Zeremonie gegen karmische Verstrickungen – ein Bericht

Gestern fand in der Pagode Phat Hue die mit Spannung und hohem Interesse erwartete Zeremonie zur Auflösung karmischer Verstrickungen statt. Mit über 200 teilnehmenden Besuchern füllte sich die bereits durch Dekorationen reichlich geschmückt und gefüllte Buddhahalle bis auf den letzten Platz – mindestens die Hälfte der Besuchern waren westliche Buddhisten oder Interessierte. Alle Anwesenden können sich sehr glücklich schätzen, an diesem Tag den Rezitationen, Segnungen und Reinigungen beigewohnt zu haben. Lesen sie hier einen längeren Bericht zu dieser seltenen Zeremonie und schauen sie sich die ersten Fotos an.

Bereits um 10:30 Uhr begannen die vorbereitenden Zeremonien in der Buddhahalle zusammen mit vielen vietnamesischen und deutschen Laien-Buddhisten. Die Rezitation des Amithaba-Sutras, des Herz-Sutras und Segnungstexten beendete diesen ersten Teil des Tages. Nach der mittäglichen Gedenkzeremonie an die Verstorbenen des Andachtsaltars in der Buddhahalle wurde dann um 14 Uhr die Zeremonie durch die ehrenwerten Mönche eingeleitet, die eigenes für diese Zeremonie aus Vietnam angereist waren.

Sehnsucht und Durst nach Liebe

Aus buddhistischer Perspektive gibt es neben der Existenz tierischen und menschlichen Lebens auch jene Ebenen, in denen Wesen in unsichtbaren Manifestationen wiedergeboren werden – wie zum Beispiel die Ebene der himmlischen Wesen, in denen ein Tag solange andauern kann wie 50 Menschenjahre oder die der sogenannten hungrigen Geister. Das Leben eines Menschen prägt die Wiedergeburt. Stirbt ein Mensch, ohne das vergangene Leben loslassen zu können und hat er starke Anhaftungen, kann es geschehen, dass er als Hungergeist wiedergeboren wird. Wenn beispielsweise ein Mensch sein Leben verliert, jedoch nicht die Gelegenheit hatte, sich von den Menschen zu verabschieden und loszulassen, die er am meisten liebte, kann dieser Fall eintreten. Eine starke bindende Energie zwischen den noch Lebenden und dem Verstorbenen kann sich in solchen Fällen als Hinderniss darstellen. Solange man an einem verstorbenen Partner, einem Familienmitglied oder einem Bekannten festhällt oder gar am Leben festhält ohne Veränderungen zu akzeptieren, leidet man. Erst wenn man lernt loszulassen, hat man sich von der andauernden Sehnsucht befreit. Das ist der buddhistische Aspekt. Lernen wir loslassen, lernen wir freier und offener für Neues zu sein und lassen uns von Veränderung und Vergänglichkeit nicht mehr so sehr beeinflussen.

Zeremonien wie die am Samstag in der Pagode Phat Hue sind speziell in der vietnamesischen Tradition und Kultur verwurzelt. In der vietnamesischen Tradition geht man davon aus, dass solche Zeremonien aktiv solche Energien, die an Liebe und Dauer anhaften, aufzulösen helfen. Das Ziel ist es hier ebenfalls, frei von den schmerzhaften Bindungen an das vergangene Leben zu sein und den eigenen Weg nun gestärkt und mit einem leichteren Herzen gehen zu können.

Zu den die Zeremonie durchführenden Mönchen

Mönche, die mit unsichtbaren Energien in Kontakt treten können, müssen sich diese Fähigkeit über viele Jahrzehnte harten und intensiven Trainings aneignen. Wirklich weit in dieser Arbeit entwickelte Mönche befinden sich bereits seit dem Kindesalter in der Ausbildung. Man übt sich darin, die Sinnliche Wahrnehmung derart zu schärfen, dass sie neben den sichtbaren Objekten auch nicht sichtbare Phänomene wahrnehmen kann. Das kann nur durch intensiver Meditationspraxis erreicht werden. Man geht davon aus, dass man durch tiefe Meditation die Fähigkeit erlangen kann, mit den oben beschriebenen unsichtbaren Ebenen oder Energien zu kommunizieren.

