MN48 – Die Kosambier

Majjhima Nikàya 48

 

Die Kosambier (Kosambiya Sutta)

1. So habe ich es gehört. Einmal hielt sich der Erhabene bei Kosambã in Ghositas
Park auf.

2. Bei dieser Gelegenheit waren die Bhikkhus bei Kosambã in Streit und Zank
verfallen und waren in Streitgespräche vertieft, bei denen sie sich gegenseitig
mit Worten, die Dolchen glichen, verletzten. Weder konnten sie einander überzeugen,
noch konnten sie überzeugt werden; weder konnten sie einander überreden,
noch konnten sie überredet werden.

3. Da ging ein bestimmter Bhikkhu zum Erhabenen, und nachdem er ihm gehuldigt
hatte, setzte er sich seitlich nieder und informierte ihn von den Vorgängen.

4. Da richtete sich der Erhabene so an einen bestimmten Bhikkhu: „Komm,
Bhikkhu, sage jenen Bhikkhus in meinem Namen, daß der Lehrer nach ihnen
ruft.“ – „Ja, ehrwürdiger Herr“, erwiderte er, und er ging zu jenen Bhikkhus und
sagte ihnen: „Der Lehrer ruft nach den Ehrwürdigen.“
„Ja, Freund“, erwiderten sie und sie gingen zum Erhabenen, und nachdem sie
ihm gehuldigt hatten, setzten sie sich seitlich nieder. Dann fragte sie der Erhabene:
„Ihr Bhikkhus, ist es wahr, daß ihr in Streit und Zank verfallen und in Streitgespräche
vertieft seid, bei denen ihr euch gegenseitig mit Worten, die Dolchen
gleichen, verletzt; daß ihr weder einander überzeugen könnt, noch überzeugt werden
könnt; daß ihr weder einander überreden könnt, noch überredet werden könnt?“
„Ja, ehrwürdiger Herr.“

5. „Ihr Bhikkhus, was meint ihr? Wenn ihr in Streit und Zank verfallt und euch
in Streitgespräche vertieft, bei denen ihr euch gegenseitig mit Worten, die Dolchen
gleichen, verletzt, haltet ihr dann bei jenem Anlaß gegenüber euren Gefährten
im heiligen Leben Handlungen der Liebenden Güte mit Körper, Sprache und
Geist ein, in der Öffentlichkeit und im Privaten?“
„Nein, ehrwürdiger Herr.“
„Also, ihr Bhikkhus, wenn ihr in Streit und Zank verfallt und euch in Streitgespräche
vertieft, bei denen ihr euch gegenseitig mit Worten, die Dolchen gleichen,
verletzt, dann haltet ihr bei jenem Anlaß gegenüber euren Gefährten im
heiligen Leben nicht Handlungen der Liebenden Güte mit Körper, Sprache und
Geist ein, in der Öffentlichkeit und im Privaten. Ihr fehlgeleiteten Männer, was
wißt ihr schon, was seht ihr schon, daß ihr in Streit und Zank verfallt und euch in
Streitgespräche vertieft, bei denen ihr euch gegenseitig mit Worten, die Dolchen
gleichen, verletzt? Daß ihr weder einander überzeugen, noch überzeugt werden
könnt; daß ihr weder einander überreden, noch überredet werden könnt? Ihr fehlgeleiteten
Männer, es wird euch lange zum Schaden und zum Leid gereichen.“

