MN73 – Die längere Lehrrede an Vacchagotta

Majjhima Nikàya 73

 

Die längere Lehrrede an Vacchagotta

(Mahàvacchagotta Sutta)

1. So habe ich gehört. Einmal hielt sich der Erhabene bei Ràjagaha im Bambushain,
dem Eichhörnchen-Park auf.

2. Da ging der Wanderasket Vacchagotta zum Erhabenen und tauschte Grußformeln
mit ihm aus. Nach diesen höflichen und freundlichen Worten setzte er
sich seitlich nieder und sagte zum Erhabenen:

3. „Über einen langen Zeitraum habe ich Gespräche mit dem Erhabenen gehabt.
Es wäre gut, wenn Meister Gotama mich in Kürze das Heilsame und das
Unheilsame lehren würde.“
„Ich kann dich das Heilsame und das Unheilsame in Kürze lehren, Vaccha,
und ich kann dich das Heilsame und das Unheilsame in aller Ausführlichkeit
lehren. Dennoch will ich dich das Heilsame und das Unheilsame in Kürze lehren.
Höre zu und verfolge aufmerksam, was ich sagen werde.“
„Ja, Herr“, erwiderte er. Der Erhabene sagte dieses:

4. „Vaccha, Gier ist unheilsam, Nicht-Gier ist heilsam; Haß ist unheilsam,
Nicht-Haß ist heilsam; Verblendung ist unheilsam, Nicht-Verblendung ist heilsam.
Auf diese Weise sind drei Dinge unheilsam und drei Dinge sind heilsam.“

5. „Töten von Lebewesen ist unheilsam, das Enthalten vom Töten von Lebewesen
ist heilsam; Nehmen, was nicht gegeben wurde, ist unheilsam, das Enthalten
vom Nehmen, was nicht gegeben wurde, ist heilsam; Fehlverhalten bei
Sinnesvergnügen ist unheilsam, das Enthalten vom Fehlverhalten bei Sinnesvergnügen
ist heilsam; falsche Rede ist unheilsam, das Enthalten von falscher
Rede ist heilsam; gehässige Rede ist unheilsam, das Enthalten von gehässiger
Rede ist unheilsam; grobe Rede ist unheilsam, das Enthalten von grober Rede ist
heilsam; Geschwätz ist unheilsam, das Enthalten von Geschwätz ist heilsam;
Habgier ist unheilsam, Freiheit von Habgier ist heilsam; Übelwollen ist unheilsam,
Nicht-Übelwollen ist heilsam; falsche Ansicht ist unheilsam, richtige Ansicht
ist heilsam. Auf diese Weise sind zehn Dinge unheilsam und zehn Dinge
sind heilsam.“

6. „Wenn Begehren von einem Bhikkhu überwunden worden ist, an der Wurzel
abgeschnitten, einem Palmenstumpf gleichgemacht, beseitigt, so daß es künftigem
Entstehen nicht mehr unterworfen ist, dann ist jener Bhikkhu ein Arahant
mit vernichteten Trieben, einer, der das heilige Leben gelebt hat, getan hat, was
getan werden mußte, die Bürde abgelegt hat, das wahre Ziel erreicht hat, die
Fesseln des Werdens zerstört hat und durch letztendliche Erkenntnis vollständig
befreit ist.“

7. „Gibt es außer Meister Gotama noch irgendeinen Bhikkhu, einen Schüler
von Meister Gotama, der durch eigene Verwirklichung mit höherer Geisteskraft,
hier und jetzt in die Herzensbefreiung, die Befreiung durch Weisheit, die mit der
Vernichtung der Triebe triebfrei ist, eintritt und darin verweilt 1)?“
„Vaccha, es gibt nicht nur hundert oder zwei- oder drei- oder vier- oder fünfhundert,
sondern weit mehr Bhikkhus, Schüler von mir, die durch eigene Verwirklichung
mit höherer Geisteskraft, hier und jetzt in die Herzensbefreiung, die
Befreiung durch Weisheit, die mit der Vernichtung der Triebe triebfrei ist, eintreten
und darin verweilen.“

