MN44 – Die kürzere Reihe von Fragen und Antworten

Majjhima Nikàya 44

 

Die kürzere Reihe von Fragen und Antworten

(Cúlavedalla Sutta)

1. So habe ich gehört. Einmal hielt sich der Erhabene bei Ràjagaha im Bambushain,
dem Eichhörnchen-Park auf. Da ging der Laienanhänger Visàkha zur
Bhikkhunã Dhammadinnà 1), und nachdem er ihr gehuldigt hatte, setzte er sich
seitlich nieder und fragte sie:

Persönlichkeit
2. „Ehrwürdige, man spricht von ,Persönlichkeit, Persönlichkeit 2)‘. Was wird vom
Erhabenen Persönlichkeit genannt?“
„Freund Visàkha, die fünf Daseinsgruppen, an denen angehaftet wird, werden
vom Erhabenen Persönlichkeit genannt; das heißt, die Daseinsgruppe der Form,
an der angehaftet wird, die Daseinsgruppe des Gefühls, an der angehaftet wird,
die Daseinsgruppe der Wahrnehmung, an der angehaftet wird, die Daseinsgruppe
der Gestaltungen, an der angehaftet wird, und die Daseinsgruppe des Bewußtseins,
an der angehaftet wird. Diese fünf Daseinsgruppen, an denen angehaftet
wird, werden vom Erhabenen Persönlichkeit genannt.“
Mit den Worten „Gut, Ehrwürdige“ äußerte der Laienanhänger Visàkha Entzücken
und Freude über Bhikkhunã Dhammadinnàs Worte. Dann stellte er ihr
eine weitere Frage.

3. „Ehrwürdige, man spricht von ,Ursprung der Persönlichkeit, Ursprung der
Persönlichkeit‘. Was wird vom Erhabenen Ursprung der Persönlichkeit genannt?“
„Freund Visàkha, es ist das Begehren, das zum Wiederwerden führt, das von
Ergötzen und Begierde begleitet ist, das sich an diesem und jenem ergötzt; das
heißt, das Begehren nach Sinnesvergnügen, das Begehren nach Werden und das
Begehren nach Nicht-Werden. Dies wird vom Erhabenen Ursprung der Persönlichkeit
genannt.“

4. „Ehrwürdige, man spricht von ,Aufhören der Persönlichkeit, Aufhören der
Persönlichkeit‘. Was wird vom Erhabenen Aufhören der Persönlichkeit genannt?“
„Freund Visàkha, es ist das Verschwinden und Aufhören ohne Überreste, das
Aufgeben, Verzichten, Loslassen und Zurückweisen eben jenes Begehrens. Dies
wird vom Erhabenen Aufhören der Persönlichkeit genannt.“

5. „Ehrwürdige, man spricht von ,dem Weg, der zum Aufhören der Persönlichkeit
führt, dem Weg, der zum Aufhören der Persönlichkeit führt‘. Was wird
vom Erhabenen der Weg, der zum Aufhören der Persönlichkeit führt, genannt?“
„Freund Visàkha, eben dieser Edle Achtfache Pfad wird vom Erhabenen als der
Weg, der zum Aufhören der Persönlichkeit führt, genannt; das heißt, Richtige Ansicht,
Richtige Absicht, Richtige Rede, Richtiges Handeln, Richtige Lebensweise,
Richtige Anstrengung, Richtige Achtsamkeit und Richtige Konzentration.“

6. „Ehrwürdige, ist jenes Anhaften das selbe wie diese fünf Daseinsgruppen,
an denen angehaftet wird, oder ist das Anhaften getrennt von den fünf Daseinsgruppen,
an denen angehaftet wird?“
„Freund Visàkha, jenes Anhaften ist weder das selbe wie diese fünf Daseinsgruppen,
an denen angehaftet wird, noch ist das Anhaften getrennt von den fünf
Daseinsgruppen, an denen angehaftet wird. Es ist die Gier und die Begierde in
Bezug auf die fünf Daseinsgruppen, an denen angehaftet wird, welches genanntes
Anhaften ist.“