6. Dann richtete sich der Erhabene folgendermaßen an die Bhikkhus: „Ihr
Bhikkhus, es gibt diese sechs bemerkenswerten Eigenschaften, die Liebe und
Respekt erzeugen und zur Hilfsbereitschaft, zum Nicht-Streiten, zur Eintracht
und Einigkeit beitragen. Was sind diese sechs?“
„Da hält ein Bhikkhu körperliche Handlungen der Liebenden Güte gegenüber
seinen Gefährten im heiligen Leben ein, sowohl in der Öffentlichkeit als auch im
Privaten. Dies ist eine bemerkenswerte Eigenschaft, die Liebe und Respekt erzeugt
und zur Hilfsbereitschaft, zum Nicht-Streiten, zur Eintracht und Einigkeit
beiträgt.“
„Wiederum hält ein Bhikkhu sprachliche Handlungen der Liebenden Güte
gegenüber seinen Gefährten im heiligen Leben ein, sowohl in der Öffentlichkeit
als auch im Privaten. Dies ist eine bemerkenswerte Eigenschaft, die Liebe und
Respekt erzeugt und zur Hilfsbereitschaft, zum Nicht-Streiten, zur Eintracht und
Einigkeit beiträgt.“
„Wiederum hält ein Bhikkhu geistige Handlungen der Liebenden Güte gegenüber
seinen Gefährten im heiligen Leben ein, sowohl in der Öffentlichkeit als
auch im Privaten. Dies ist eine bemerkenswerte Eigenschaft, die Liebe und Respekt
erzeugt und zur Hilfsbereitschaft, zum Nicht-Streiten, zur Eintracht und
Einigkeit beiträgt.“
„Wiederum benutzt ein Bhikkhu Dinge gemeinsam mit seinen sittsamen Gefährten
im heiligen Leben; ohne etwas zurückzuhalten teilt er mit ihnen jeglichen
Zugewinn, der mit dem Dhamma in Einklang steht und der in Einklang mit
dem Dhamma erlangt wurde, sogar einschließlich des Inhalts seiner Schale. Dies
ist eine bemerkenswerte Eigenschaft, die Liebe und Respekt erzeugt und zur
Hilfsbereitschaft, zum Nicht-Streiten, zur Eintracht und Einigkeit beiträgt.“
„Wiederum hält sich ein Bhikkhu in der Öffentlichkeit und im Privaten auf,
indem er gemeinsam mit seinen Gefährten im heiligen Leben jene Sittlichkeit
besitzt, die ungebrochen, nicht zerrissen, nicht gefleckt, nicht gesprenkelt, befreiend,
von den Weisen empfohlen, nicht mißverstanden und der Konzentration
zuträglich ist. Auch dies ist eine bemerkenswerte Eigenschaft, die Liebe und
Respekt erzeugt und zur Hilfsbereitschaft, zum Nicht-Streiten, zur Eintracht und
Einigkeit beiträgt.“
„Wiederum hält sich ein Bhikkhu in der Öffentlichkeit und im Privaten auf,
indem er gemeinsam mit seinen Gefährten im heiligen Leben jene Ansicht besitzt,
die edel und zur Befreiung führend ist, und denjenigen, der in Übereinstimmung
mit ihr praktiziert, zur völligen Vernichtung des Leidens führt. Auch dies
ist eine bemerkenswerte Eigenschaft, die Liebe und Respekt erzeugt und zur
Hilfsbereitschaft, zum Nicht-Streiten, zur Eintracht und Einigkeit beiträgt.“
„Dies sind die sechs bemerkenswerten Eigenschaften, die Liebe und Respekt
erzeugen und zur Hilfsbereitschaft, zum Nicht-Streiten, zur Eintracht und Einigkeit
beitragen.“

7. „Von diesen sechs bemerkenswerten Eigenschaften ist die höchste, die
umfassendste, die endgültigste diese Ansicht 1), die edel und zur Befreiung führend
ist, und denjenigen, der in Übereinstimmung mit ihr praktiziert, zur völligen
Vernichtung des Leidens führt. So wie der höchste, der umfassendste und
engültigste Teil eines Gebäudes mit einer Dachspitze die Dachspitze selbst ist,
so ist auch von diesen bemerkenswerten Eigenschaften die höchste, die umfassendste,
die endgültigste diese Ansicht, die edel und zur Befreiung führend ist,
und denjenigen, der in Übereinstimmung mit ihr praktiziert, zur völligen Vernichtung
des Leidens führt.“

