Tiefe Dankbarkeit und ein Hauch von Wehmut

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Der Ehrw. Pa-Auk-Sayadaw und der Ehrw. U Jagara zogen ihres Weges

Ohne einen Blick zurück zu werfen und ohne große Abschiedszeremonie, schritt der Ehrw. Pa Auk Sayadaw Dienstagmittag achtsamen und ruhigen Schrittes durch das Tor zur Abflughalle des Frankfurter Flughafens. So gab er uns noch bei seiner Abreise eine letzte Belehrung: was getan werden musste, ist getan – was war, ist vorbei. Nun heißt es, mit voller Aufmerksamkeit zu neuen Ufern aufzubrechen, ohne jegliche Anhaftung an die Vergangenheit. Der Ehrw. U Jagara hatte Buddhas Weg bereits am Sonntagnachmittag verlassen.

Es war eine intensive Zeit …

Vier Wochen lang konnten die Teilnehmer/-innen des Meditationsretreats im neuen Zentrum Buddhas Weg unter der erfahrenen und warmherzigen Begleitung des Hochehrw. Pa Auk Sayadaw und dem Ehrw. U Jagara ihre Meditationspraxis vertiefen.
„Im Retreat haben wir uns relativ künstliche Bedingungen geschaffen – indem wir das Edle Schweigen praktizieren und von der Außenwelt und damit von beruflichen und privaten Pflichten befreit sind”, so der Ehrw. U Jagara in seiner Abschlussdharmarede. „Nun geht es darum, unsere Erfahrungen aus dem Retreat mit in die Welt draußen, in unseren Alltag, zu tragen. Denn unser Leben nehmen wir überallhin mit, egal wo wir uns befinden. Es ist Teil von uns. Daher gibt es streng genommen auch keinen Unterschied zwischen der Welt hier drinnen (d.h. im Rahmen des Retreats) und der Welt draußen (d.h. unserem Alltag): Wir können unseren spirituellen Weg überall leben, unabhängig von unserer Umgebung.”

Mit dem eigenen Herzen rückverbinden …

Wozu braucht man dann einen Retreat mit mehreren Stunden „Sitzen” pro Tag, weit ab von den sinnlichen Vergnügungen der modernen Welt? Weil wir uns in der Stille mit uns selbst rückverbinden können. In unserem hektischen Alltag lassen wir uns zu leicht von uns selbst ablenken. „Das wahre Glück können wir nur über die Rückverbindung mit unserem eigenen Herzen erreichen. Nur dann sind wir unabhängig von äußeren Bedingungen”, so der Ehrw. U Jagara. Und in einem persönlichen Interview sagte der Ehrw. Sayadaw: „Viele Menschen wissen gar nicht, wie viel intensiver das Glück ist, welches wir in der tiefen Meditation erfahren können. Hat man die Freude und das Glücksgefühl der ersten und zweiten Vertiefung (jhana) kennen gelernt, kann man von der Begierde nach weltlichen, sinnlichen Vergnügungen leicht loslassen.”

Der Geist muss wie ein Muskel trainiert werden …

Doch der Weg zur tiefen Meditationserfahrung dieser Art und darüber hinaus bis hin zur Befreiung (Nibbana) ist individuell unterschiedlich und erfordert systematisches und kontinuierliches Training des eigenen Geistes. „Nur der geschulte Geist sieht die Dinge wie sie wirklich sind.” Was heißt das? Es bedeutet, dass wir erst, wenn wir die absolute Wahrheit (paramattha-sacca) über die Beschaffenheit der materiellen und geistigen Erscheinungen durchschaut haben, das Geflecht unserer Handlungen auf körperlicher, verbaler und geistiger Ebene in der Tiefe verstehen können. Denn mit diesem Wissen verstehen wir die Dynamik von Ursache und Wirkung in unserem Leben und können uns auf dieser Basis in jedem Moment für eine neue, heilsame Richtung in unserem gegenwärtigen Leben entscheiden.

Sonne, Gewitter, Sturm und Regen – draußen und drinnen …

Das Wetter zeigte das ganze Spektrum von hochsommerlicher Hitze, beeindruckenden Gewittern, über Bäume schüttelnden Sturm, verwunschenen Nebel, und nahezu tropisch anmutender Regengüsse bis hin zu angenehm warmen, sonnigen Tagen. Ähnlich sah die Gefühlslandschaft vieler Retreatants aus: Einige Teilnehmer/-innen durchliefen während der letzten Wochen tiefgreifende Prozesse. „Nach einigen Tagen der Meditation wurde ich zunehmend wütend auf meine Partnerin. Ich glaube, hätte ich die Möglichkeit gehabt, mit ihr zu sprechen, hätte ich sie heftigst beschimpft oder mich gar von ihr getrennt. Aber ich habe weiter praktiziert. Die persönlichen Interviews mit dem Ehrw. U Jagara waren mir dabei eine wichtige Stütze. Gegen Ende der dritten Woche hatte ich dann einiges im Hinblick auf die Dynamik unserer Beziehung durchschaut und hoffe nun, viele konstruktive Impulse mit nach Hause tragen zu können.”