Persönlichkeitsansicht
7. „Ehrwürdige, auf welche Weise entsteht die Persönlichkeitsansicht?“
„Freund Visàkha, ein nicht unterrichteter Weltling, der die Edlen nicht beachtet
und in ihrem Dhamma nicht bewandert und geschult ist, der aufrechte Menschen
nicht beachtet und in ihrem Dhamma nicht bewandert und geschult ist, betrachtet
Form als Selbst, oder Selbst als Form besitzend, oder Form als im Selbst enthalten,
oder Selbst als in Form enthalten. Er betrachtet Gefühl als Selbst, oder Selbst
als Gefühl besitzend, oder Gefühl als im Selbst enthalten, oder Selbst als im Gefühl
enthalten. Er betrachtet Wahrnehmung als Selbst, oder Selbst als Wahrnehmung
besitzend, oder Wahrnehmung als im Selbst enthalten, oder Selbst als in der
Wahrnehmung enthalten. Er betrachtet Gestaltungen als Selbst, oder Selbst als
Gestaltungen besitzend, oder die Gestaltungen als im Selbst enthalten, oder Selbst
als in den Gestaltungen enthalten. Er betrachtet Bewußtsein als Selbst, oder Selbst
als Bewußtsein besitzend, oder Bewußtsein als im Selbst enthalten, oder Selbst
als im Bewußtsein enthalten. Auf diese Weise entsteht die Persönlichkeitsansicht.“

8. „Ehrwürdige, auf welche Weise entsteht die Persönlichkeitsansicht nicht?“
„Freund Visàkha, ein wohlunterrichteter edler Schüler, der die Edlen beachtet
und in ihrem Dhamma bewandert und geschult ist, der aufrechte Menschen beachtet
und in ihrem Dhamma bewandert und geschult ist, betrachtet Form nicht
als Selbst, oder Selbst als Form besitzend, oder Form als im Selbst enthalten,
oder Selbst als in Form enthalten. Er betrachtet Gefühl nicht als Selbst, oder
Selbst als Gefühl besitzend, oder Gefühl als im Selbst enthalten, oder Selbst als
im Gefühl enthalten. Er betrachtet Wahrnehmung nicht als Selbst, oder Selbst als
Wahrnehmung besitzend, oder Wahrnehmung als im Selbst enthalten, oder Selbst
als in der Wahrnehmung enthalten. Er betrachtet Gestaltungen nicht als Selbst,
oder Selbst als Gestaltungen besitzend, oder die Gestaltungen als im Selbst enthalten,
oder Selbst als in den Gestaltungen enthalten. Er betrachtet Bewußtsein
nicht als Selbst, oder Selbst als Bewußtsein besitzend, oder Bewußtsein als im
Selbst enthalten, oder Selbst als im Bewußtsein enthalten. Auf diese Weise entsteht
die Persönlichkeitsansicht nicht.“

Der Edle Achtfache Pfad
9. „Ehrwürdige, was ist der Edle Achtfache Pfad?“
„Freund Visàkha, es ist eben dieser Edle Achtfache Pfad; das heißt, Richtige
Ansicht, Richtige Absicht, Richtige Rede, Richtiges Handeln, Richtige Lebensweise,
Richtige Anstrengung, Richtige Achtsamkeit und Richtige Konzentration.“

10. „Ehrwürdige, ist der Edle Achtfache Pfad gestaltet oder ungestaltet?“
„Freund Visàkha, der Edle Achtfache Pfad ist gestaltet.“

11. „Ehrwürdige, sind die drei Übungsfelder im Edlen Achtfachen Pfad enthalten,
oder ist der Edle Achtfache Pfad in den drei Übungsfeldern enthalten?“
„Freund Visàkha, die drei Übungsfelder sind nicht im Edlen Achtfachen Pfad
enthalten, sondern der Edle Achtfache Pfad ist in den drei Übungsfeldern enthalten.
Richtige Rede, Richtiges Handeln, Richtige Lebensweise – diese Zustände
sind im Übungsfeld der Sittlichkeit enthalten. Richtige Anstrengung, Richtige
Achtsamkeit und Richtige Konzentration – diese Zustände sind im Übungsfeld
der Geistesschulung enthalten. Richtige Ansicht, Richtige Absicht – diese Zustände
sind im Übungsfeld der Weisheit enthalten.“

Konzentration
12. „Ehrwürdige, was ist Konzentration? Was ist die Basis 3) der Konzentration?
Was ist das Rüstzeug der Konzentration? Was ist die Entfaltung der Konzentration?“
„Die Einspitzigkeit des Geistes, Freund Visàkha, ist Konzentration; die vier
Grundlagen der Achtsamkeit sind die Basis der Konzentration; die vier Richtigen
Anstrengungen sind das Rüstzeug der Konzentration; die Wiederholung,
Entwicklung und Übung eben dieser Fähigkeiten ist dabei die Entwicklung der
Konzentration.“