8. „Und wie führt diese Ansicht, die edel und zur Befreiung führend ist, denjenigen,
der in Übereinstimmung mit ihr praktiziert, zur völligen Vernichtung des
Leidens?“
„Da erwägt ein Bhikkhu, der in einen Wald, zum Fuße eines Baumes, in eine
leere Hütte gegangen ist: ,Gibt es irgendeine Besessenheit, die in mir noch nicht
überwunden wurde, die meinen Geist in Besitz nehmen könnte, so daß ich die
Dinge nicht der Wirklichkeit entsprechend wissen und sehen kann?‘ Wenn ein
Bhikkhu von Sinnesbegierde besessen ist, dann ist sein Geist besessen. Wenn er
von Übelwollen besessen ist, dann ist sein Geist besessen. Wenn er von Trägheit
und Mattheit besessen ist, dann ist sein Geist besessen. Wenn er von Rastlosigkeit
und Gewissensunruhe besessen ist, dann ist sein Geist besessen. Wenn er
von Zweifel besessen ist, dann ist sein Geist besessen. Wenn ein Bhikkhu in
Spekulationen über diese Welt versunken ist, dann ist sein Geist besessen. Wenn
ein Bhikkhu in Spekulationen über die andere Welt versunken ist, dann ist sein
Geist besessen. Wenn ein Bhikkhu in Streit und Zank verfällt und sich in Streitgespräche
vertieft, bei denen er andere mit Worten, die Dolchen gleichen, verletzt,
dann ist sein Geist besessen.“
„Er versteht: ,Es gibt keine Besessenheit 2), die in mir noch nicht überwunden
wurde, die meinen Geist in Besitz nehmen könnte, so daß ich die Dinge nicht der
Wirklichkeit entsprechend wissen und sehen kann. Mein Geist ist dem Erwachen
zur Wahrheit wohl geneigt.‘ Dies ist das erste Wissen, das von ihm erlangt
wird, das edel, überweltlich ist und nicht von Weltlingen geteilt wird.“

9. „Wiederum erwägt ein edler Schüler: ,Wenn ich dieser Ansicht nachstrebe,
sie entfalte und übe, erlange ich dann für mich selbst innere Ruhe, erlange ich für
mich selbst Gelassenheit?‘“
„Er versteht: ,Wenn ich dieser Ansicht nachstrebe, sie entwickle und entfalte,
dann erlange ich für mich selbst innere Ruhe, dann erlange ich für mich selbst
Gelassenheit.’ Dies ist das zweite Wissen, das von ihm erlangt wird, das edel,
überweltlich ist und nicht von Weltlingen geteilt wird.“

10. „Wiederum erwägt ein edler Schüler: ,Gibt es irgendeinen anderen Mönch
oder Brahmanen außerhalb (der Lehre des Buddha), der eine Ansicht besitzt, wie
ich sie besitze?‘“
„Er versteht: ,Es gibt keinen anderen Mönch oder Brahmanen außerhalb (der
Lehre des Buddha), der eine Ansicht besitzt, wie ich sie besitze.‘ Dies ist das
dritte Wissen, das von ihm erlangt wird, das edel, überweltlich ist und nicht von
Weltlingen geteilt wird.“

11. „Wiederum erwägt ein edler Schüler: ,Besitze ich den Charakter einer
Person, die richtige Ansicht besitzt?‘ Was ist der Charakter einer Person, die
richtige Ansicht besitzt? Dies ist der Charakter einer Person, die richtige Ansicht
besitzt: obwohl er möglicherweise einen Regelverstoß von der Art begehen mag,
für die eine Maßnahme der Rehabilitation festgelegt wurde, bekennt, enthüllt er
diesen und deckt ihn unverzüglich auf, gegenüber dem Lehrer oder gegenüber
weisen Gefährten im heiligen Leben, und nachdem er das getan hat, übt er sich in
Zurückhaltung für die Zukunft. Gerade so wie ein junges, zartes Kleinkind, das
unbeholfen daliegt, sofort zurückzuckt, wenn es mit der Hand oder dem Fuß
glühende Kohle berührt, ebenso ist dies der Charakter einer Person, die richtige
Ansicht besitzt: obwohl er möglicherweise einen Regelverstoß von der Art begehen
mag, für die eine Maßnahme der Rehabilitation festgelegt wurde, bekennt,
enthüllt er diesen und deckt ihn unverzüglich auf, gegenüber dem Lehrer oder
gegenüber weisen Gefährten im heiligen Leben, und nachdem er das getan hat,
übt er sich in Zurückhaltung für die Zukunft.“
„Er versteht: ,Ich besitze den Charakter einer Person, die richtige Ansicht besitzt.‘
Dies ist das vierte Wissen, das von ihm erlangt wird, das edel, überweltlich
ist und nicht von Weltlingen geteilt wird.”

