Samadhi Meditation

SamadhiWörtlich übersetzt aus dem Pali: „Fest-zusammen-gefügtsein“ (sam + a + dha). Samadhi, “Sammlung, Konzentration“, ist das Gerichtetsein des Geistes auf ein einziges Objekt: „Die Einspitzigkeit des Geistes“, die durch mehrstündige Sitzeinheiten trainiert und geschult wird. Die diesjährige freie Zeit über Ostern, vom 5. bis 9. April 2007, haben wir – eine Gruppe von über 50 Personen, Ordinierte und Laien, in unserer Pagode Phat Hue in Frankfurt, in Schweigen und stiller Meditation verbracht.

Die angewandte Methode basiert auf der direkten Lehre des Buddha, wie sie im Nikaya niedergeschrieben und nachlesbar ist. Schritt für Schritt wird versucht, alles, was das Bewusstsein verzerrt, ruhig zu stellen.

Durch die volle Aufmerksamkeit auf den Atem – Anapanasati – haben wir 4 Tage lang von morgens bis abends versucht, unseren Geist zu beruhigen, um die innere Sammlung und einsgerichtete Konzentration zu erlangen.

Die erste Sitzeinheit wurde um 5.30 Uhr mit einem meditativen Morgengedicht gesanglich eingeleitet und dauerte meist eine Stunde. Daran anschließend konnte man sich für langsame Geh-Meditation oder schnelles „Chi-Laufen“ entscheiden, um auch die physische Seite des Körpers in Schwung zu bringen.

Der weitere Tagesablauf beinhaltete neben der morgendlichen „Arbeits-Meditation“ 6 weitere Sitzeinheiten von 55 bis 120 min., Geh-Meditationen sowie Dharma-Belehrungen und Zeit für Fragen und Antworten bezüglich der Meditationspraxis.

Spezielle Tee-Mischungen und extra leichte, aber dennoch nährstoffreiche Kost machten es möglich, sich nicht nur auf geistiger, sondern auch auf körperlicher Ebene zu reinigen.

Nach anfänglichen Schwierigkeiten, wie diversen schmerzenden Körperteilen, die es nicht gewohnt waren, solange in Meditationshaltung zu verharren, wandernden Gedanken, die sich überlegten, was man noch schönes bei diesem österlichen Frühlingswetter hätte machen können und Ungeduld mit sich und der Frage, ob man wohl einen Fortschritt macht, haben wir den Kurs am Montag abend „erfolgreich“ zusammen abgeschlossen. Glücklich, es durchgehalten und uns auf diese Art und Weise wieder ein Stück näher kennengelernt zu haben, sind wir mit den Worten „Jetzt könnten wir noch ein paar Tage weiter sitzen“ auseinander gegangen.

Eine Teilnehmerin berichtet von Ihren persönliche Erlebnissen.

SAMADHI-KURS IN FRANKFURT

Ein Erlebnisbericht

Dies ist der Versuch, einen Eindruck des viertägigen Samadhi-Kurses zu vermitteln, der zu Ostern in der Pagode statt fand, mit dem Wunsch, dass viele davon angeregt werden, sich für diese Praxis zu öffnen und sie kennen zu lernen.

Für den Samadhikurs, ist unsere Ausrüstung unser Sitzkissen und unser Schweigen.
Für alles andere ist gesorgt. Ein direkter Kontakt und Austausch zu anderen wird vermieden, jeder sorgt für sich selbst, zieht sich zurück. Keine Gespräche, weitgehend kein Blickkontakt, ruhige Bewegungen. Wir versuchen Stille herzustellen und zu erfahren.

DIE PRAXIS:

Wir sitzen so gut wir können, die Hände ruhen in unserem Schoß, die Daumen berühren sich leicht, der Rücken ist aufrecht, ohne steif zu sein, das Kinn etwas eingezogen.
Wir beruhigen den Geist, in dem wir die Konzentration auf den Atem lenken und den formlosen Luftstrom fühlen, der an der Nasenspitze kommt und geht und lassen Gedanken und Geräusche einfach vorbeiziehen, ohne an ihnen zu haften oder sich an sie zu hängen.

Wir versuchen still zu sitzen und uns nicht zu bewegen. Die gerade Haltung ist unsere Disziplin. Auch wenn Schmerzen im Körper auftauchen, Druckstellen an den Beinen, die Arme schwer werden, versuchen wir die Konzentration auf dem Atem zu halten und den Schmerzen nicht nachzugeben. Erst wenn die Glocke das Ende der Meditationssitzung ankündigt, lockern wir den Körper, strecken und dehnen uns.

Eine Sitzung dauert zwischen 1,25 – 1,5 Stunden.
Es gibt ungefähr sechs Sitzungen am Tag, wir meditieren also täglich rund acht Stunden.

