen wir Hier und Jetzt die Befreiung für uns anstreben.

Logik und Verstand müssen wir hinter uns lassen …

Intellektuelle Informationen sind nur eine Tür, eine Möglichkeit des Zugangs zu uns selbst, die eigene Praxis für uns zu gewinnen. Erst durch die eigene Praxis erlangen wir Weisheit.

Als der Buddha seine Erleuchtung erlangt hat, ist er zunächst nicht bereit, sein Wissen weiterzugeben. Wir sollen verstehen und wissen, aus welchen Gründen er sich geweigert hat, sein Wissen weiter zu geben.
Erst nach mehren Bitten von Devas (himmlischen Wesen) hat der Buddha dann zugesagt, den Dharma weiterzugeben. Aber das, was der Buddha verstanden hat oder die Einsicht, die er bekommen hat, übersteigt unsere Logik oder unser Verständnis – es geht weit darüber hinaus.

Der Buddha selbst hat auch gesagt, dass was ich „verstanden”, wodurch ich die Erleuchtung erlangt habe, geht weit über die eigene Logik und den Verstand heraus. Es geht um die Erfahrung, in der Einheit im Einklang mit allem zu sein, dass kann man nicht mit Logik erklären.

Und der Buddha hat sich dann überlegt, je mehr er eine Erklärung abgibt, umso mehr benutzt man seine Logik und seinen Verstand um das zu verstehen, was er sagt. Und je mehr man das tut, umso mehr kommt man in die Verwirrung hinein. Denn man muss Logik und Verstand hinter sich lassen, um die Erleuchtung zu erlangen.

Denn das Leben beschränkt sich nicht auf die Sprache und die intellektuelle Ebene. Der Buddha erinnert uns sehr oft daran: Das Leben ist so vielfältig und offen, dass wir uns nicht durch unsere Sprache und unser Wissen beschränken lassen sollten.

Mittel und Zweck auseinander halten …

So müssen wir auch verstehen, wo ein Mittel zum Zweck eingesetzt wurde. Ein Auto benutzen wir, um in der Stadt anzukommen, aber wenn wir im Auto bleiben, werden wir nie wirklich in der Stadt sein, auch wenn wir angekommen sind. Wir müssen erkennen, an welchem Punkt ein Mittel seinen Zweck erfüllt hat.

Der Buddha gab ein Beispiel als er mit den Fingern auf den Mond gezeigt hat. Er benutzt den Finger als Mittel, um auf den Mond zu zeigen. Wenn wir uns zu sehr auf den Finger konzentrieren, dann werden wir den Mond nicht sehen. Wenn wir uns zu sehr auf die Lehren konzentrieren, dann werden wir die Wahrheit nie erkennen und nie wirklich im Dharma ankommen.

Über 40 Jahre seines Lebens hat der Buddha seine Belehrungen gegeben. Bevor er starb, hat er gesagt, ich habe nie ein Wort gesprochen. Damit will er ausdrücken, dass man nicht zu sehr an der intellektuellen Ebene anhaften soll.

Wissen bedeutet nicht gleich Weisheit …

Es gibt einen Begriff in Pali panna, wir können ihn mit Weisheit oder tieferen Wissen beschreiben. Es gibt drei Kategorien von Wissen: 1. Intellektuelles Wissen (z.B. aus Büchern), 2. Wissen aus eigener Erfahrung und 3. das aus der Weisheit entstandene Wissen.

Panna dürfen wir also nicht als Wissen missverstehen. Denn Weisheit entsteht erst, wenn wir durch die eigenen Erfahrungen, die wir in unserem Leben gemacht haben, zu (neuen) Einsichten gelangen. Das ist dann ein tieferes und nicht nur ein intellektuelles Wissen. Intellektuelles Wissen können wir uns von großen Gelehrten, Patriarchen und Buddhas aneignen, aber es ist nicht unsere eigenes Wissen oder unsere eigene Weisheit.

Ein Begriff, der uns aus dem Buddhismus sehr geläufig ist, ist die Vergänglichkeit. Aber das subtile Verständnis für die Vergänglichkeit haben wir in der Regel noch nicht. Um ihr Wesen wirklich in der Tiefe zu verstehen, benötigen wir viel Mut. Man muss loslassen können, um die Vergänglichkeit wirklich zu verstehen.

Wir eignen uns sehr viel Wissen an, aber es wird nicht zu unserem eigenen Sein, so lange wir nicht darüber reflektieren. Die eigene Erfahrung damit zu machen, bedeutet tiefes Wissen. Erst dann wird es zu unserem Sein.