8. „Gibt es außer Meister Gotama und den Bhikkhus noch irgendeine
Bhikkhunã, eine Schülerin von Meister Gotama, die durch eigene Verwirklichung
mit höherer Geisteskraft, hier und jetzt in die Herzensbefreiung, die Befreiung
durch Weisheit, die mit der Vernichtung der Triebe triebfrei ist, eintritt und darin
verweilt?“
„Vaccha, es gibt nicht nur hundert oder zwei- oder drei- oder vier- oder fünfhundert,
sondern weit mehr Bhikkhunãs, Schülerinnen von mir, die durch eigene
Verwirklichung mit höherer Geisteskraft, hier und jetzt in die Herzensbefreiung,
die Befreiung durch Weisheit, die mit der Vernichtung der Triebe triebfrei ist,
eintreten und darin verweilen.“

9. „Gibt es außer Meister Gotama und den Bhikkhus und Bhikkhunãs noch
irgendeinen Laienanhänger, einen Schüler von Meister Gotama, der weißgekleidet
ein zölibatäres Leben führt 2), der mit der Vernichtung der fünf niedrigeren
Fesseln spontan (in den Reinen Bereichen) erscheinen und dort Nibbàna erlangen
wird, ohne je von jener Welt zurückzukehren?“
„Vaccha, es gibt nicht nur hundert oder zwei- oder drei- oder vier- oder fünfhundert,
sondern weit mehr Laienanhänger, Schüler von mir, die weißgekleidet
ein zölibatäres Leben führen, die mit der Vernichtung der fünf niedrigeren Fesseln
spontan in den Reinen Bereichen erscheinen und dort Nibbàna erlangen
werden, ohne je von jener Welt zurückzukehren.“

10. „Gibt es außer Meister Gotama, den Bhikkhus und Bhikkhunãs und den
Laienanhängern, die weißgekleidet ein zölibatäres Leben führen, noch irgendeinen
Laienanhänger, einen Schüler von Meister Gotama, der weißgekleidet sich
sinnlicher Vergnügen erfreut 3), der seine Anweisungen ausführt, seinem Rat folgt,
den Zweifel hinter sich gelassen hat, von Verwirrung frei geworden ist, Selbstvertrauen
erlangt hat und in der Lehre des Lehrers von anderen unabhängig geworden
ist?“
„Vaccha, es gibt nicht nur hundert oder zwei- oder drei- oder vier- oder fünfhundert,
sondern weit mehr Laienanhänger, Schüler von mir, die weißgekleidet
sich sinnlicher Vergnügen erfreuen, die meine Anweisungen ausführen, meinem
Rat folgen, den Zweifel hinter sich gelassen haben, von Verwirrung frei geworden
sind, Selbstvertrauen erlangt haben und in der Lehre des Lehrers von anderen
unabhängig geworden sind.“

11. „Gibt es außer Meister Gotama, den Bhikkhus und Bhikkhunãs und den
weißgekleideten Laienanhängern, sowohl jenen, die ein zölibatäres Leben führen,
als auch jenen, die sich sinnlicher Vergnügen erfreuen, noch irgendeine
Laienanhängerin, eine Schülerin von Meister Gotama, die weißgekleidet ein
zölibatäres Leben führt, die mit der Vernichtung der fünf niedrigeren Fesseln
spontan (in den Reinen Bereichen) erscheinen und dort Nibbàna erlangen wird,
ohne je von jener Welt zurückzukehren?“
„Vaccha, es gibt nicht nur hundert oder zwei- oder drei- oder vier- oder fünfhundert,
sondern weit mehr Laienanhängerinnen, Schülerinnen von mir, die weißgekleidet
ein zölibatäres Leben führen, die mit der Vernichtung der fünf
niedrigeren Fesseln spontan (in den Reinen Bereichen) erscheinen und dort
Nibbàna erlangen werden, ohne je von jener Welt zurückzukehren.“