Gestaltungen
13. „Ehrwürdige, wieviele Gestaltungen gibt es?“
„Es gibt folgende drei Gestaltungen, Freund Visàkha: die Gestaltung des Körpers,
die Gestaltung der Sprache und die Gestaltung des Geistes 4) .“

14. „Was aber, Ehrwürdige, ist die Gestaltung des Körpers? Was ist die Gestaltung
der Sprache? Was ist die Gestaltung des Geistes?“
„Das Einatmen und das Ausatmen, Freund Visàkha, ist die Gestaltung des
Körpers; Gedankenfassung und diskursives Denken sind die Gestaltung der Sprache;
Wahrnehmung und Gefühl sind die Gestaltung des Geistes.“

15. „Warum aber, Ehrwürdige, ist das Einatmen und das Ausatmen die Gestaltung
des Körpers? Warum sind Gedankenfassung und diskursives Denken die
Gestaltung der Sprache? Warum sind Wahrnehmung und Gefühl die Gestaltung
des Geistes?“
„Freund Visàkha, das Einatmen und das Ausatmen ist körperlich, diese Zustände
sind eng mit dem Körper verbunden; deshalb ist das Einatmen und das
Ausatmen die Gestaltung des Körpers. Zuerst faßt man Gedanken und denkt
diskursiv und anschließend beginnt man zu sprechen; deshalb sind Gedankenfassung
und diskursives Denken die Gestaltung der Sprache. Wahrnehmung und
Gefühl sind geistig; diese Zustände sind eng mit dem Geist verbunden; deshalb
sind Wahrnehmung und Gefühl die Gestaltung des Geistes.“

16. „Ehrwürdige, wie kommt das Erlangen des Aufhörens von Wahrnehmung
und Gefühl zustande?“
„Freund Visàkha, wenn ein Bhikkhu das Aufhören von Wahrnehmung und
Gefühl erlangt, kommt ihm nicht der Gedanke: ,Ich werde das Aufhören von
Wahrnehmung und Gefühl erlangen‘, oder ,Ich erlange gerade das Aufhören von
Wahrnehmung und Gefühl‘, oder ,Ich habe das Aufhören von Wahrnehmung und
Gefühl erlangt‘; sondern sein Geist ist bereits dahingehend entwickelt, daß er ihn
zu diesem Zustand führt.“

17. „Ehrwürdige, wenn ein Bhikkhu das Aufhören von Wahrnehmung und
Gefühl erlangt, welche Zustände hören zuerst in ihm auf: die Gestaltung des
Körpers, die Gestaltung der Sprache oder die Gestaltung des Geistes?“
„Freund Visàkha, wenn ein Bhikkhu das Aufhören von Wahrnehmung und
Gefühl erlangt, hört zuerst die Gestaltung der Sprache auf, dann die Gestaltung
des Körpers, dann die Gestaltung des Geistes 5) .“

18. „Ehrwürdige, wie kommt das Heraustreten aus dem Erreichungszustand
des Aufhörens von Wahrnehmung und Gefühl zustande?“
„Freund Visàkha, wenn ein Bhikkhu aus dem Erreichungszustand des Aufhörens
von Wahrnehmung und Gefühl heraustritt, so kommt ihm nicht der Gedanke:
,Ich werde aus dem Erreichungszustand des Aufhörens von Wahrnehmung
und Gefühl heraustreten‘, oder ,Ich trete gerade aus dem Erreichungszustand des
Aufhörens von Wahrnehmung und Gefühl heraus‘, oder ,Ich bin aus dem
Erreichungszustand des Aufhörens von Wahrnehmung und Gefühl herausgetreten‘;
sondern sein Geist ist bereits dahingehend entwickelt, daß er ihn zu
diesem Zustand führt.“

19. „Ehrwürdige, wenn ein Bhikkhu aus dem Erreichungszustand des Aufhörens
von Wahrnehmung und Gefühl heraustritt, welche Gestaltungen steigen
zuerst in ihm auf: die Gestaltung des Körpers, die Gestaltung der Sprache oder
die Gestaltung des Geistes?“
„Freund Visàkha, wenn ein Bhikkhu aus dem Erreichungszustand des Aufhörens
von Wahrnehmung und Gefühl heraustritt, steigt zuerst die Gestaltung
des Geistes auf, dann die Gestaltung des Körpers, dann die Gestaltung der Sprache.“