Die Leerheit erfahren …

Heute Morgen habe ich (Thay Thien Son) über die 5 Skandhas Körper, Gefühl, Gedanken, Gewohnheiten und Bewusstsein gesprochen. Und diese 5 Skandhas in sich sind eigentlich leer. Wenn man dies nur intellektuell versteht und keine eigenen Erfahrungen damit gemacht hat, kann man das nicht als Praxis bezeichnen.

Wir Buddhisten sagen sehr oft, die 5 Skandhas sind eigentlich leer und ich verstehe das und wenn man uns dann kritisiert oder beleidigt, dann ist das plötzlich nicht mehr leer, sondern unser Ich ist sofort da. Und deshalb ist die Reflektion, dass man sich damit auseinandersetzt und wirklich versteht, so notwendig. Es ist ein Kommen und ein Gehen, das Ich, was ich da festhalte, daran kann ich nicht lange festhalten. Es ist ein Kommen und ein Gehen.

Wenn wir durch die Reflektion sehen, dass wir es auch durch krampfhaftes, bewusst an etwas Festhalten, nicht schaffen werden, dauerhaft etwas aufrechtzuerhalten, dann erlangen wir wahrhaftige Weisheit. Unser Geist ist wie alle Phänomene vergänglich. Es ist ein Kommen und Gehen. Auch wenn wir daran festhalten wollen, ist es nicht auf Dauer möglich. Alles ist vergänglich.

Wenn wir uns aber damit auseinandersetzen, dann gibt es weder einen Beobachter, noch ein beobachtetes Objekt: Es gibt lediglich einen Prozess an sich. Wenn wir in der Lage sind, im Alltag die fünf Skandhas einzusetzen und die Leerheit in der Tiefe zu verstehen, dann können wir sagen, dass wir den Dharma verstehen und im Alltag praktizieren.
Und wenn wir uns jeden Tag damit auseinandersetzen und alle Erscheinungen in der Tiefe verstehen, dann können wir an einem Punkt ankommen, an welchem wir unser Leid auflösen können.

Wir sollten uns also in unserem Alltag ständig mit den 5 Skandhas auseinandersetzen. Entwickeln wir die Flexibilität, die Leerheit in jedem Moment zu erfahren. Damit können wir dann unser Leid auflösen.
Es geht nicht darum, auf der intellektuellen Ebene zu debattieren und zu diskutieren, es geht darum zu praktizieren.

Mit Praxis meine ich, dass wir eine Nachhaltigkeit in uns haben und nicht nach Lust und Laune praktizieren.

Den Fluß überqueren …

Früher, wenn man einen Fluss überqueren wollte, gab es bestimmte Schritte, die man durchlaufen musste: erstmal musste man das Boot betreten und dann muss man rudern zu seinem Ziel und wenn man ankommt muss man das Boot auch verlassen können.

Diese drei Schritte können wir auch auf das Erlangen von Wissen und Weisheit übertragen. Die Intellektuellen wissen, wie man zum Boot kommt. Wenn wir dann reflektieren und rudern, können wir den Fluss überqueren. Das ergibt dann Wissen durch Erfahrung. Wenn wir am Ziel angekommen sind, müssen wir die dritte Stufe auch verstehen und erkennen, dass wir das Boot als Mittel zum Zweck genutzt haben und nun hinter uns lassen können.
Wir müssen diese Schritte auch wirklich klar verstehen und dürfen sie nicht durcheinander bringen. Wir müssen das Boot nicht mehr unnötig mit uns herumschleppen, wenn wir angekommen sind, aber wir brauchen es auch nicht zu zerstören: Andere können es vielleicht für ihre Reise nutzen.

Wenn wir eine Methode benutzen, egal aus welcher Tradition wir kommen, müssen wir die Methode als Mittel zum Zweck wie das Boot sehen: Das bedeutet, sie ist weder gut noch schlecht. Das Boot schafft keine Probleme – die Probleme erzeugen wir nur dann, wenn wir das Boot nicht loslassen können, wenn die Zeit gekommen ist, dies zu tun.

Im Buddhismus geht es viel mehr darum, die eigene Erkenntnis zu erlangen, indem wir alle Erscheinungen durchschauen und dadurch neue Einsichten bekommen. Das ist viel wichtiger, als nur zu lernen.