Den Teilnehmern der Zeremonie war es nun möglich, sich selbst und Personen, mit denen sie sich aus unglücklichen und schmerzhaften Umständen wahrscheinlich in einer schwierigen karmischen Verbindung befinden, zur Auflösung dieser Verstrickungen aufstellen zu lassen: Man gab hierzu Namen und Geburtstags- oder Todesdatum an. Überraschend viele Personen nahmen diese Möglichkeit wahr, sodass das Verlesen der Namen während der Segnung am Ende der Zeremonie viel Zeit in Anspruch nahm.

Der zeremonielle Aufbau

An der Außenwand der Pagode wurde während der Eröffnungszeremonie am Freitagnachmittag ein langes Banner herabgelassen, welches mit Mantren beschrieben war. Dieses Banner stellt der Tradition nach für Hungergeister einen Wegweiser dar, dass hier ein Tor zu einem Platz geöffnet wird, an dem die schmerzhaften Energien aufgelöst werden können. Dieses Banner soll eine Brücke zwischen den unsichtbaren und den sichtbaren Ebenen unserer Welt darstellen.

Der Innenraum der Buddhahalle war in Form eines Mandalas aufgebaut: 4 Altarhütten mit Buddhastatuen symbolisierten die 4 Himmelsrichtungen, während der große Altar in der Mitte den Berg Meru symbolisierte. Am Eingang der Buddhahalle stand ein großes Tor mit einer Statue, die selbst aussah, wie ein Dämon, allerdings eine Verkörperung des Bodhisatvas Avalokiteshvara darstellte – dem Bodhisatva des universellen Mitgefühls. Die Darstellung als Dämon irritiert zunächst, steht aber als Symbol für das Mitgefühl Avalokiteshvara: Dass Avalokiteshvara sich in Dämonengestalt zeigt, soll verdeutlichen, dass er nicht nur Menschen, sondern auch Hungergeistern gegenüber Liebe und Mitgefühl zeigt.

Der Hauptaltar

Links und rechts des Hauptaltars saßen die Ehrwürdigen Mönche aus Vietnam und begleiteten die Zeremonie mit Instrumenten, Rezitationen und hoher Konzentration. Die vietnamesische Tradition dieser Zeremonie sieht vor, dass der Mönch, der die Zeremonie leitet, auf dem Altar in der Mitte Platz nimmt. Er soll den Buddha repräsentieren. Der Buddha wird für diesen Zweck von den Mönchen, die diese Tradition praktizieren, mit einem Vorhang verhüllt.

Der durchführende Meister muss von allen anwesenden Mönchen die strengste und intensivste Ausbildung gehabt haben. Denn die Energien, die sich während der Zeremonie in der Buddhahalle aufbauen sollen, muss er zu bändigen wissen. Die Kraft, die sich in der 4 1/2 stündigen Zeremonie entwickeln kann, soll sehr stark sein. Kann der Meister diese Kraft nicht kontrollieren, kann sie ihm auf energetischer Ebene Schaden zufügen. Die Mönche, die uns am Samstag diese Zeremonie ermöglichten, haben eine jahrzehntelange Ausbildung in dieser Arbeit genossen und unterstützen den Meister während der Zeremonie.

Die Zeremonie

Obwohl die Zeremonie einem dem westlichen Kulturverständnis zunächst verschlossenen vietnamesischen Brauch folgt, gingen viele Deutsche ihrem Interesse und ihrem Gefühl nach, dieser in diesem Umfang äußerst seltenen Zeremonie beizuwohnen. Nachdem die Altäre einzeln durch den leitenden Meister gesegnet wurden, begann dieser sich in einen Zustand höchster Konzentration und Sensibilität zu begeben. Durch Rezitation und segnende Mudras – symbolische aber auch die Energie beeinflussende Handgesten – bereitete er sich auf die Anstrengungen der folgenden Stunden vor. In tiefster Meditation nahm er auf dem erhöhten Sitz platz. Begleitet wurde die gesamte Zeremonie von einem Citar spielenden Vietnamesen, der, obwohl er kein Mönch ist, dieselbe Ausbildung genoss wie die Anderen. Sein Spiel zeichnete sich durch ein Höchstmaß an Konzentration aus: Er spielte die gesamte Zeremonie lang bestimmte Melodien mit gewissen Schwingungen oder begleitete den Gesang der rezitierenden Mönche. Er schien dabei stets gelassen und ruhig, ohne dass es möglich war, aus seinen Gesichtszügen Emotionen oder Gefühle abzulesen. Sein Geist war voll und ganz mit dem Instrument, den Rezitationen und der Atmosphäre des Raums verschmolzen.