20. „Ehrwürdige, wenn ein Bhikkhu aus dem Erreichungszustand des Aufhörens
von Wahrnehmung und Gefühl herausgetreten ist, wieviele Arten von
Kontakt berühren ihn?“
„Freund Visàkha, wenn ein Bhikkhu aus dem Erreichungszustand des Aufhörens
von Wahrnehmung und Gefühl herausgetreten ist, berühren ihn drei Arten
von Kontakt: Leerheit Kontakt, merkmalloser Kontakt, wunschloser Kontakt 6) .“

21. „Ehrwürdige, wenn ein Bhikkhu aus dem Erreichungszustand des Aufhörens
von Wahrnehmung und Gefühl herausgetreten ist, worauf richtet sich sein
Geist, wohin neigt sich sein Geist, wonach strebt sein Geist?“
„Freund Visàkha, wenn ein Bhikkhu aus dem Erreichungszustand des Aufhörens
von Wahrnehmung und Gefühl herausgetreten ist, richtet sich sein Geist
auf die Abgeschiedenheit, neigt sich zur Abgeschiedenheit, strebt nach Abgeschiedenheit.“

Gefühl
22. „Ehrwürdige, wieviele Arten von Gefühlen gibt es?“
„Freund Visàkha, es gibt drei Arten von Gefühlen: angenehmes Gefühl,
schmerzhaftes Gefühl und weder-schmerzhaftes-noch-angenehmes Gefühl.“

23. „Was aber, Ehrwürdige, ist angenehmes Gefühl? Was ist schmerzhaftes
Gefühl? Was ist weder-schmerzhaftes-noch-angenehmes Gefühl?“
„Freund Visàkha, was immer körperlich oder geistig als angenehm und erfreulich
empfunden wird, ist angenehmes Gefühl. Was immer körperlich oder
geistig als schmerzhaft und unerfreulich empfunden wird, ist schmerzhaftes Gefühl.
Was immer körperlich oder geistig weder als erfreulich noch als unerfreulich
empfunden wird, ist weder-schmerzhaftes-noch-angenehmes Gefühl.“

24. „Ehrwürdige, was ist angenehm und was ist schmerzhaft in Bezug auf
angenehmes Gefühl? Was ist angenehm und was ist schmerzhaft in Bezug auf
schmerzhaftes Gefühl? Was ist angenehm und was ist schmerzhaft in Bezug auf
weder-schmerzhaftes-noch-angenehmes Gefühl?“
„Freund Visàkha, angenehmes Gefühl ist angenehm, wenn es anhält, und
schmerzhaft, wenn es sich verändert. Schmerzhaftes Gefühl ist schmerzhaft, wenn
es anhält, und angenehm, wenn es sich verändert. Weder-schmerzhaftes-nochangenehmes
Gefühl ist angenehm, wenn man (davon) weiß, und schmerzhaft,
wenn man nicht (davon) weiß.“

Neigungen
25. „Ehrwürdige, welche Neigung liegt dem angenehmen Gefühl zugrunde?
Welche Neigung liegt dem schmerzhaften Gefühl zugrunde? Welche Neigung
liegt dem weder-schmerzhaften-noch-angenehmen Gefühl zugrunde?“
„Freund Visàkha, die Neigung zur Begierde liegt dem angenehmen Gefühl
zugrunde. Die Neigung zur Abneigung liegt dem schmerzhaften Gefühl zugrunde.
Die Neigung zur Unwissenheit liegt dem weder-schmerzhaften-noch-angenehmen
Gefühl zugrunde.“

26. „Ehrwürdige, liegt die Neigung zur Begierde jeglichem angenehmen Gefühl
zugrunde? Liegt die Neigung zur Abneigung jeglichem schmerzhaften Gefühl
zugrunde? Liegt die Neigung zur Unwissenheit jeglichem weder-schmerzhaften-
noch-angenehmen Gefühl zugrunde?“
„Freund Visàkha, die Neigung zur Begierde liegt nicht jeglichem angenehmen
Gefühl zugrunde. Die Neigung zur Abneigung liegt nicht jeglichem schmerzhaften
Gefühl zugrunde. Die Neigung zur Unwissenheit liegt nicht jeglichem
weder-schmerzhaften-noch-angenehmen Gefühl zugrunde.“