Sich selbst begegnen …

Wenn wir unser Leid mit einem Tiger vergleichen, müssen wir, wenn wir es auflösen wollen, den Mut haben, es anzupacken. Genau wie mit dem Tiger: wenn wir ihn packen wollen, müssen wir auch in seine Höhle reingehen. Wenn wir nur vor der Höhle stehen und darüber diskutieren, wie wir ihn fangen können, kriegen wir ihn nicht. Wir müssen also zupacken, um unser Leid wirklich auflösen zu können.

Nur wenn man mit sich selber auseinandersetzt, also in die eigene Erfahrung geht, kann man sein eigenes leid auflösen.
Und deshalb sind Debatte und Diskussion lediglich ein Mittel zum Zweck – sie führen uns nicht zur Auflösung unseres Leids. Wir werden nie das tiefe Wissen erreichen.

Und das ist ein Punkt, den ich (Thay Thien Son) heute Morgen gesagt habe: Konzepte und Gedanken versucht der Meister zu durchbrechen. Man soll nicht auf sein Wissen pochen, sondern auf die eigene Erfahrung bauen.

Auch wenn wir tagelang, wochenlang, monatelang darüber debattieren, was Leerheit ist, wird sie sich für uns nicht manifestieren. Wie sollen wir dann zum Beispiel Folgendes verstehen: Wenn alles leer ist, dann gibt es ja keine karmische Wirkung. Denn wenn Karma auch leer ist, wer soll diese karmische Wirkung dann bekommen? Viele Leute sagen, alle Phänomene, auch Karma ist leer, aber wenn ich leide, dann spüre ich das. Wenn mich jemand beleidigt hat, dann spüre ich diesen Schmerz. Wie verstehen wir diese Leerheit überhaupt?

Durch die eigene Auseinandersetzung mit sich selbst. Um wirklich das eigene Leid als eine Bedingung der Leerheit zu verstehen und vollkommen zu vertiefen, müssen wir im Alltag praktizieren.

Eine Handvoll Blätter …

Der Buddha vergleicht unser Wissen mit einer Handvoll Blätter. Wir meinen, wir haben den ganzen Wald in der Hand, aber es sind – im Verhältnis – nur ein paar Blätter. Mit unserem Wissen ist es genauso: Wir meinen, wir wissen so viel, aber verglichen mit dem Universum ist es nur wenig.

Das tiefe Wissen es ist so vielfältig und so unendlich wie ein Wald mit all seinen Blättern. Wenn wir aber unsere Logik einsetzen, dann beschränken wir unser eigenes Wissen. Wir bleiben bei der Handvoll Blätter, obwohl es einen ganzen Wald voll davon gibt.

Wenn Sie nach hinten zu den Schränken schauen, das nennen wir unsere Bibel: es sind über 360 Bände, in welchen die Belehrung von Buddha festgehalten ist. Ein Mönch muss diese Sutras studieren Der Buddha sagt aber selbst, das was ich Euch gelehrt habe, ist wie die Handvoll Blätter. Nur in der Offenheit schaffen wir es, uns dieses (wirkliche) Wissen anzueignen.

Der Meister fragt, wenn wir ein paar Bände von Kommentaren über Buddhas Belehrungen gelesen haben, reicht das überhaupt, um die Phänomene zu verstehen?
Auch wenn wir die ganzen Sutras der 360 Bände gelesen haben es ist nur wie eine Handvoll Blätter. Aber wie können wir alle Blätter im Wald verstehen?

Es bedeutet: Durchbreche Deine Logik, durchbreche Deinen Verstand – dann schaffst du die Möglichkeit, zu Deinem Wissen zu kommen.

Denn alle Erklärungen sind beschränkt. Alle Wörter und Bücher sind beschränkt. Es beschreibt nicht das, was eigentlich in diesem Leben ist. Alle großen Meister, Patriarchen und sogar der Buddha selbst sagen, nur wenn du eine direkte Erfahrung, also direktes Wissen hast, kannst Du in der Lage sein, alles zu verstehen.

Ein Schüler von Meister Lin-Chi geht eines Tages nach einer Dharma-Belehrung zurück in den Tempel. Als er über die Brücke ging, kommt ihm ein großer Gelehrter entgegen und wollte ihn herausfordern. Er fragt, was ist das tiefste Wissen in der Zentradition? Der Schüler von Lin-Chi packt ihn am Kragen und wollte ihn in den Fluss werfen. Wenn Du die tiefste Stelle finden willst, dann sollst Du die tiefste Stelle im Fluss erfahren.
Damit will der Schüler von Lin-Chi zeigen, nur wenn du die eigene Erfahrung machst, wie tief der Fluss ist, weißt Du, wie tief er wirklich ist.