Segnung und Freiheit

An einem gewissen Punkt veränderte sich die Stimmung der Rezitationen: An diesem beginnt der die Zeremonie durchführende Meister dem Protokoll nach, die Segnung der unsichtbaren Wesen. Die Melodien der Rezitationen wurden verspielter und fröhlicher. Symbolisch wurde Reis gesegnet und in den Raum geworfen. Der Klang heller Glocken durchdrang die Halle, gespielt von den begleitenden Mönchen – der Teil der Zeremonie war gekommen, an dem die Teilnehmer und die anderen Wesen in der Buddhahalle sich nun von ihren Sehnsüchten und Anhaftungen trennen konnten. Die Atmosphäre der Buddhahalle änderte sich schlagartig.

Abschluss

Viele der Gäste blieben, auch nachdem die Zeremonie mit dem herabsteigen des Meisters vom Altar und der abschließenden Segnung aller Personen in der Buddhahalle beendet worden war, noch in sich gekehrt in der Buddhahalle sitzen und verarbeiteten, was um sie herum in den letzten 4 ½ Stunden geschehen war. Erst jetzt konnten einige Besucher realisieren, dass sie gerade einem wunderschönen Ereignis beigewohnt haben, das in solcher Art und Weise nur ungefähr 4 Mal im Bestehen eines Tempels geschieht. Umso größer waren das Glück und die Zufriedenheit bei vielen der Anwesenden. Doch wo Fröhlichkeit ist, kann auch Trauer nicht weit sein: Manche der Teilnehmer überkamen große Gefühle. „Wer mit offenem Herz an der Zeremonie teilnimmt“ so sprach der Ehrw. Abt der Pagode Thich Thien Son zu Beginn der Zeremonie, „kann in Kontakt mit den karmischen Verstrickungen gelangen, die wir von Leben zu Leben tragen.“ Das kann schmerzen, Traurigkeit auslösen und überwältigen. Nach einem solchen Ereignis sind alle auftretenden Gefühle und Emotionen, erlaubt und brauchen nicht unterdrückt werden. Die Menschen kamen an diesem Samstag zusammen, um die schmerzhaften und unheilsamen Verbindungen zu verstorbenen Menschen zu akzeptieren und nicht mehr an ihnen festzuhalten.

Loslassen – Frei sein

Die Pagode Phat Hue organisierte diese Zeremonie besonders für die Mitglieder unserer Gemeinde, unseren Zen-Schülerinnen und Zen-Schülern und allen Freunden, Unterstützern und Nahestehenden der Pagode Phat Hue. Sie sollte den Anwesenden einen zeremoniellen Rahmen geben, um die Anhaftungen an vergangene und schmerzhafte Umstände loszulassen. Loslassen stabilisiert die buddhistische Praxis und bringt unseren Geist zur Ruhe. Mögen alle Gäste des gestrigen Samstags nun mit höherer Leichtigkeit an sich selbst arbeiten, mit mehr liebender Güte und Mitgefühl in ihren Beziehungen und Familien leben können und ihr Leben mit weniger Anhaftungen führen. Mögen alle Wesen, die sich gestern in der Buddhahalle versammelten, frei von ihren Anhaftungen an vergangene Leben sein. Mögen sie sich alle von ihren Sehnsüchten befreit haben und nun unter neuen Vorraussetzungen dem Glück und dem Frieden entgegenstreben können.

Die Pagode Phat Hue möchte sich aus ganzem Herzen bei den Ehrwürdigen Mönchen bedanken, dass sie ihre Kraft und ihre Anstrengungen dafür aufbrachten, der Sangha, den Mitgliedern, den Schülern, Freunden und Gästen der Pagode Phat Hue auf ihre Weise dabei zu helfen, von Anhaftungen und schmerhaften Erinnerungen loszulassen. Mögen alle Verdienste, die durch die Kraft dieser Zeremonie freigesetzt wurden, an die Ehrwürdigen Mönche, an alle Teilnehmer der Zeremonie und an alle fühlenden Wesen gesendet werden. Mögen sie alle frei sein von Sehnsucht und Anhaftung. Mögen sie alle glücklich sein.