27. „Ehrwürdige, was sollte in Hinsicht auf angenehmes Gefühl überwunden
werden? Was sollte in Hinsicht auf schmerzhaftes Gefühl überwunden werden?
Was sollte in Hinsicht auf weder-schmerzhaftes-noch-angenehmes Gefühl überwunden
werden?“
„Freund Visàkha, die Neigung zur Begierde sollte in Hinsicht auf angenehmes
Gefühl überwunden werden. Die Neigung zur Abneigung sollte in Hinsicht
auf schmerzhaftes Gefühl überwunden werden. Die Neigung zur Unwissenheit
sollte in Hinsicht auf weder-schmerzhaftes-noch-angenehmes Gefühl überwunden
werden.“

28. „Ehrwürdige, ist die Neigung zur Begierde in Hinsicht auf jegliches angenehme
Gefühl zu überwinden? Ist die Neigung zur Abneigung in Hinsicht auf
jegliches schmerzhafte Gefühl zu überwinden? Ist die Neigung zur Unwissenheit
in Hinsicht auf jegliches weder-schmerzhafte-noch-angenehme Gefühl zu
überwinden?“
„Freund Visàkha, die Neigung zur Begierde ist nicht in Hinsicht auf jegliches
angenehme Gefühl zu überwinden. Die Neigung zur Abneigung ist nicht in Hinsicht
auf jegliches schmerzhafte Gefühl zu überwinden. Die Neigung zur Unwissenheit
ist nicht in Hinsicht auf jegliches weder-schmerzhafte-nochangenehme
Gefühl zu überwinden.“
„Freund Visàkha, völlig abgeschieden von Sinnesvergnügen, abgeschieden
von unheilsamen Geisteszuständen, tritt da ein Bhikkhu in die erste Vertiefung
ein, die von anfänglicher und anhaltender Ausrichtung des Geistes begleitet ist,
und verweilt darin, mit Verzückung und Glückseligkeit, die aus der Abgeschiedenheit
entstanden sind. Damit verläßt er die Begierde, und dem liegt keine Neigung
zur Begierde zugrunde.“
„Da erwägt ein Bhikkhu folgendermaßen: ,Wann werde ich jenes Gebiet betreten
und darin verweilen, das die Edlen jetzt betreten, in dem sie jetzt verweilen?‘
In jemandem, der auf diese Weise Sehnsucht nach der höchsten Erlösung
entwickelt, steigt Trauer bedingt durch jene Sehnsucht auf. Damit verläßt er die
Abneigung, und dem liegt keine Neigung zur Abneigung zugrunde.“
„Mit dem Überwinden von Glück und Schmerz und dem schon früheren Verschwinden
von Freude und Trauer, tritt ein Bhikkhu in die vierte Vertiefung ein,
die aufgrund von Gleichmut Weder-schmerzhaftes-noch-Angenehmes und Reinheit
der Achtsamkeit in sich hat, und verweilt darin. Damit verläßt er die Unwissenheit,
und dem liegt keine Neigung zur Unwissenheit zugrunde.“

Gegenstücke
29. „Ehrwürdige, was ist das Gegenstück 7) zum angenehmen Gefühl?“
„Freund Visàkha, schmerzhaftes Gefühl ist das Gegenstück zum angenehmen
Gefühl.“
„Was ist das Gegenstück zum schmerzhaften Gefühl?“
„Angenehmes Gefühl ist das Gegenstück zum schmerzhaften Gefühl.“
„Was ist das Gegenstück zum weder-schmerzhaften-noch-angenehmen Gefühl?“
„Unwissenheit ist das Gegenstück zum weder-schmerzhaften-noch-angenehmen
Gefühl.“
„Was ist das Gegenstück zur Unwissenheit?“
„Wahres Wissen ist das Gegenstück zur Unwissenheit.“
„Was ist das Gegenstück zum wahren Wissen?“
„Befreiung ist das Gegenstück zum wahren Wissen.“
„Was ist das Gegenstück zur Befreiung?“
„Nibbàna ist das Gegenstück zur Befreiung.“
„Ehrwürdige, was ist das Gegenstück zu Nibbàna?“
„Freund Visàkha, du hast diese Fragen zu weit getrieben; du hast die Begrenztheit
von Fragen nicht begriffen. Denn das heilige Leben, Freund Visàkha, geht in
Nibbàna auf, gipfelt in Nibbàna, endet in Nibbàna. Wenn du es wünschst, Freund
Visàkha, gehe zum Erhabenen und befrage ihn in dieser Angelegenheit. So wie
der Erhabene es dir erklärt, so solltest du es dir merken.“

