MN145 – Rat an Punna

Majjhima Nikàya 145

Rat an Punna
(Punnovàda Sutta)

1. So habe ich gehört. Einmal hielt sich der Erhabene bei Sàvatthã im Jeta Hain,
dem Park des Anàthapinnika auf. Dann, als es Abend wurde, erhob sich der ehrwürdige
Punna aus der Meditation und ging zum Erhabenen. Nachdem er dem
Erhabenen gehuldigt hatte, setzte er sich seitlich nieder und sagte zu ihm:

2. „Ehrwürdiger Herr, es wäre gut, wenn der Erhabene mir einen kurzen Rat
geben würde. Wenn ich das Dhamma vom Erhabenen gehört habe, will ich allein
leben, zurückgezogen, umsichtig, eifrig und entschlossen.“
„Nun gut, Punna, dann höre zu und verfolge aufmerksam, was ich sagen werde.“
„Ja, ehrwürdiger Herr“, erwiderte der ehrwürdige Punna. Der Erhabene sagte
dieses:

3. „Punna, es gibt Formen, die mit dem Auge erfahrbar sind, die erwünscht,
angenehm, erfreulich und liebenswert sind, die mit Sinnesgier verbunden sind
und Begierde hervorrufen. Wenn sich ein Bhikkhu an ihnen ergötzt, sie willkommen
heißt, und an ihnen hängenbleibt, entsteht Ergötzen in ihm. Mit dem Ursprung
von Ergötzen, Punna, ist der Ursprung von Dukkha, sage ich. Punna, es
gibt Klänge, die mit dem Ohr erfahrbar sind, die erwünscht, angenehm, erfreulich
und liebenswert sind, die mit Sinnesgier verbunden sind und Begierde hervorrufen.
Wenn sich ein Bhikkhu an ihnen ergötzt, sie willkommen heißt, und an
ihnen hängenbleibt, entsteht Ergötzen in ihm. Mit dem Ursprung von Ergötzen,
Punna, ist der Ursprung von Dukkha, sage ich. Punna, es gibt Gerüche, die mit
der Nase erfahrbar sind, die erwünscht, angenehm, erfreulich und liebenswert
sind, die mit Sinnesgier verbunden sind und Begierde hervorrufen. Wenn sich
ein Bhikkhu an ihnen ergötzt, sie willkommen heißt, und an ihnen hängenbleibt,
entsteht Ergötzen in ihm. Mit dem Ursprung von Ergötzen, Punna, ist der Ursprung
von Dukkha, sage ich. Punna, es gibt Geschmäcker, die mit der Zunge
erfahrbar sind, die erwünscht, angenehm, erfreulich und liebenswert sind, die
mit Sinnesgier verbunden sind und Begierde hervorrufen. Wenn sich ein Bhikkhu
an ihnen ergötzt, sie willkommen heißt, und an ihnen hängenbleibt, entsteht Ergötzen
in ihm. Mit dem Ursprung von Ergötzen, Punna, ist der Ursprung von
Dukkha, sage ich. Punna, es gibt Berührungsobjekte, die mit dem Körper erfahrbar
sind, die erwünscht, angenehm, erfreulich und liebenswert sind, die mit Sinnesgier
verbunden sind und Begierde hervorrufen. Wenn sich ein Bhikkhu an ihnen
ergötzt, sie willkommen heißt, und an ihnen hängenbleibt, entsteht Ergötzen in
ihm. Mit dem Ursprung von Ergötzen, Punna, ist der Ursprung von Dukkha,
sage ich. Punna, es gibt Geistesobjekte, die mit dem Geist erfahrbar sind, die
erwünscht, angenehm, erfreulich und liebenswert sind, die mit Sinnesgier verbunden
sind und Begierde hervorrufen. Wenn sich ein Bhikkhu an ihnen ergötzt,
sie willkommen heißt, und an ihnen hängenbleibt, entsteht Ergötzen in ihm. Mit
dem Ursprung von Ergötzen, Punna, ist der Ursprung von Dukkha, sage ich.“

