Gut und Schlecht und Selbstreflektion

Was ist gut und was ist schlecht? Woher kommen unsere Ideen von richtig und falsch und was hat Schuldgefühl damit zu tun? Welche Position nimmt Buddhas Lehre im Bezug auf heilsame und unheilsame Sprache, Gedanken und Handlungen ein? In der letzten Woche widmeten sich mehrere Unterrichtsabende diesen Themen: Der Unterricht unseres Meisters dem Ehrw. Thich Thien Son, die Dienstags-Meditationsgruppe und auch die Ordinierten der Pagode befassten sich mit Gut und Böse im Rahmen der buddhistischen Universitätsstudien. Hier nun lesen sie die zusammengefassten und am Alltag Orientierten Ergebnisse dieser Diskussionen, Gesprächen und Belehrungen.

„Das macht man nicht!“

Menschen haben eine eigene, persönliche Wahrnehmung von der Welt. Was für den einen Menschen richtig erscheint, ist für einen anderen unter Umständen total unangebracht. Jeder Mensch hat daher eigene Vorstellungen von „Gut“ und „Böse“. Die kommen selbstverständlich nicht von ungefähr sondern wurden hauptsächlich durch die Erziehung unserer Eltern nach und nach gefestigt. Sätze wie „Das macht man nicht!“ oder „Das will ich nicht noch einmal von dir hören!“ kennen wir bestimmt alle noch aus unserer Kindheit. Sie formten in uns ein Bild davon, was eine gute und was eine schlechte Handlung ist und was man darf und was man nicht darf. Manchmal wird uns erklärt, warum wir etwas nicht machen sollen. Manchmal heißt es einfach „Weil man das eben nicht macht.“ Das so entstandene Bild von Gut und Schlecht tragen wir seit unserer Kindheit in uns und bewerten danach auch heute noch die Welt und uns selbst.

Perfektion und Schuld

Solch ein Selbstbild tendiert immer zu Perfektion. Wir haben aus der Erziehung unserer Eltern ein Idealbild herausgefiltert. Wenn wir uns nach ihren Maßstäben verhalten, sind wir ein guter Junge oder ein gutes Mädchen. Wie es aber so ist mit Perfektion, ist es unheimlich schwer dem auch nur annähernd gerecht zu werden. Man vergleicht sich selbst und andere mit einem unerreichbaren Ziel. Und immer, wenn wir etwas tun, was diesem Ideal widerspricht, fühlen wir uns schuldig. Wenn man sich vornimmt abzunehmen und dann doch ein Stück Sahnetorte ist, fühlt man sich schuldig und schwach. Wenn man sich vornimmt, jeden Morgen früh aufzustehen um zu Meditieren und man schläft immer wieder durch, fühlt man sich schuldig und undiszipliniert. Wenn man nach einem anstrengenden Arbeitstag gereizt nach Hause kommt und unkontrolliert patzig auf eine Frage antwortet und dadurch jemanden verletzt, kommt ein großes Gefühl von Reue in uns auf. In Situationen, in denen unser Bild von Gut und Schlecht nicht sagen würde: Toll hast du das gemacht. Ich bin stolz auf dich fühlen wir uns schuldig. Dieses Schuldgefühl hindert uns jedoch daran zu tun, was wirklich heilsam ist. Wir machen uns selbst unbeweglich, wenn wir nicht beginnen selbstverantwortlich unser Leben zu leben und eigene Entscheidungen zu treffen, die wir selbst auf ihre heilsamen und unheilsamen Folgen hin durchschaut haben.

Selbstreflektion

Buddha legte immer einen sehr großen Wert darauf, selbst zu reflektieren, ob eine Handlung gute oder schlechte Folgen nach sich ziehen wird. Durch Selbstreflektion kann man dann früh genug erkennen, ob wir uns selbst oder anderen Menschen um uns herum Schaden zufügen würden. Dann können wir diese Handlungen sein lassen und haben unser Leben ein Stück harmonischer und heilsamer gestaltet. Damit ist natürlich nicht gemeint, dass Regeln und Gesetze aller Art nutzlos sind – denn weil wir eben noch keine erleuchteten Wesen sind, die jede ihrer Handlungen mit kristallklarem Blick auf etwaige unheilsame Folgen hin durchleuchten können, brauchen wir Richtlinien, die unser Zusammenleben strukturieren. Auch wir Mönche sind ja bekannt dafür, dass wir eine riesige Anzahl solcher Richtlinien als Gelübde aufnehmen müssen, um Unheilsames zu vermeiden. Buddha stellte immer dann ein Gelübde auf, wenn er sah, dass die Mönche und Nonnen nicht von sich aus das Unheilsame in ihren Handlungen erkannten. Wir sind vielleicht noch keine Buddhas, dennoch müssen wir trainieren, selbst zu erkennen, wann etwas was wir tun, Schaden anrichten könnte. Selbstreflektion bringt uns hierbei uns selbst näher. Wir lernen, uns selbst besser zu verstehen.

Selbstverantwortlichkeit

Buddha betont neben Selbstreflektion also die damit zusammenhängende Selbstverantwortlichkeit. Denn nicht unsere Eltern sagen uns, ob wir ein schlechter oder ein guter Mensch sind. Auch nicht die Richter, die Lehrer oder unser Partner. Buddha sagt, dass es unsere eigenen Taten sind, die aus uns einen „guten“ oder „schlechten“ Menschen machen. Denn was wir getan, gesagt oder gedacht haben, hat uns zu dem gemacht, was wir heute sind. Das ist sehr wichtig. Wenn wir im Alltag dazu neigen, eher wütend zu sein und andere Menschen abzulehnen, sie zu verletzen, dann wird das unser zukünftiges Leben beeinflussen und prägen. Buddha sagte einmal, dass Wirkungen einer unheilsamen Handlung nicht nur derjenige zu spüren bekommt, den wir verletzt haben. Wie feiner Staub, den man gegen den Wind wirft, fällt unser unüberlegtes Tun auf uns zurück. Es kann sein, dass man uns meidet oder dass andere Menschen beginnen schlecht über uns zu reden. Ein Glück, dass es sich mit den heilsamen Handlungen ähnlich verhält: Sind wir gutherzig zu Anderen, geht es uns dadurch auch besser. Teilen wir unsere Freizeit mit unseren Lieben oder schenken wir einem Menschen ein ehrliches und warmes Lächeln, so wirkt diese Freundlichkeit und Offenheit auch auf uns. Wir sollten versuchen, im Alltag nach und nach unsere Konzentration auf unser eigenes Tun zu lenken. Dann können wir eine Handlung, die unsere Mitmenschen, andere Wesen oder uns selbst verletzen könnte, früh genug stoppen. Anstatt dessen können wir kreativ werden und überlegen: Was wäre heilsam? Wie kann ich mir und anderen mit Freundlichkeit und liebender Güte begegnen? Nehmen sie sich die Zeit dafür, einen eigenen heilsamen Weg durch ihr Leben zu finden. Gehen sie ihn langsam und Schritt für Schritt.

Viel besser als 1000 unüberlegte Worte, ist ein einziges, von Ruhe und Liebe durchdrungenes Wort.

4. September 2008

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