Schluß
30. Da war der Laienanhänger Visàkha entzückt und erfreut über Bhikkhunã
Dhammadinnàs Worte und erhob sich, und nachdem er ihr gehuldigt hatte, wandt
er ihr die rechte Seite zu und ging zum Erhabenen. Nachdem er ihm gehuldigt
hatte, setzte er sich seitlich nieder und erzählte dem Erhabenen seine gesamte
Unterhaltung mit der Bhikkhunã Dhammadinnà. Nach diesen Worten, sagte der
Erhabene zu ihm:

31. „Die Bhikkhunã Dhammadinnà ist weise, Visàkha, die Bhikkhunã
Dhammadinnà besitzt große Weisheit. Wenn du mich in dieser Angelegenheit
befragt hättest, hätte ich dir genauso geantwortet, wie die Bhikkhunã
Dhammadinnà dir geantwortet hat. Genauso verhält es sich, und so solltest du es
dir merken.“
Das ist es, was der Erhabene sagte. Der Laienanhänger Visàkha war zufrieden
und entzückt über die Worte des Erhabenen.

Anmerkungen:
1) Wieder ein Dialog auf höchster Ebene zwischen einem Nichtwiederkehrer und
seiner früheren Ehefrau, Arahant Bhikkhunã Dhammadinnà.
2) „Persönlichkeit“ (sakkàya) ist der Wahn, der durch Anhaften an die Daseinsgruppen
zustande kommt, hier gleichgesetzt mit Dukkha; nicht zu verwechseln
mit „Person“ (puggala), der Individualität, die auch Erleuchtete besitzen.
3) Eigentlich „Merkmale der Konzentration“ (samàdhinimittà), im Sinne von
„Übungsobjekte der Konzentration“. Diese Übersetzung folgt BB, um eine Verwechslung
mit „Eigenschaft der Konzentration“ zu vermeiden.
4) Das, was den Körper, die Sprache und den Geist gestaltet, nicht das, was durch
Körper, Sprache und Geist gestaltet wird. Letzteres wäre die Triade mit
manosaòkhàra. „Gestaltung durch Körper, Sprache und Geist“ hat kammische
Bedeutung; diese wäre anhand der Auflistung Dhammadinnàs nicht zu belegen:
Atmen ist zwar körperliche Aktivität, aber weder heilsam, noch unheilsam. Atem
ist aber das, was den Körper determiniert (unter anderem zum Beispiel am Leben
erhält). Denken ist keine sprachliche Handlung, sondern das, was die sprachliche
Äußerung gestaltet. Wahrnehmung und Gefühl sind kein geistiges Kamma; sie
gestalten den Geist.
5) „Denken“ hört bei der ersten Vertiefung auf; vitakkavicàra hat aber auch die
Bedeutung von „anfänglicher und anhaltender Hinwendung zum Meditationsobjekt“
in der ersten Vertiefung. Diese hört in der zweiten Vertiefung auf. Die
zweifache Übersetzung von vitakkavicàra erscheint vielleicht willkürlich. Tatsache
ist aber, daß in der ersten Vertiefung der deutsche Begriff „Denken“ nicht
anwendbar ist. Möglicherweise ist das nur ein sprachliches Problem, und
vitakkavicàra hat eine übergeordnete Bedeutung, die das Gemeinsame von „Denken“
und „Hinwendung zum Meditationsobjekt“ umfaßt – eine gewisse, relativ
„grobe“ geistige Aktivität.
Die Gestaltung Atmen hört spätestens bei den formlosen (=unkörperlichen) Vertiefungen
auf. Wahrnehmung und Gefühl hören, wie der Name schon sagt, im
Erreichungszustand des Aufhörens von Wahrnehmung und Gefühl auf. Daher
die Reihenfolge.
6) Möglicherweise gleichbedeutend mit dem Erkennen der drei Daseinsmerkmale:
Nicht-Selbst (anattà) bzw. Leerheit Kontakt, Vergänglichkeit (anicca) bzw.
merkmalloser Kontakt, das Nichtzufriedenstellende, Nichterfüllende (dukkha)
bzw. wunschloser Kontakt.
7) „Gegenstück“ (paíibhàga) hat zwei Bedeutungen: „Gegenteil“ oder „Ergänzung“.