12. „Wiederum erwägt ein edler Schüler: ,Besitze ich den Charakter einer Person,
die richtige Ansicht besitzt?‘ Was ist der Charakter einer Person, die richtige
Ansicht besitzt? Dies ist der Charakter einer Person, die richtige Ansicht besitzt:
obwohl er in verschiedenen Angelegenheiten für seine Gefährten im heiligen Leben
aktiv sein mag, nimmt er doch starke Rücksicht auf die Übung höherer Sittlichkeit,
die Übung höherer Geistesschulung und die Übung höherer Weisheit.
Gerade so wie wie eine Kuh mit einem neugeborenen Kalb beim Grasen das Kalb
im Auge behält, ebenso ist der Charakter einer Person, die richtige Ansicht besitzt:
obwohl er in verschiedenen Angelegenheiten für seine Gefährten im heiligen
Leben aktiv sein mag, nimmt er doch starke Rücksicht auf die Übung höherer
Sittlichkeit, die Übung höherer Geistesschulung und die Übung höherer Weisheit.“
„Er versteht: ,Ich besitze den Charakter einer Person, die richtige Ansicht besitzt.‘
Dies ist das fünfte Wissen, das von ihm erlangt wird, das edel, überweltlich
ist und nicht von Weltlingen geteilt wird.“

13. „Wiederum erwägt ein edler Schüler: ,Besitze ich die Stärke einer Person,
die richtige Ansicht besitzt?‘ Was ist die Stärke einer Person, die richtige Ansicht
besitzt? Dies ist die Stärke einer Person, die richtige Ansicht besitzt: wenn das
Dhamma und die Disziplin, die vom Tathàgata verkündet wurde, gelehrt wird,
beachtet er sie, schenkt ihr Aufmerksamkeit, beschäftigt er sich damit mit ganzem
Herzen, hört er das Dhamma als einer, der zuhorcht.“
„Er versteht: ,Ich besitze die Stärke einer Person, die richtige Ansicht besitzt.‘
Dies ist das sechste Wissen, das von ihm erlangt wird, das edel, überweltlich ist
und nicht von Weltlingen geteilt wird.“

14. „Wiederum erwägt ein edler Schüler: ,Besitze ich die Stärke einer Person,
die richtige Ansicht besitzt?‘ Was ist die Stärke einer Person, die richtige Ansicht
besitzt? Dies ist die Stärke einer Person, die richtige Ansicht besitzt: wenn das
Dhamma und die Disziplin, die vom Tathàgata verkündet wurde, gelehrt wird,
erlangt er Inspiration in der Bedeutung, erlangt er Inspiration im Dhamma, erlangt
er Freude, die mit dem Dhamma verbunden ist.“
„Er versteht: ,Ich besitze die Stärke einer Person, die richtige Ansicht besitzt.‘
Dies ist das siebte Wissen, das von ihm erlangt wird, das edel, überweltlich ist
und nicht von Weltlingen geteilt wird.“

15. „Wenn ein edler Schüler auf solche Weise sieben Faktoren besitzt, hat er
gut nach dem Charakter für die Verwirklichung der Frucht des Stromeintritts
getrachtet. Wenn ein edler Schüler auf solche Weise sieben Faktoren besitzt, besitzt
er die Frucht des Stromeintritts.“
Das ist es, was der Erhabene sagte. Die Bhikkhus waren zufrieden und entzückt
über die Worte des Erhabenen.

Anmerkungen:
1) Die edle, befreiende Richtige Ansicht schließt Streit aus, und Regelverstöße können
nur aus Unkenntnis oder Unachtsamkeit heraus erfolgen. Aber selbst entsprechend
entwickelte weltliche Richtige Ansicht ist ein Gegenmittel gegen ein
Fehlverhalten, wie es die kosambischen Bhikkhus gezeigt hatten.
2) Dies ist nicht die Liste der drei Besessenheiten (gàha) mit Begehren, Ich-Dünkel
und Ansicht. Diese drei sind erst beim Arahant völlig verschwunden. Aus dem
Text wird klar, daß hier von einem Stromeingetretenen die Rede ist, bzw. von
einem Stromeintretenden.