Internationaler traditionsübergreifender Kongress Buddhistischer Nonnen

Universität Hamburg, 18.-20. Juli 2007 mit Abschlusswort S.H. Dalai Lama

Im Vorfeld des Besuches S.H. Dalai Lama in Hamburg fand der erste internationale Kongress zum Thema: „Die Rolle der Frau in der buddhistischen Sangha und Wiedereinführung der Nonnenvollordination“ statt.
Namhafte Referenten wechselten sich in zahlreichen Vorträgen und Diskussionen ab und beleuchteten das Thema aus historischer, philosophischer, sozialer und kultureller Sicht. Dabei wurden zwei grundlegende Aspekte herausgearbeitet:
Die Stellung der Frau in buddhistischen Ordensgemeinschaften einerseits und die Möglichkeit der Wiedereinführung der Vollordination für Nonnen in der tibetischen Tradition und in der Theravada-Tradition andererseits.

Durch den Beitritt vieler westlicher Frauen in die asiatischen Orden, vornehmlich tibetischer Tradition, wird das Ungleichgewicht der Stellung von Mönchen und Nonnen in den Ordensgemeinschaften deutlich. Die soziale Entwicklung im Westen steht der asiatischen Kultur und Struktur gegenüber. Vielfach sind in der asiatischen Gesellschaft Nonnen den Mönchen untergeordnet und meist sind Nonnen mit pflegerischen Aufgaben betreut. Der Weg zu Ausbildung und Lehrtätigkeiten an buddhistischen Instituten und Universitäten ist immer noch begrenzt, z.B. konnte der Geschetitel in Tibet bis vor kurzem nicht von Frauen erworben werden. (Allerdings ist die Situation der Frauen nicht in allen asiatischen Ländern gleich, so findet sich z.B. in Taiwan eine matriarchalische Struktur und die Frau hat hier einen anderen Stellenwert als in Burma oder Thailand. Nonnen sind in der dortigen Gesellschaft hoch angesehen)
Diese unterschiedlichen Hintergründe sind sehr wichtig um zu verstehen, wohin sich einige Diskussionen während des Kongresses entwickelten.

Einige Punkte zum Verständnis der Ordinationsproblematik:
Die Übertragung der Gelübde (Silas) bei der Ordination ist eigentlich traditionsunabhängig, denn zu Zeiten des Buddhas gab es keine unterschiedlichen Traditionslinien. Wichtig für die Übertragung der Gelübde ist ihre Reinhaltung durch eine kontinuierliche Praxis, was nur im Leben in einer Sanghagemeinschaft möglich ist. (Vortrag ven. Thich Quang Ba)
Die Vollordination von Nonnen wird als „duale Ordination“ vollzogen, d.h. die Gelübde (Silas) werden vom einem Nonnenrat/Bikkhunirat übertragen und dann durch einen Mönchsrat/Bikkhurat bestätigt.
Diese Art der Ordination wird in den chinesischen, taiwanesischen, vietnamesischen und koreanischen Mahayanatraditionen vollzogen, da es hier Bikkhunisanghas gibt.
(Mehrere Referenten/innen gingen detailiert auf diese Vorgehensweisen ein)

In einigen Theravada Traditionen und der tibetischen Tradition sind die Übertragungslinien der Nonnenorden jedoch seit Jahrhunderten unterbrochen. In diesen Traditionen können Nonnen heutzutage nur als Novizinnen praktizieren, aber nie den Status der vollordinierten Nonne erreichen. Grundsätzlich müsste also in diesen Ordenslinien eine vollordinierte Nonnengemeinschaft (Bikkhunisangha) gegründet werden, die nach den Vinayaregeln lebt und praktiziert und die Gelübde (Silas) reinhält. Dann könnte die Traditionslinie wieder übertragen werden (ca. nach 10 Jahren).
Aufgrund dieser Problematik haben in der Vergangenheit Nonnen der tibetischen Tradition oder Theravada-Tradition die Möglichkeit ergriffen sich in einer ihnen fremden Tradition vollordinieren lassen. Zum Beispiel sind tibetische Nonnen in Australien oder Taiwan durch dort lebende Mönchs- und Nonnensanghas ordiniert worden. Auch die heutige singalesische Nonnensangha ist vor ca.15 Jahren durch chinesische Nonnen wiedereingeführt worden und praktiziert seitdem in einer funktionierenden Sangha. (Vortrag Bikkhuni Dr Khumasa)

Mit Spannung wurde der Abschlussdialog mit Seiner Heiligkeit am letzten Tag der Konferenz erwartet.
S.H. Dalai Lama bestätigte, dass der Status der Nonnen einer Änderung bzw. Anpassung bedarf.Er erwähnte, dass schon der Buddha uns lehrte, dass eine harmonische Sanghagemeinschaft aus 4 Gruppen bestehen muss – aus Mönchen (Bikkhus), vollordinierten Nonnen (Bikkhunis), männlichen und weiblichen Laienpraktizierenden (Upasikas, Upasakas).
Diese Grundlage der buddhistischen Grundwerte (3 Juwelen) muss in allen Traditionen wieder hergestellt werden.
Er sprach die Anerkennung der Vollordination der tibetischen Nonnen aus, die in einer Fremdtradition vollzogen wurden*.Gleichzeitig forderte er, das nach auf diese Zeremonie die Praxis folgen muss und machte den Vorschlag, dass die auf diese Weise ordinierten Nonnen zukünftig eine praktizierende Bikkhunisangha in Indien gründen, um gemeinsam die Vinaya/Sila zu leben und somit den Grundstein für eine zukünftige „reine“ tibetische Bikkhunisangha legen könnten.

Die „Fremdordination“ tibetscher Nonnen (s.o.) müsste durch einen tibetischen Bikkhurat bestätigt werden.Die Entscheidung darüber und über die Wiedereinführung der „Dualen Ordination“ in Tibet durch tibetische Mönche und einer Bikkhuni Sangha einer anderen Tradition soll auf einer Mönchskonferenz im Dezember 2007 in Dharamsala, Indien getroffen werden.

Die Vertagung der Entscheidung hinterließ im ersten Moment eine spürbare Enttäuschung bei den Beteiligten: Aber in der abschliessenden Diskussion sind sehr viele Samen gesetzt worden, gerade auch durch die Beiträge der Vertreter der eher konservativen Theravada-Orden (u.a. Vorträge Bikkhu Bodhi, Bikkhu Sujato).
Hoffen wir, dass diese Samen bis zum Ende des Jahres aufgehen.Vertrauen und Geduld auf dem Weg zur Befreiung findet hier wieder eine Anwendung!
Dass aber ein Umdenkprozess stattfindet, zeigte sich bei den Belehrungen Seiner Heiligkeit in der Folgewoche in Hamburg, wo erstmalig neben Mönchen auch Nonnen verschiedenster Traditionen gemeinsam vor ihm auf der Bühne Platz nahmen.

* Übertragung der Dharmagupka Gelübde von anderen Mahayanaorden, während die tibetischen Mönche die Mularsavastivada Version verwenden, welche inhaltlich identisch aber formmässig etwas unterschiedlich ist

** Eine tiefere Ausführung der Zusammenhänge über Vinayaregeln und Ordinationsdetails würden hier zu weit führen, können aber unter www.congress-on-buddhist-women.org/ nachgelesen werden

20. Juli 2007

Noch keine Kommentare.

Einen Kommentar hinterlassen