Wenn du nur darüber spekulierst, funktioniert es nicht. Und mit deinem Geist ist es genauso: Wenn Du wissen willst, wie tief Dein Geist wirklich ist, musst du dort hinein tauchen, damit Du es weißt. Wenn wir jahre- oder monatelang über Nirvana oder Erleuchtung diskutieren, werden wir es dann verstehen?

Viele Leute, die meinen sie verstehen, was Nirvana ist, debattieren darüber. Aber, was sie letztendlich gemacht haben, sie haben nur miteinander gestritten. Nirvana aber haben sie nicht gesehen.

Nirvana bedeutet eintauchen in sein Bewusstsein, darüber reflektieren: Dann weiß man, was Nirvana ist.

Die geistigen Prozesse identifizieren …

Wenn wir unsere Augen betrachten und ein Objekt damit beobachten, dann kommen Gier, Gefühle aber auch so genannte Verblendung hoch. Wenn wir uns damit auseinandersetzen, können wir genau identifizieren, was in unserem Geist passiert. Womit wir unseren Geist besetzten. Wenn wir unsere Augen auf ein Objekt richten und Klarheit darüber haben, womit ist mein Geist besetzt, dann können wir uns damit auseinandersetzen. Kommen Gier oder ein Gefühl hoch, die dann dazu führen, dass ich an dem Objekt anhafte? Wenn wir unseren Geist so klar benennen können, dann können wir damit umgehen und wirklich praktizieren.

Und der Buddha fragt: Wer ist in der Lage, sowas zu beobachten? Und seine Schüler haben geantwortet, nur einer, der sich mit sich selbst auseinandersetzt, seine Weisheit und tiefes Wissen in den Prozess hineinbringt. Dann ist er in der Lage, den Zustand seines Geistes zu verstehen.

Wenn wir unseren Geist beobachten und imstande sind, ohne jegliches Gefühl, ohne jegliche Anhaftung, ohne jegliche negative oder auch positive Emotionen zu sein, dann können wir alle subjektiven Phänomene, die in unserem Geist stattfinden durchschauen und weitere Wiedergeburten verhindern. Denn weil wir immer wieder bestimmte Gefühle und Gedanken erfahren wollen, können wir den Kreis der Wiedergeburten nicht verlassen. Wenn wir imstande sind, einen klaren Geist zu bewahren, wird uns dies gelingen und wir können uns befreien.

Wenn wir reflektieren und können zu uns sagen, „ich weiß, dass in mir Gier aufkommt”, „ich weiß, dass in mir dieses oder jenes Gefühl aufkommt”, „ich weiß in mir, dass ich nach Sicherheit suche”, dann können wir unseren geistigen Zustand klar identifizieren. Das funktioniert auch, wenn wir wissen, dass in unserem Geist in einem gegebenen Moment kein Drang nach Befriedigung da ist oder kein Gefühl unseren Geist beherrscht. Es besteht Klarheit darüber, in mir ist keine Anhaftung an das Objekt, das ich betrachte usw. Wenn wir in der Lage sind, die Zustände in unserem Geist so klar zu durchleuchten und zu verstehen, dann sind wir auch in der Lage, uns von allen möglichen Ursachen von Leid zu befreien.

Wirkliche Befreiung findet in unserem Geist statt …

Man findet sie nicht in Büchern oder in der Belehrung. Es gibt ein Sprichwort: „Komm und schau es Dir selbst an.”

Wirklich der Wahrheit zu begegnen, bedeutet, dass wir auch den Mut haben, uns selber zu begegnen. Nur in der Begegnung können wir uns mit der Realität auseinandersetzen. Nicht in unserem Wissen und nicht in der Debatte.

Die ganze Praxis, die wir hier üben: Es geht darum, das Leiden, das wir selbst erzeugen, zu durchschauen, hinter uns zu lassen und auch aufzulösen. Darum geht es. Wir lehren schon lange Buddhismus, deshalb wissen wir, dass alles vergänglich ist – sei es unser Körper, unser Geist, es ist alles vergänglich. Ist es nicht so? Verstehen wir auch wirklich, dass alles vergänglich ist? Ist es wirklich so?

Wenn wir zum Arzt gehen und eine Untersuchung gehabt haben und der Arzt stellt die Diagnose „Tumor”. Ist es immer noch vergänglich oder ist es irgendwas Beständiges, das sich in unserem Geist manifestiert?