12. „Gibt es außer Meister Gotama, den Bhikkhus und Bhikkhunãs, den weißgekleideten
Laienanhängern, sowohl jenen, die ein zölibatäres Leben führen, als
auch jenen, die sich sinnlicher Vergnügen erfreuen, und den Laienanhängerinnen,
die weißgekleidet ein zölibatäres Leben führen, noch irgendeine Laienanhängerin,
eine Schülerin von Meister Gotama, die weißgekleidet sich sinnlicher Vergnügen
erfreut, die seine Anweisungen ausführt, seinem Rat folgt, den Zweifel hinter
sich gelassen hat, von Verwirrung frei geworden ist, Selbstvertrauen erlangt
hat und in der Lehre des Lehrers von anderen unabhängig geworden ist?“
„Vaccha, es gibt nicht nur hundert oder zwei- oder drei- oder vier- oder fünfhundert,
sondern weit mehr Laienanhängerinnen, Schülerinnen von mir, die weißgekleidet
sich sinnlicher Vergnügen erfreuen, die meine Anweisungen ausführen,
meinem Rat folgen, den Zweifel hinter sich gelassen haben, von Verwirrung frei
geworden sind, Selbstvertrauen erlangt haben und in der Lehre des Lehrers von
anderen unabhängig geworden sind.“

13. „Meister Gotama, wenn nur Meister Gotama in diesem Dhamma erfolgreich
wäre, aber keine Bhikkhus erfolgreich wären, dann wäre dieses heilige
Leben in jener Hinsicht unzulänglich; aber weil Meister Gotama und Bhikkhus
in diesem Dhamma erfolgreich sind, ist dieses heilige Leben somit in dieser Hinsicht
vollständig. Wenn nur Meister Gotama und Bhikkhus in diesem Dhamma
erfolgreich wären, aber keine Bhikkhunãs erfolgreich wären, dann wäre dieses
heilige Leben in jener Hinsicht unzulänglich; aber weil Meister Gotama, Bhikkhus
und Bhikkhunãs in diesem Dhamma erfolgreich sind, ist dieses heilige Leben
somit in dieser Hinsicht vollständig. Wenn nur Meister Gotama, Bhikkhus und
Bhikkhunãs in diesem Dhamma erfolgreich wären, aber keine Laienanhänger,
die weißgekleidet ein zölibatäres Leben führen, erfolgreich wären, dann wäre
dieses heilige Leben in jener Hinsicht unzulänglich; aber weil Meister Gotama,
Bhikkhus und Bhikkhunãs und Laienanhänger, die weißgekleidet ein zölibatäres
Leben führen, in diesem Dhamma erfolgreich sind, ist dieses heilige Leben somit
in dieser Hinsicht vollständig. Wenn nur Meister Gotama, Bhikkhus und
Bhikkhunãs und Laienanhänger, die weißgekleidet ein zölibatäres Leben führen,
in diesem Dhamma erfolgreich wären, aber keine Laienanhänger, die weißgekleidet
sich sinnlicher Vergnügen erfreuen, erfolgreich wären, dann wäre dieses
heilige Leben in jener Hinsicht unzulänglich; aber weil Meister Gotama, Bhikkhus
und Bhikkhunãs und weißgekleidete Laienanhänger, sowohl jene, die ein
zölibatäres Leben führen, als auch jene, die sich sinnlicher Vergnügen erfreuen,
in diesem Dhamma erfolgreich sind, ist dieses heilige Leben somit in dieser Hinsicht
vollständig. Wenn nur Meister Gotama, Bhikkhus und Bhikkhunãs und
weißgekleidete Laienanhänger, sowohl jene, die ein zölibatäres Leben führen,
als auch jene, die sich sinnlicher Vergnügen erfreuen, in diesem Dhamma erfolgreich
wären, aber keine Laienanhängerinnen, die weißgekleidet ein zölibatäres
Leben führen, erfolgreich wären, dann wäre dieses heilige Leben in jener Hinsicht
unzulänglich; aber weil Meister Gotama, Bhikkhus und Bhikkhunãs, weißgekleidete
Laienanhänger, sowohl jene, die ein zölibatäres Leben führen, als auch
jene, die sich sinnlicher Vergnügen erfreuen, und Laienanhängerinnen, die weißgekleidet
ein zölibatäres Leben führen, in diesem Dhamma erfolgreich sind, ist
dieses heilige Leben somit in dieser Hinsicht vollständig. Wenn nur Meister
Gotama, Bhikkhus und Bhikkhunãs, weißgekleidete Laienanhänger, sowohl jene,
die ein zölibatäres Leben führen, als auch jene, die sich sinnlicher Vergnügen
erfreuen, und Laienanhängerinnen, die weißgekleidet ein zölibatäres Leben führen,
in diesem Dhamma erfolgreich wären, aber keine Laienanhängerinnen, die
weißgekleidet sich sinnlicher Vergnügen erfreuen, erfolgreich wären, dann wäre
dieses heilige Leben in jener Hinsicht unzulänglich; aber weil Meister Gotama,
Bhikkhus und Bhikkhunãs, weißgekleidete Laienanhänger, sowohl jene, die ein
zölibatäres Leben führen, als auch jene, die sich sinnlicher Vergnügen erfreuen,
und weißgekleidete Laienanhängerinnen, sowohl jene, die ein zölibatäres Leben
führen, als auch jene, die sich sinnlicher Vergnügen erfreuen, in diesem Dhamma
erfolgreich sind, ist dieses heilige Leben somit in dieser Hinsicht vollständig.“