ES IST WIE EINE REISE
ALLEIN, ZU FUSSDURCH UNWEGSAMES GERÖLL

Der erste Tag war für mich der Kampf mit meiner Faulheit und Störrigkeit. Warum mache ich das überhaupt? In meinem Geist tobt die Ungeduld, die Meditationseinheiten dauern so lange und meine Gedanken sind immer schon Stunden voraus – beim Mittagessen oder schon beim Schlafsack, wo ich mich jetzt gern einkuscheln würde oder sie sind Tage zurück, bei der Arbeit, bei Kolleginnen, meiner Steuererklärung, die noch erledigt werden muss, ich ärgere mich über meine Nachbarin die unter mir wohnt und den ganzen Tag schreit, denke an meine Familie, an die Sommerferien, ans Verreisen. Mein Körper schmerzt, ich bewege mich viel, schaffe es kaum 15 Minuten ruhig zu sitzen. Strecke die Beine aus, schalte ab, oft aus Trotz: ich habe keine Lust den Schmerz auszuhalten und mich nicht zu bewegen. Ich habe auch keine Lust auf die kommenden drei Tage und frage mich, warum ich meine wenigen freien Ostertage jetzt hier verbringe.

Abends nach der Sitzung wird es jedoch richtig interessant: ich teile das Zimmer mit einer Frau, die ich nicht kenne. Weil wir schweigen, stellen wir uns nicht mit unserem Namen vor. Ich weiß nichts von ihrer Herkunft, jedenfalls glaube ich, ist sie nicht in Deutschland geboren. Ich weiß nicht, wo sie lebt und von was. Ich kenne nicht den Klang ihrer Stimme. Ich kann mir vollkommen ein eigenes Bild von ihr machen, dieses Bild speist sich allein aus meiner Wahrnehmung. Es findet kein Gespräch statt, kein Austausch, so kann ich meine Wahrnehmung nicht abgleichen, mit der Wirklichkeit. Was also ist wirklich?

In den folgenden Tagen werde ich die Frau erleben: wie sie sich bewegt, wie wir uns in unserem Zimmer verständigen, ohne Sprache. Ich nehme sie wahr, wie sie beim Meditieren schräg vor mir sitzt, ihr gerader Rücken. Einmal geht eine Sitzung 2 Stunden lang. Ich halte es nicht durch zwei Stunden ruhig zu sitzen. Doch sie bewegt sich nicht. Die ganzen zwei Stunden sitzt sie regungslos und ihr laufen Tränen übers Gesicht, vor Schmerzen. Am Abend kurz vorm Schlafen gehen, darf ich ihren Körper abklopfen, sie ist ganz aufgedreht. Wir schlagen mit der Rute auf uns ein, um die Spannungen im Köper zu lösen und die Spannung im Geist löst sich auch, wir lachen viel, ohne je miteinander gesprochen zu haben!
Diese Erfahrung motiviert mich am meisten, am nächsten Tag weiterzumachen (statt abzureisen).

Wie sehr das Schweigen ein Schutz ist, heilsam wirkt wie Medizin! Wie verbindend es ist, mehr als Sprache. Das Sprechen öffnet so oft Schubladen von Vorurteilen und ist oft ein Hindernis, denn dadurch ist man abgelenkt. Das Schweigen kann Liebe oder Offenheit fördern, ich hatte das Gefühl, mein Blick wird im Schweigen weiter.

War der erste Tag bestimmt von meinem Unwillen und Unruhe, so war der zweite Tag dominiert von meinen „Mitreisenden“ – den anderen Kursteilnehmer/innen. Mir gingen einige auf die Nerven und andere beneidete ich. Die einen waren so ausdauernd, man sah ihnen ihre Schmerzen oder ihre Unruhe nicht an und die anderen waren so frei: standen einfach auf, spazierten raus, kamen dann irgendwann zurück mit Tee, und gingen gemütlich die Sache von Neuem an. Ich wollte abwechselnd wie die einen und wie die anderen sein und hatte selbst das Gefühl alles falsch zu machen und jedenfalls keine Mediationserfahrung zu haben und je mehr ich mich von meiner Umgebung und dem Verhalten „der Anderen“ ablenken ließ, desto mehr begannen sie mich zu stören! Es war sehr schwer dagegen anzugehen. Es war eine Übung die anderen so zu akzeptieren wie sie sind und auch mich so zu akzeptieren wie ich bin. An diesem Tag bekam ich ein Gefühl dafür, dass durch die regelmässige Praxis irgendwann das Vergleichen abnimmt und das Ankämpfen gegen äußere Bedingungen und sich selbst. Vielleicht stellt sich irgendwann so etwas wie Gleichmut ein: die Gewissheit, dass die unangenehmen Dinge genauso unbeständig sind wie die angenehmen Dinge. Sie kommen und gehen.

Am 3. und am 4. Tag, hatte ich das Gefühl einigermaßen gerüstet zu sein. Ich hatte eine Ahnung was mich erwartete und die „acht Stunden Sitzen“ lagen nicht mehr wie ein Horror vor mir. Vielleicht ist das ein wenig so, wie wenn man im Himalaja ankommt und ein paar Tage braucht, um mit den Bedingungen dort und der dünnen Luft klarzukommen: nach ein paar Tagen fühlt man sich kräftiger und stabiler, der Atem ist ruhiger, man ist etwas entspannter. Aber jetzt wird einem allmählich der Weg klar, der vor einem liegt und dass man ganz am Anfang des Weges steht. Und es wird einem bewusst, welche Ausdauer man braucht, um auch unerwartete Hindernisse bewältigen zu können.