Sehen wir, dass alles vergänglich ist, unsere Leben oder der Tumor, oder ist es nur ein Wissen, dass alles, was wir gelernt haben, vergänglich ist.

Um alle Phänomene zu durchbrechen und die Wahrheit oder die Wahrhaftigkeit zu erfassen, liegt es in unserem Geist. Wir müssen uns mit unserem Geist auseinandersetzen, denn nur so erfahren wir auch die Wahrheit.

Der Buddha wurde geboren, er hat die eigene Erfahrung gemacht, hat darüber reflektiert und er hat das Wissen erlangt. Der ganze Prozess passierte in seinem Geist. Er hat die Verflechtungen und Blockaden in seinem Geist aufgelöst und dadurch die Befreiung erlangt. Setzen wir uns mit unserem Geist auseinander, dann können wir verstehen, wo unser Leiden und die Probleme sind.

Nur wir selbst können unser Leid auflösen …

Als der Buddha das Dharmarad zum ersten Mal gedreht hat, hat er über die Vier Edlen Wahrheiten gesprochen. Dass nur wir selbst in der Lage sind, unser eigenes Leid aufzulösen.

Er hat uns damit ermutigt und uns das Werkzeug an die Hand gegeben, uns selbst zu befreien.

Der Buddha sagt uns, solange Du Dein Leid nicht identifizieren kannst, ihm nicht begegnest und Dich nicht damit auseinandersetzt, kannst Du auch nicht davon befreit werden. Wenn Du aber weißt, wie Dein Leid aussieht, wenn Du es benennen kannst, musst du nach den Ursachen forschen. Wenn Du diese kennst, musst Du sie stufenweise auflösen. Dazu gibt uns der Buddha 37 Stufen, die zu dieser Befreiung führen.

Als der Buddha den Weg beschrieben hat, ermutigt er uns. Schau Dir das Leid an, denn nur, wenn Du das Leid als Leid erkennst, hast Du die Motivation, Dich wirklich davon zu befreien. Die Ursache des Leidens ist da. Wenn Du weißt, wo die Ursachen sind, dann wissen wir auch, wie wir es beenden können. Und das ist dann die Methode, wie wir uns befreien können und wie wir Nirvana erreichen können. Und da ist der Weg, wie wir uns dorthin praktizieren können.

Also wir durchlaufen verschiedene Stufen: das Wissen praktizieren, Logik und Verstand durchbrechen und durch die eigene Erfahrung die Erleuchtung erlangen. Buddha bestätigt das nochmal, dass er alles in seiner eigenen Erfahrung durchlebt hat, diesen Weg gegangen ist und auch durchbrochen hat.

Wichtig ist, dass der Buddha sagt, ich habe das selber erfahren. Dass sein Wissen nicht nur auf der intellektuellen Ebene basiert, sondern aus eigener Reflektion und Erfahrung heraus gewachsen ist.
Denn es gibt Schüler, die Buddha gefragt haben: Hast Du Dich wirklich damit auseinandergesetzt oder experimentierst Du nur mit uns?

Der Buddha hat dann gesagt; dem Leid bin ich begegnet, die Ursache des Leids habe ich aufgelöst. Die Methode habe ich durchschritten und die Befreiung habe ich erlangt.

Wenn wir dann sagen, dass wir Buddhas Gedanken gut finden, dass wir alle diese Schritte auch befolgen sollen – sie nicht nur als Dharma oder als intellektuelle Information bewahren und speichern und dann meinen, wir haben unser Leid schon aufgelöst.

Das bedeutet wirklich ankommen, sich wirklich begegnen und nicht nur die Dinge aus den Büchern verstehen. Das ist eigentlich ein Handbuch, das wir in unserer eigenen Praxis haben sollten. Die Befreiung können wir in jedem Augenblick, an jeden Tag in diesem Leben erlangen, wenn wir uns damit auseinandersetzen.

Neue Perspektiven finden …

Und es erzeugt in uns neue Einsichten, neue Perspektiven und einen neuen Horizont für unsere eigenen Betrachtungen.

Eine alte Frau hat zwei Töchter. Die eine verkauft Fächer, die andere verkauft Regenmäntel. Jedesmal wenn es regnet, ist sie so traurig, weil die Tochter, die die Fächer verkauft dann keine Fächer verkauft und wenn die Sonne scheint dann ist auch traurig, weil die andere Tochter kann ihre Regenmäntel nicht verkaufen. Sie geht zu einem Meister und fragt, wie kann ich mein Leid auflösen? Du musst nur Deine Perspektive verändern: Wenn es regnet, dann sollst Du dich freuen, dass deine eine Tochter mehr Regenmäntel verkaufen kann und wenn die Sonne scheint, sollst Du Dich freuen, denn dann kann die andere Tochter mehr Fächer verkaufen. Sie hat das praktiziert und sie heißt heute die lachende Frau.