14. „So wie sich der Gangesfluß auf das Meer zubewegt, sich dem Meer zuneigt,
in Richtung des Meeres fließt und sich bis zum Meer erstreckt, so bewegt
sich auch Meister Gotamas Folgschaft mit ihren Hauslosen und ihren Haushältern
auf Nibbàna zu, neigt sich Nibbàna zu, fließt in Richtung Nibbàna und erstreckt
sich bis zum Nibbàna.“

15. „Großartig, Meister Gotama! Großartig, Meister Gotama! Das Dhamma
ist von Meister Gotama auf vielfältige Weise klar gemacht worden, so als ob er
Umgestürztes aufgerichtet, Verborgenes enthüllt, einem Verirrten den Weg gezeigt
oder in der Dunkelheit eine Lampe gehalten hätte, damit die Sehenden die
Dinge erkennen können. Ich nehme Zuflucht zu Meister Gotama und zum
Dhamma und zur Sangha der Bhikkhus. Ich würde gerne unter dem Erhabenen
in die Hauslosigkeit ziehen, ich würde gerne die Ordination erhalten.“

16. „Vaccha, jemand, der früher zu einer anderen Sekte gehörte und in diesem
Dhamma und dieser Disziplin in die Hauslosigkeit zu ziehen wünscht und die
Ordination wünscht, hat eine Probezeit von vier Monaten. Am Ende von vier
Monaten, wenn die Bhikkhus mit ihm zufrieden sind, geben sie ihm die Erlaubnis,
in die Hauslosigkeit zu ziehen, und die Ordination zum Status eines Bhikkhu.
Aber ich erkenne individuelle Unterschiede in dieser Angelegenheit an.“
„Ehrwürdiger Herr, wenn jene, die früher zu einer anderen Sekte gehörten
und in diesem Dhamma und dieser Disziplin in die Hauslosigkeit zu ziehen wünschen
und die Ordination wünschen, eine Probezeit von vier Monaten haben,
und wenn am Ende von vier Monaten die Bhikkhus mit ihnen zufrieden sind und
sie ihnen die Erlaubnis, in die Hauslosigkeit zu ziehen, und die Ordination zum
Status eines Bhikkhu geben, dann will ich eine Probezeit von vier Jahren haben.
Wenn die Bhikkhus am Ende von vier Jahren mit mir zufrieden sind, mögen sie
mir die Erlaubnis, in die Hauslosigkeit zu ziehen, und die Ordination zum Status
eines Bhikkhu geben.“