„DIE VIER TAGE SIND UNSER LEBEN“ sagte Thay immer wieder während des Kurses. Was wir in den vier Tagen erfahren, erfahren wir jeden Tag. Bloss haben wir im Alltag nicht den Raum, uns genau anzusehen. Die Samadhipraxis bietet die Möglichkeit, den Geist an sich zu erfahren, beobachten zu können, wie er funktioniert. Wenn er in Ruhe gebracht wird, fährt er eine Palette von „Tänzen“ auf, er reagiert mit Panik, mit Unruhe, Misstrauen, Zweifeln und Ängsten, mit Sabotageakten und Müdigkeit.

Ich habe in diesen vier Tagen so viel von mir selbst ansehen müssen: wie oft Unwille, Abneigung, Wut auf Kleinigkeiten in mir hoch kochten und das in einer Umgebung, die völlig reduziert war von Einflüssen: man sitzt ja nur auf dem Sitzkissen atmet und schweigt!
Im Alltag sind wir ja viel mehr Einflüssen ausgesetzt und die Reaktionen gehen viel schneller und unbewusster ab. Man ist von tausenderlei Dingen und Emotionen beeinflusst, die einen „davontragen“ und Gefühle, Reaktionen und Bewertungen hervorrufen. Im Alltag kann schon eine kleine Erkältung, der verpasste Bus, die Stimmung oder den Verlauf eines ganzen Tages beeinflussen! Genauso wie starke Gefühle, Stress, Ungeduld, Widerwillen, Genervtsein, Überforderung im Beruf, zwischenmenschliche Schwierigkeiten. Dazu kommen Lebenskrisen, wie Krankheit, Ängste, der Tod von nahen Angehörigen, Arbeitslosigkeit, Streit, sowie Verluste von Freunden und Beziehungsbüche….

Mit der Samadhipraxis können wir üben, uns nicht auf all diese Hindernisse zu konzentrieren, sich nicht mit ihnen zu verhaken und von ihnen mitgerissen zu werden. Wir können lernen, die Zügel unseres Lebens in der Hand zu halten: Dass uns nicht die Emotionen reiten und wir jeder Situation hilflos ausgeliefert sind, sondern wir lernen, unsere Gedanken und Gefühle so zu zügeln, daß wir die Richtung bestimmen, wohin wir gehen.

In diesen Tagen nach dem Sahamdikurs habe ich einen alten Mann getroffen, der vier Jahre im schlimmsten KGB-Gefängnis der Sowjetunion war (ursprüngich war er zu 25 Jahren Gulag verurteilt gewesen. Nur durch Stalins Tod wurde er vorzeitig entlassen). Er sagte: „Man muss die Situation und alles was in unmittelbarer Nähe ist ausschalten und komplett ignorieren, obwohl man mittendrin ist. Man muss die Augen schliessen (selbst wenn sie offen sind) und sich auf einen kleinen Punkt im Inneren konzentrieren. Und diesen Punkt darf man niemals verlassen, er ist der Bezugspunkt. Nur so ist es möglich zu überleben, sonst wird man wahnsinnig. Nur so ist Freiheit möglich.“

Ich glaube, ohne den Samadhikurs, hätte ich nicht verstanden, was er damit meint. Was er erlebt hat, ist eine Extremsituation, doch auch wir sind im Alltag ständig Ablenkungen wie Schmerzen, Verletzungen und starken Gefühlen ausgesetzt, die einen sehr stark behindern und sogar lahm legen können.

Ich muss an eine Szene denken aus dem Film Kundun, über das Leben seiner Heiligkeit dem 14. Dalai Lama, der eine Ausstrahlung des Buddhas für Liebe und Mitgefühl ist:

Man sieht den ungefähr 14 jährigen Dalai Lama am Totenbett seines Vaters. Und man hört eine Stimme die zu ihm spricht: „Lasst Euch nicht ablenken, von dem Weg zur nächsten Stufe der Erkenntnis, lasst Euch nicht ablenken! Geht zu Eurem Vater, er ist tot. Eure Mutter möchte, dass Ihr Abschied nehmt, Heiligkeit. Doch lasst Euch nicht ablenken.“

WUNSCH:

Mögen wir die Ausdauer und die Kraft, die Geduld und das Vertrauen haben, den Weg der Erkenntnis zu gehen.
Mögen wir unsere Grenzen erfahren, und diese Grenzen durchbrechen.
Mögen wir Erfahrungen üben, die uns zeigen, wie unser Geist funktioniert und danach Möglichkeiten erlernen, um mit diesem Geist zu arbeiten.
Mögen wir alle Mühen auf uns nehmen, um mit diesem Geist zu arbeiten, zum Wohle aller fühlenden Wesen.

Antonia Keinz

10. April 2007

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