4. „Punna, es gibt Formen, die mit dem Auge erfahrbar sind, die erwünscht,
angenehm, erfreulich und liebenswert sind, die mit Sinnesgier verbunden sind
und Begierde hervorrufen. Wenn sich ein Bhikkhu nicht an ihnen ergötzt, sie
nicht willkommen heißt, und nicht an ihnen hängenbleibt, hört Ergötzen in ihm
auf. Mit dem Aufhören von Ergötzen, Punna, ist das Aufhören von Dukkha, sage
ich. Punna, es gibt Klänge, die mit dem Ohr erfahrbar sind, die erwünscht, angenehm,
erfreulich und liebenswert sind, die mit Sinnesgier verbunden sind und
Begierde hervorrufen. Wenn sich ein Bhikkhu nicht an ihnen ergötzt, sie nicht
willkommen heißt, und nicht an ihnen hängenbleibt, hört Ergötzen in ihm auf.
Mit dem Aufhören von Ergötzen, Punna, ist das Aufhören von Dukkha, sage ich.
Punna, es gibt Gerüche, die mit der Nase erfahrbar sind, die erwünscht, angenehm,
erfreulich und liebenswert sind, die mit Sinnesgier verbunden sind und
Begierde hervorrufen. Wenn sich ein Bhikkhu nicht an ihnen ergötzt, sie nicht
willkommen heißt, und nicht an ihnen hängenbleibt, hört Ergötzen in ihm auf.
Mit dem Aufhören von Ergötzen, Punna, ist das Aufhören von Dukkha, sage ich.
Punna, es gibt Geschmäcker, die mit der Zunge erfahrbar sind, die erwünscht,
angenehm, erfreulich und liebenswert sind, die mit Sinnesgier verbunden sind
und Begierde hervorrufen. Wenn sich ein Bhikkhu nicht an ihnen ergötzt, sie
nicht willkommen heißt, und nicht an ihnen hängenbleibt, hört Ergötzen in ihm
auf. Mit dem Aufhören von Ergötzen, Punna, ist das Aufhören von Dukkha, sage
ich. Punna, es gibt Berührungsobjekte, die mit dem Körper erfahrbar sind, die
erwünscht, angenehm, erfreulich und liebenswert sind, die mit Sinnesgier verbunden
sind und Begierde hervorrufen. Wenn sich ein Bhikkhu nicht an ihnen
ergötzt, sie nicht willkommen heißt, und nicht an ihnen hängenbleibt, hört Ergötzen
in ihm auf. Mit dem Aufhören von Ergötzen, Punna, ist das Aufhören von
Dukkha, sage ich. Punna, es gibt Geistesobjekte, die mit dem Geist erfahrbar
sind, die erwünscht, angenehm, erfreulich und liebenswert sind, die mit Sinnesgier
verbunden sind und Begierde hervorrufen. Wenn sich ein Bhikkhu nicht an
ihnen ergötzt, sie nicht willkommen heißt, und nicht an ihnen hängenbleibt, hört
Ergötzen in ihm auf. Mit dem Aufhören von Ergötzen, Punna, ist das Aufhören
von Dukkha, sage ich1).“