17. Dann erhielt der Wanderasket Vacchagotta die Erlaubnis, unter dem Erhabenen
in die Hauslosigkeit zu ziehen, und er erhielt die Ordination. Nicht lange
nach seiner Ordination, einen halben Monat nach seiner Ordination, ging der
ehrwürdige Vacchagotta zum Erhabenen, und nachdem er ihm gehuldigt hatte,
setzte er sich seitlich nieder und sagte zum Erhabenen: „Ehrwürdiger Herr, ich
habe erlangt, was auch immer durch das Wissen eines Schülers in höherer Schulung,
durch das wahre Wissen eines Schülers in höherer Schulung, erreicht werden
kann 4). Der Erhabene möge mich darüber hinaus das Dhamma lehren.“

18. „In diesem Fall, Vaccha, entwickle zwei Dinge weiter: Ruhe und Einsicht.
Wenn diese zwei Dinge weiterentwickelt werden, werden sie zur Durchdringung
vieler Elemente führen.“

19. „In dem Ausmaß, in dem du wünschst: ,Möge ich die verschiedenen Arten
übernatürlicher Kräfte beherrschen: nachdem ich einer gewesen bin, möge ich
mich vervielfältigen; nachdem ich mich vervielfältigt habe, möge ich einer werden;
möge ich erscheinen und verschwinden; möge ich ungehindert durch eine
Wand gehen, durch eine Einzäunung, durch einen Berg, als ob ich mich durch
den freien Raum bewegte; möge ich in die Erde eintauchen und aus ihr auftauchen,
als ob sie Wasser wäre; möge ich übers Wasser gehen, ohne zu versinken,
als ob es Erde wäre; möge ich im Lotussitz durch den Raum reisen, wie ein
Vogel; möge ich mit der Hand den Mond und die Sonne, die so kraftvoll und
mächtig sind, berühren und streicheln; möge ich körperliche Beherrschung, die
sogar bis zur Brahma-Welt reicht, haben‘‘ – in dem Ausmaß wirst du die Fähigkeit
erlangen, jeglichen Aspekt darin zu bezeugen, weil es eine passende Grundlage
dafür gibt 5).“

20. „In dem Ausmaß, in dem du wünschst: ,Möge ich mit dem Element des
Himmlischen Ohrs, das geläutert und dem menschlichen überlegen ist, beide
Arten von Klängen hören, die himmlischen und die menschlichen, die fernen
ebenso wie die nahen‘ – in dem Ausmaß wirst du die Fähigkeit erlangen, jeglichen
Aspekt darin zu bezeugen, weil es eine passende Grundlage dafür gibt.“

21. „In dem Ausmaß, in dem du wünschst: ,Möge ich das Herz anderer Wesen,
anderer Personen verstehen, nachdem ich sie mit meinem eigenen Herzen
umfaßt habe. Möge ich einen Geist, der von Begierde beeinträchtigt ist, als von
Begierde beeinträchtigt verstehen, und einen Geist, der nicht von Begierde beeinträchtigt
ist, als nicht von Begierde beeinträchtigt; möge ich einen Geist, der
von Haß beeinträchtigt ist, als von Haß beeinträchtigt verstehen, und einen Geist,
der nicht von Haß beeinträchtigt ist, als nicht von Haß beeinträchtigt; möge ich
einen Geist, der von Verblendung beeinträchtigt ist, als von Verblendung beeinträchtigt
verstehen, und einen Geist, der nicht von Verblendung beeinträchtigt
ist, als nicht von Verblendung beeinträchtigt; möge ich einen zusammengezogenen
Geist als zusammengezogen verstehen, und einen abgelenkten Geist als abgelenkt;
möge ich einen erhabenen Geist als erhaben verstehen, und einen nicht
erhabenen Geist als nicht erhaben; möge ich einen übertrefflichen Geist als übertrefflich
verstehen, und einen unübertrefflichen Geist als unübertrefflich; möge
ich einen konzentrierten Geist als konzentriert verstehen, und einen unkonzentrierten
Geist als unkonzentriert; möge ich einen befreiten Geist als befreit verstehen,
und einen unbefreiten Geist als unbefreit‘ – in dem Ausmaß wirst du die
Fähigkeit erlangen, jeglichen Aspekt darin zu bezeugen, weil es eine passende
Grundlage dafür gibt.“