Praxis bzw. eigene Entwicklung bedeutet, dass wir die eigenen Perspektiven in dem richtigen Moment angepasst und angemessen einsetzen können.

Familie Meier geht zu Familie Müller und sagt: „Wir beneiden eure Familie so sehr. Wir streiten ständig und ich fühle mich überhaupt nicht wohl. Bei Euch ist immer eine gute und harmonische Stimmung. Wie macht Ihr das?“ Familie Müller antwortet:“Ja, wir verraten Euch unser Geheimnis. Unsere Familienmitglieder sind eigentlich keine guten oder besonders klugen Menschen. Wisst Ihr, Eure Familie besteht aus Leuten, die alle viel Wissen haben. Wir sind nicht so schlau. Wenn ich ein Glas dahin stelle und irgendjemand stößt an den Tisch an und das Glas fällt runter, derjenige, der es hingestellt hat sagt: „Oh, tut mir leid, ich habe aus Unwissenheit das Glas dahin gestellt und der andere sagt: „Oh, es tut mir leid, ich habe aus Unachtsamkeit das Glas umgeworfen!“ In Eurer Familie hat jeder so viel Wissen, daher versucht dann jeder zu erklären, z.B. warum er das Glas dahingestellt hat, weil Du keine Achtsamkeit hast und deshalb hast Du das Glas dahin gestellt. Der andere wird auch eine Erklärung dafür haben, warum er an den Tisch gestoßen ist usw. Wir sehen, dass Deine Familie zu viel Wissen hat und deshalb habt ihr so viele Probleme.

Eigentlich müssen wir die Betrachtungsweise, wie wir das Leben sehen nur verändern. Dann würden wir unser Leid zumindest erleichtern.

Ich habe heute eine kurze Vorstellung darüber gegeben, worum es im Buddhismus und in der Zentradition geht. Eigentlich geht es immer darum, dass man seine Perspektive ändern muss.

Fragen und Antworten:

„Wenn im Buddhismus von Wiedergeburt gesprochen wird, was oder wer wird dann wiedergeboren, wenn es gar kein Ich gibt?”

„Es ist wie ein Naturgesetz: Bedingungen entstehen, Bedingungen kommen zusammen. Es entsteht was, Bedingung lösen sich auf, es löst sich auch auf. Deshalb darf man die momentane Erscheinung, die jetzt stattfindet, nicht als ein Ich oder als eine beständige Existenz bezeichnen. Sie entsteht aus Bedingungen. Die Wiedergeburt ist in sich leer, denn sie entsteht ja auch aus Bedingungen, wie ein Tornado. Der existiert auch nicht wirklich. Er entsteht aus den Bedingungen warm und kalt. Wenn diese Bedingungen vorhanden sind, entsteht ein Tornado. Wenn sie nicht mehr gegeben sind, dann lösen sie sich auf, aber in dem Moment, in dem ein Wirbelsturm aufkommt, ist es für uns so real, dass wir glauben er existiert wirklich.”

„Wie kann man sein Gegenüber besser verstehen?”

Wir erschaffen eine Dualität von Ich und Du, sobald wir sagen, das ist meine Ansicht und unser Ich mit hineinbringen. Wenn wir es aber schaffen, aus dieser Perspektive herauszutreten und wir unser Ich heraushalten, dann macht es auch keinen Sinn mehr über Ansichten zu streiten, denn wer streitet dann noch mit wem?

„Wie können wir die Erleuchtung erlangen?”

„Es gibt einige wichtige Faktoren, die auf dem Weg zur Erleuchtung hilfreich sind:

1. Keine Anhaftung – alles Loslassen
2. Geben ohne Erwartungshaltung (auf Gegenleistung)
3. Gutes Karma schaffen durch gute Taten
4. Bodhisattwa-Gelübde
5. Diamant-Sutra genau studieren und verstehen
6. Parami verdienstvolle Handlungen (Großzügigkeit, Meditation…)”

„Warum ist Geben/Großzügigkeit zu wichtig?”

Wir sollten den Menschen danken, denen wir etwas geben durften. Sie haben uns die Gelegenheit gegeben, eine gute Tat zu tun.

13. Oktober 2009

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