5. „Nachdem ich dir nun diesen kurzen Rat gegeben habe, Punna, in welchem
Land willst du leben?“
„Ehrwürdiger Herr, nachdem der Erhabene mir nun diesen kurzen Rat gegeben
hat, habe ich vor, im Land Sunàparanta zu leben.“
„Punna, die Leute von Sunàparanta sind wild und grob. Wenn sie dich beleidigen
und beschimpfen, was wirst du dann denken?“
„Ehrwürdiger Herr, wenn die Leute von Sunàparanta mich beleidigen und
beschimpfen, dann werde ich denken: ,Diese Leute von Sunàparanta sind ein
Glücksfall, ein wirklicher Glücksfall, insofern sie mir keinen Faustschlag versetzten.‘
Dann werde ich so denken, Erhabener; dann werde ich so denken, Vollendeter.“
„Aber, Punna, wenn die Leute von Sunàparanta dir doch einen Faustschlag
versetzen, was wirst du dann denken?“
„Ehrwürdiger Herr, wenn die Leute von Sunàparanta mir doch einen Faustschlag
versetzen, dann werde ich denken: ,Diese Leute von Sunàparanta sind ein
Glücksfall, ein wirklicher Glücksfall, insofern sie keinen Erdklumpen nach mir
warfen.‘ Dann werde ich so denken, Erhabener; dann werde ich so denken, Vollendeter.“
„Aber, Punna, wenn die Leute von Sunàparanta doch einen Erdklumpen nach
dir werfen, was wirst du dann denken?“
„Ehrwürdiger Herr, wenn die Leute von Sunàparanta doch einen Erdklumpen
nach mir werfen, dann werde ich denken: ,Diese Leute von Sunàparanta sind ein
Glücksfall, ein wirklicher Glücksfall, insofern sie mich nicht mit einem Stock
schlugen.‘ Dann werde ich so denken, Erhabener; dann werde ich so denken,
Vollendeter.“
„Aber, Punna, wenn die Leute von Sunàparanta dich doch mit einem Stock
schlagen, was wirst du dann denken?“
„Ehrwürdiger Herr, wenn die Leute von Sunàparanta mich doch mit einem
Stock schlagen, dann werde ich denken: ,Diese Leute von Sunàparanta sind ein
Glücksfall, ein wirklicher Glücksfall, insofern sie mich nicht mit dem Messer
verletzten.‘ Dann werde ich so denken, Erhabener; dann werde ich so denken,
Vollendeter.“
„Aber, Punna, wenn die Leute von Sunàparanta dich doch mit dem Messer
verletzen, was wirst du dann denken?“
„Ehrwürdiger Herr, wenn die Leute von Sunàparanta mich doch mit dem
Messer verletzen, dann werde ich denken: ,Diese Leute von Sunàparanta sind
ein Glücksfall, ein wirklicher Glücksfall, insofern sie mir nicht mit einem scharfen
Messer das Leben genommen haben.‘ Dann werde ich so denken, Erhabener;
dann werde ich so denken, Vollendeter.“
„Aber, Punna, wenn die Leute von Sunàparanta dir doch mit einem scharfen
Messer das Leben nehmen, was wirst du dann denken?“
„Ehrwürdiger Herr, wenn die Leute von Sunàparanta mir doch mit einem scharfen
Messer das Leben nehmen, dann werde ich denken: ,Es hat Schüler des Erhabenen
gegeben, die, vom Körper und vom Leben geplagt und angewidert, danach
trachteten, daß ihnen das Leben mit dem Messer genommen würde. Aber mir wird
das Leben mit dem Messer genommen, ohne daß ich danach trachten mußte.‘
Dann werde ich so denken, Erhabener; dann werde ich so denken, Vollendeter.“

6. „Gut, gut, Punna. Mit derartiger Selbstkontrolle und Friedfertigkeit wirst
du in der Lage sein, im Land Sunàparanta zu leben. Jetzt, Punna, ist es an der
Zeit, das zu tun, was du für richtig hältst.“

7. Dann erhob sich der ehrwürdige Punna von seinem Sitz, entzückt und erfreut
über die Worte des Erhabenen, und nachdem er dem Erhabenen gehuldigt
hatte, nahm er Abschied, wobei er ihm die rechte Seite zuwandte. Dann brachte
er seine Lagerstätte in Ordnung, nahm seine Schale und äußere Robe und machte
sich auf den Weg, um in das Land Sunàparanta zu wandern. Nachdem er in Etappen
gewandert war, gelangte er endlich im Land Sunàparanta an, und dort lebte
er. Dann, während jener Regenzeit, verankerte der ehrwürdige Punna fünfhundert
Laienanhänger und fünfhundert Laienanhängerinnen in der Dhammapraxis,
und er selbst verwirklichte das dreifache wahre Wissen. Bei späterer Gelegenheit
erlangte der ehrwürdige Punna endgültiges Nibbàna2).

8. Da ging eine Anzahl von Bhikkhus zum Erhabenen, und nachdem sie ihm
gehuldigt hatten, setzten sie sich seitlich nieder und sagten zu ihm: „Ehrwürdiger
Herr, der Mann aus guter Familie Punna, dem eine kurze Unterweisung durch
den Erhabenen zuteil wurde, ist gestorben. Was ist sein Bestimmungsort? Was
ist sein künftiger Weg?“
„Ihr Bhikkhus, der Mann aus guter Familie Punna war weise. Er übte in Übereinstimmung
mit dem Dhamma und hat mir in Fragen des Dhamma keine Schwierigkeiten
bereitet. Der Mann aus guter Familie Punna hat endgültiges Nibbàna
erlangt.“
Das ist es, was der Erhabene sagte. Die Bhikkhus waren zufrieden und entzückt
über die Worte des Erhabenen.

Anmerkungen:
1) Die vier Edlen Wahrheiten, am Beispiel des Begehrens nach Sinneseindrücken
dargestellt.
2) Das Erlangen des dreifachen wahren Wissen ist Nibbàna zu Lebzeiten. „Endgültiges
Nibbàna“ ist das Verlöschen der Daseinsgruppen, wenn ein Arahant seinen
oder ihren „Körper ablegt“ (Arahants „sterben“ nicht).