22. „In dem Ausmaß, in dem du wünschst: ,Möge ich mich an meine vielfältigen
früheren Leben erinnern, das heißt, an eine Geburt, zwei Geburten, drei Geburten,
vier Geburten, fünf Geburten, zehn Geburten, zwanzig Geburten, dreißig
Geburten, vierzig Geburten, fünfzig Geburten, hundert Geburten, tausend Geburten,
hunderttausend Geburten, viele Äonen, in denen sich das Weltall zusammenzog,
viele Äonen, in denen sich das Weltall ausdehnte, viele Äonen, in denen
sich das Weltall zusammenzog und ausdehnte: ,Dort wurde ich soundso genannt,
war von solcher Familie, mit solcher Erscheinung, solcherart war meine Nahrung,
so mein Erleben von Glück und Schmerz, so meine Lebensspanne; und
nachdem ich von dort verschieden war, erschien ich woanders wieder; auch dort
wurde ich soundso genannt, war von solcher Familie, mit solcher Erscheinung,
war meine Nahrung solcherart, so mein Erleben von Glück und Schmerz, so
meine Lebensspanne; und nachdem ich von dort verschieden war, erschien ich
hier wieder.‘ Möge ich mich so an viele frühere Leben mit ihren Aspekten und
Besonderheiten erinnern‘ – in dem Ausmaß wirst du die Fähigkeit erlangen, jeglichen
Aspekt darin zu bezeugen, weil es eine passende Grundlage dafür gibt.“

23. „In dem Ausmaß, in dem du wünschst: ,Möge ich mit dem Himmlischen
Auge, das geläutert und dem menschlichen überlegen ist, die Wesen sterben und
wiedererscheinen sehen, niedrige und hohe, schöne und häßliche, in Glück und
Elend und möge ich verstehen, wie die Wesen ihren Handlungen gemäß weiterwandern:
,Diese geschätzten Wesen, die sich mit Körper, Sprache und Geist übel
benommen haben, die die Edlen geschmäht haben, die falsche Ansichten hatten
und diesen in ihren Taten Ausdruck verliehen, sind bei der Auflösung des Körpers,
nach dem Tode in Umständen, die von Entbehrungen geprägt sind, wiedererschienen,
an einem unglücklichen Bestimmungsort, in Verderbnis, ja sogar in
der Hölle; aber jene geschätzten Wesen, die sich mit Körper, Sprache und Geist
wohl benommen haben, die die Edlen nicht geschmäht haben, die richtige Ansichten
hatten und diesen in ihren Taten Ausdruck verliehen, sind bei der Auflösung
des Körpers, nach dem Tode an einem glücklichen Bestimmungsort
wiedererschienen, ja sogar in der himmlischen Welt.‘ Möge ich so mit dem Himmlischen
Auge, das geläutert und dem menschlichen überlegen ist, die Wesen sterben
und wiedererscheinen sehen, niedrige und hohe, schöne und häßliche, in
Glück und Elend, und möge ich verstehen, wie die Wesen ihren Handlungen
gemäß weiterwandern‘ – in dem Ausmaß wirst du die Fähigkeit erlangen, jeglichen
Aspekt darin zu bezeugen, weil es eine passende Grundlage dafür gibt.“

24. „In dem Ausmaß, in dem du wünschst: ,Möge ich durch eigene Verwirklichung
mit höherer Geisteskraft, hier und jetzt in die Herzensbefreiung, die Befreiung
durch Weisheit, die mit der Vernichtung der Triebe triebfrei ist, eintreten
und darin verweilen‘ – in dem Ausmaß wirst du die Fähigkeit erlangen, jeglichen
Aspekt darin zu bezeugen, weil es eine passende Grundlage dafür gibt.“

25. Dann erhob sich der ehrwürdige Vacchagotta, entzückt und erfreut über
die Worte des Erhabenen, von seinem Sitz, huldigte dem Erhabenen nahm Abschied,
wobei er ihm die rechte Seite zuwandte.“