 
icon for podPress  Mitschnitt der Zeremonie gegen karmische Verstrickungen [0:34m]: Play Now | Play in Popup | Download
13. Oktober 2008

5 Kommentare to Zeremonie gegen karmische Verstrickungen – ein Bericht

  1. Der folgende Kommentar ist von Gudrun. Ich lasse ihn mal hier in diesen Beitrag umziehen, da der alte Veranstaltungshinweis, wo Gudrun geantwortet hat, schon wieder offline gehen muss. Liebe Grüße
    Hue Ngo
    Hier der Kommentar von Gudrun:

    Es war mein erster Besuch bei euch – ein wunderbares Erlebnis. Herzlichen Dank für diesen Nachmittag :-) Meine Eindrücke habe ich in einigen Reimen festgehalten, die ich hier hinterlassen möchte, in der Hoffnung, es ist der richtige Ort für diesen Text.

    Gelb – ich schließe die Augen, höre Gesang
    Um mich Musik, Menschen, die Zeit wird nicht lang
    Langsam, unmerklich tauche ich ein
    Die Welt um mich herum – nur noch ein blasser Schein

    Die Töne – sie helfen vergessen
    Obwohl – auf Meditieren war ich nun gar nicht versessen
    Doch friedlich ist es – die Menschen hier stille
    Vielleicht, weil uns eint ein einziger Wille

    Frieden, den wollen wohl alle hier finden.
    Wer weiß, vielleicht denkt mancher an begangene Sünden.
    Denn um Verzeihung, Versöhnung geht es hier heute.
    Darum versammeln sich all diese Leute.

    Viel braune Haut, doch auch weiße zu sehen,
    und kaum einer wagt es, hier früher zu gehen.
    Befreiung – so ist die Devise
    In der diesseitigen Welt – wir kennen nur diese.

    Doch will man Menschen und Seelen versteh’n,
    muss man manchmal noch tiefer seh’n.
    heute überschreitet hier Mancher auch Grenzen.
    Es geht um Tode vor vielen lenzen,

    um Bindungen, die man lieber nicht hätte,
    um Menschen jenseits der Todesstätte.
    Befreit werden wünscht man sich heute hier.
    die Menschen im jenseits, aber auch wir.

    Und so werden stille all um mich herum
    Man konzentriert sich nach vorne, dreht sich nicht um
    Mönche vom Osten, eine Zeremonie
    Was hier geschieht – ich versteh wohl nie.

    Doch nehme ich heim eine große Freude,
    hier trafen sich Menschen, in Freud wie im Leide
    doch guten Willens sie war’n, so ich es empfand.
    Es gibt ihn, den Frieden – in unserem Land.

    So leb ich auch morgen und fürchte mich nicht
    Schaue nach oben mit Zuversicht
    denn wenn die Welt mal nicht freundlich erscheint
    Dort gibt es den einen, der alle vereint.

  2. huengo on Oktober 13th, 2008
  3. Nam mô A Di Đà Phật

    Ich würde gerne wissen ob ihr die veranstaltung gefilm habt und wenn ja ob man diesen film bekommen könnte.

    in Dharma,

    Thich Thong Trang

  4. Thich Thong Trang on Dezember 11th, 2008
  5. A Di Da Phat Thich Thong Trang,
    die Zeremonie wurde von uns gefilmt und mitgeschnitten – der Schnitt ist jedoch noch nicht in Angriff genommen, da momentan andere Dinge wichtiger waren.

    Aber ein Laie hat mit seiner eigenen Kamera mitgeschnitten und das Ergebnis liegt bei Hue Nghi auf dem Schreibtisch – er wird es in Kürze online stellen. Dann kann man es sich auch herunterladen! Schau einfach in Abständen in unsere Media Sektion

    Liebe Grüße aus Frankfurt

    Hue Ngo

  6. huengo on Dezember 15th, 2008
  7. danke

    ich werd ich machen

  8. thich thong trang on Dezember 16th, 2008
  9. Nam mo A DI DA PHAT!

    es wäre schön wenn das video bald auf eure homepage käme,

    NAM MO QUAN AM BO TAT MA HA TAT,

    T. Thong Trang

  10. thich thong trang on Februar 6th, 2009

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