Nur die „Ent-spannten” kommen nach Nibbana

„Eigentlich hatte ich mir ja als persönliches Retreatziel vorgenommen, zumindest das Nimitta (so genanntes „reflektives Zeichen” welches bei hoher Konzentration des Geistes entsteht) zu sehen. Anstelle dessen musste ich erstmal erkennen, dass ich lernen muss, mich zu entspannen. Das war mir zuvor noch nie so klar geworden.”

Erwartungen und persönliche Ziele waren auch Thema in den Unterweisungen des Ehrw. U Jagara: „Wir müssen uns immer wieder in unserem Leben dazu ermahnen, unsere Ziele zu überprüfen. Sind sie noch stimmig für uns? Was wollen wir in unserem Leben wirklich erreichen?” Mit den Erwartungen sei es problematisch, da sie immer auch bereits Vorstellungen darüber enthielten, was andere für einen tun sollten, damit es einem selbst gut geht. Und dies sei eben nicht möglich: Jeder ist für sein eigenes Wohlergehen selbst verantwortlich. Unsere Mitmenschen sind nicht dazu da, unseren „Durst” (tanha – Begierde) zu löschen – sie können es auch gar nicht, zumindest nicht dauerhaft. Es ist wie nach dem Trinken von Salzwasser: Nach einem kurzfristigen Gefühl der Erleichterung entsteht ein umso intensiveres Durstgefühl – immer wieder tauchen neue Erwartungen und Wunschvorstellungen auf. Diese machen uns abhängig von unserer Umgebung und sind auf dem Weg der Befreiung daher eher kontraproduktiv.

Die Scheidung einreichen …

Auf ähnliche Weise fasste es auch der Ehrw. Sayadaw zusammen. Die Hauptursachen für unser Leid und unsere Unzufriedenheit (dukkha) sind die ständige Begierde (tanha), welche wiederum nur auf der Basis von Verblendung oder Unwissenheit (avija) und verkehrter Ansichten entstehen kann. Verfestigt sich die Begierde, der Durst nach Dingen, Gefühlen und auch nach geistiger Nahrung, wie Ideen und Wissen, sprechen wir von Anhaftung (upadana). Anhaftungen wiederum erzeugen bestimmte, geistige Formationen (sankhara), die eine karmische Potenz (kamma satti) und in der Folge, wenn die dazu notwendigen Bedingungen erfüllt sind, „reifes“ Karma erzeugen. Diese drängen dann im Rahmen einer neuen Existenz (bhava) zur erneuten Manifestation. „Um Nibbana verwirklichen zu können, müssen wir daher dringend die Scheidung einreichen – so wie wir uns von einem Mann oder einer Frau trennen können, wenn die Ehe nicht mehr funktioniert, so müssen wir uns nachdem wir Ursache und Wirkung verstanden haben, auch von unseren Anhaftungen trennen.”

Doch vielen Menschen ist gar nicht bewusst, an „was” oder „wen” sie anhaften. Oft bemerken wir es gar nicht oder wollen es nicht erkennen, wie abhängig wir von etwas oder jemanden sind. Daher ist es so wichtig, kontinuierlich zu praktizieren und unseren Geist entsprechend zu trainieren. Mit der entsprechenden Ruhe und Klarheit lernen wir die Hindernisse für ein glückliches und zufriedenes Leben zu identifizieren und haben dann die Möglichkeit sie zu transformieren.

Sich selber begegnen …

Ein Meditationsretreat bietet für diese Art der „Reflektionsarbeit” und inneren Einkehr optimale Bedingungen. Durch das Schweigen und die damit fehlende Kommunikationsmöglichkeit mit anderen Menschen werden wir mit unserem eigenen Geist und seinen Tücken konfrontiert. Etwaige Projektionen auf unsere Mitmenschen können nicht im Außen ausagiert werden, was zur Intensivierung der eigenen, inneren Prozesse führt. Auf diese Weise bleibt uns nichts anderes übrig als uns selbst zu begegnen und uns mit all unseren Facetten auseinanderzusetzen. Gelingt es uns, „das was wir sehen und spüren” liebevoll anzunehmen, haben wir ein großes Stück Freiheit gewonnen und können unsere Praxis frohen Mutes in unserem Alltag fortsetzen.

Hiermit nochmal ein großes „Danke-schön“ an alle Teilnehmer/-innen – schön, dass Ihr da gewesen seid, praktiziert schön weiter und vielleicht auf bald :)!

Übrigens: nach neuestem Informationsstand wird der Ehrw. U Jagara Mitte Oktober noch einmal in der Pagode Phat Hue zu einem Dharmatalk vorbeikommen.
Voraussichtliches Thema: Was sind Gefühle? Wie entstehen destruktive Emotionen und wie können wir heilsam damit umgehen lernen?
Näheres dazu in Kürze auf unserer Homepage.

23. Juli 2009

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