26. Nicht lange danach, nachdem er allein lebte, zurückgezogen, umsichtig,
eifrig und entschlossen, trat der ehrwürdige Vacchagotta hier und jetzt durch
eigene Verwirklichung mit höherer Geisteskraft in das höchste Ziel des heiligen
Lebens ein, für das Männer aus guter Familie zu Recht von zu Hause fort in die
Hauslosigkeit ziehen, und er verweilte darin. Er erkannte unmittelbar: „Geburt
ist zu Ende gebracht, das heilige Leben ist gelebt, es ist getan, was getan werden
mußte, darüber hinaus gibt es nichts mehr.“ Und der ehrwürdige Vacchagotta
wurde einer der Arahants.

27. Bei jener Gelegenheit war eine Anzahl von Bhikkhus gerade dabei, den
Erhabenen aufzusuchen. Der ehrwürdige Vacchagotta sah sie in der Ferne kommen.
Als er sie sah, ging er zu ihnen hin und fragte sie: „Wo gehen die Ehrwürdigen
hin?“
„Wir sind gerade dabei, den Erhabenen aufzusuchen, Freund.“
„In jenem Fall, mögen die Ehrwürdigen in meinem Namen mit den Häuptern
zu Füßen des Erhabenen Huldigung darbringen und sagen: ,Ehrwürdiger Herr,
der Bhikkhu Vacchagotta bringt Huldigung mit dem Haupt zu Füßen des Erhabenen
dar.‘ Dann sagt: ,Der Erhabene ist von mir geehrt worden, der Vollendete ist
von mir geehrt worden 6).‘“
„Ja, Freund“, erwiderten jene Bhikkhus. Dann gingen sie zum Erhabenen,
und nachdem sie ihm gehuldigt hatten, setzten sie sich seitlich nieder und sagten
zum Erhabenen: „Ehrwürdiger Herr, der ehrwürdige Vacchagotta bringt Huldigung
mit dem Haupt zu Füßen des Erhabenen dar, und er sagt: , Der Erhabene ist
von mir geehrt worden, der Vollendete ist von mir geehrt worden.‘“

28. „Ihr Bhikkhus, nachdem ich sein Herz mit meinem Herzen umfaßt hatte,
wußte ich bereits vom Bhikkhu Vacchagotta: ,Der Bhikkhu Vacchagotta hat das
dreifache wahre Wissen erlangt und hat große übernatürliche Kraft und Macht.‘
Und Devas erzählten mir dieses auch: ,Der Bhikkhu Vacchagotta hat das dreifache
wahre Wissen erlangt und hat große übernatürliche Kraft und Macht.‘“
Das ist es, was der Erhabene sagte. Jene Bhikkhus waren zufrieden und entzückt
über die Worte des Erhabenen.

Anmerkungen:
1) Es gibt einige zeitgenössische buddhistische Lehrer, die der Ansicht sind, daß ein
Arahant, der in der Nachfolge eines Buddha die Fesseln abgestreift, die Triebe
vernichtet hat, noch nicht mit der Arbeit fertig sei. Die Vertreter dieser Ansicht
schenken den Lehrreden des Pàlikanons offenbar sehr wenig Beachtung.
2) Mit der Nichtwiederkehr ist jegliche Sinnesbegierde überwunden, sexuelle Betätigung
findet somit nicht mehr statt.
3) Die Frage bezieht sich auf Stromeingetretene und Einmalwiederkehrer, die die
ersten drei Fesseln abgelegt haben.
4) MA sagt, daß er ein Nichtwiederkehrer geworden war.
5) Die „passende Grundlage“ ist die Meisterschaft in den Vertiefungen mit den Elementen
als Objekt. Die anderen weltlichen Superkräfte haben ebenfalls die Meisterschaft
in den Vertiefungen zur Grundlage. Die sechste, überweltliche höhere
Geisteskraft hat Einsicht, also Weisheit zur Grundlage.
6) BB: Eine indirekte Art, vom Erlangen des höchsten Ziels zu berichten. Die
Bhikkhus verstanden die Äußerung nicht, daher wurde sie ihnen vom Buddha
erklärt.