Von Windmühlen und Mauern im Wind

Bericht zu einem Seminar mit schweizer Unternehmern in Berlin

Kopie von 11-4-21Sangha&Natur-5 - KopieProf. Dr. Anton Gunzinger, Inhaber der Firma „Super Computing Systems“ in Zürich, ist der Veranstalter einer Seminarreihe zum Thema „Forschungsreise zur Seele des Unternehmens“. In diesem Jahr fand das 4. Seminar dieser Veranstaltungsreihe statt, welche aus dem Gedanken heraus entwickelt wurde, wirtschaftliche und ethische Grundsätze miteinander zu verbinden. Diese Idee führte zu einem fruchtbaren Austausch zwischen Prof. Dr. Gunzinger und Abt Thich Thien Son.

Am 17. Januar trafen sich 23 schweizer Unternehmer sowie 6 Mönche und Nonnen der Pagode Phat Hue in Berlin. Was bringt diese auf den ersten Blick doch recht unterschiedliche Gruppen zusammen? Nun, das Thema „Wendepunkte“.
Unternehmen sind mit ihren Aktivitäten in den Konjunkturzyklus eingebettet: Phasen des Aufschwungs und des Booms wechseln mit Phasen des Abschwungs. Die Kunst des Unternehmers besteht darin, Kurskorrekturen möglichst rechtzeitig vorzunehmen oder- ist im schlimmsten Fall die Depression erreicht- das Unternehmen wieder aus der Talsohle herauszuführen.
Buddhistische Mönche und Nonnen sind nun keine Wirtschaftsfachleute, aber man könnte sie schon als Experten für das Thema „Wandel“ ansehen, lehrt doch der Buddhismus, dass alles ständig der Veränderung unterworfen ist. Entsprechend lernen Buddhisten die Wahrnehmungsfähigkeit für den Augenblick und für die Möglichkeiten des Wandels zu stärken. Zum andern lernen sie im Rahmen der buddhistischen Psychologie zu erkennen, wie und wo Blockaden auftreten, die spontanes angemessenes Handeln verhindern.

Und so bearbeiteten beide Gruppen gemeinsam drei Tage lang das Thema Wendepunkte. Welcher Ort könnte da besser den Rahmen liefern als Berlin, die Stadt, die in den letzten 60 Jahren einer Vielzahl politischer Krisen ausgesetzt war und die deutliche Einschnitte erlebt hat: von Westdeutschland abgetrennt, von kommunistischen Herrschaftsansprüchen bedroht, geteilt, in den 80iger Jahren wiedervereint und als Hauptstadt wieder anerkannt.
Wie können wir Wendepunkte wahrnehmen, warum gehen wir wider besseren Wissens oder Fühlens dem Abgrund entgegen, welche Chancen ergeben sich, wenn wir uns auf Veränderungen einlassen? Solche und ähnliche Fragen standen im Mittelpunkt des Seminars.

„Wenn der Wind des Wandels weht, bauen manche Mauern und manche Windmühlen“
Laotses Ausspruch zeigt zwei verschiedene Grundmuster des Menschen. Die Notwendigkeit von Veränderungen nicht wahrnehmen zu wollen und sie abzublocken, erklärt sich daraus , dass wir gerne an Vertrautem und Gewohntem festhalten wollen. Das, was wir kennen, gibt uns Sicherheit, wenn auch oft nur eine Scheinsicherheit. Das Neue und Ungewohnte dagegen löst ein ungutes Gefühl oder sogar Ängste in uns aus, Angst vor dem, was wir nicht vollständig einschätzen und damit auch nicht kontrollieren können, also igeln wir uns ein, solange, bis die Krise wirklich nicht mehr zu verleugnen ist. Damit aber haben wir wertvolle Zeit und Energie verspielt, die wir zur Umstrukturierung oder zum Neuaufbau längst hätten nutzen können.

Aus buddhistischer Sicht ist alles immer im Prozess. Die Kunst des Handelns ist die Kunst, den Augenblick wahrzunehmen und offen zu sein, denn die Zukunft strukturiert sich aus der Gegenwart.
Natürlich, sind wir erst einmal in eine Krise hineingeraten, so ist es zunächst sehr schmerzhaft, sich die Situation einzugestehen. Aber die Lösung besteht niemals darin, vor dem Schmerz zu flüchten und den aufkommenden Ängsten auszuweichen. Angst ist eine zutiefst menschliche Reaktion, wir können sie nur auflösen, wenn wir sie anschauen, sozusagen hindurchgehen. Gleiches gilt für den Schmerz. Die Möglichkeit zur Kurskorrektur ist in jedem Augenblick gegeben und dabei gibt es keine noch so tiefe Krise, für die es nicht auch einen Ausweg gibt. Wichtig ist, das Tief niemals nur unter dem Aspekt des Negativen zu betrachten.

Da alles immer veränderlich ist, sind unsere Situationen niemals nur in eine Richtung festgelegt, folglich kann man auch einem Tief eine positive Wende geben. So betrachtet- und niemand kann uns daran hindern es so zu sehen- bieten Krisen geradezu die Chance zum Neubeginn. Was wir brauchen, ist Mut und die Entschlossenheit, weder in Selbstmitleid zu versinken, noch den andern die Schuld zu geben. Und Offenheit, um neue Perspektiven zu erkennen und vielleicht die Wertigkeiten anders zu setzen. Wenn uns dies gelingt, dann sind wir wie Laotses „Windmühlen im Wind des Wandels.“

21. Januar 2008