Sanghaleben und Kressepflanzen

Diese kurze Dharma-Belehrung gab der Ehrw. Abt der Pagode Phat Hue den anwesenden Mönchen und Nonnen während einer der täglichen Morgenbesprechungen in der Pagode Phat Hue.

Ich habe mir einmal einige Kressesamen gekauft und wollte sie keimen lassen. Ich streute sie auf den Boden einer breiten und flachen Metallschüssel und einer meiner Schüler hatte die Aufgabe, sie zu gießen. Ich beobachtete nach einigen Tagen, wie die Keime, sobald auch nur ein wenig zu viel gegossen wurde, im Zentrum der Schüssel anfingen einzugehen, zu verfaulen. Das überschüssige Wasser sammelte sich dort an. Die Keime, die bereits anfingen einzugehen, steckten schnell die anderen Pflänzchen um sich herum an. Gießt man eine kleine Gruppe des Ganzen zuviel, fängt sie an zu faulen und steckt obendrein die anderen an. Es ist wie in einer Gemeinschaft wie der unseren hier: Wenn ein Keim der Gemeinschaft fault, greift das schnell auf die benachbarten Keime über. Daher ist es für Ordinierte in einer Sangha-Gemeinschaft äußerst wichtig, die faulenden Stellen in körperlicher, sprachlicher und geistiger Hinsicht zu beseitigen und umzuwandeln.

Wer versucht alleine zu wachsen, hat keine Überlebenschance…

Ein weiteres Phänomen der Pflanzenwelt können wir auf das Sanghaleben übertragen:
Ein Keim, der versucht alleine zu wachsen, besser, höher und stärker, hat eigentlich keine Überlebenschance. Er wächst weitab von der Gruppe, hat keinen Halt, keine Stütze. Er steht allein und kann daher als erster gepflückt und gefressen werden. Oder er wächst gar nicht erst so hoch, dass er gegessen werden kann, da er ohne den Halt der Gruppe einknickt und nicht weiter wächst. In einer Sanghagemeinschaft geht es darum, gemeinsam zu wachsen und sich gegenseitig zu stützen und nicht darum, sich von den anderen hervorzuheben, besser zu sein, besonders zu sein. Wir sind alle wie die Keime, können in einer unheilsamen und in einer heilsamen Art wachsen und gedeihen. Wer im Leben als Mönch Bestätigung für sein eigenes Ego sucht, möchte sich über die Köpfe der Anderen emporheben und gesehen werden, wie der kleine Kressesamen, der sich besonders weit nach oben reckte. Doch wir wissen, was ihm dort passieren kann. Er kann den Halt durch die Sanghagemeinschaft verlieren. Eine Gemeinschaft merkt sehr schnell, wer nicht mit sondern gegen den Strom arbeitet. Neid, Missgunst und Ärger sind da nicht weit und vergiften die Atmosphäre. Im Zen-Buddhismus spielt der Meister hierbei eine wichtige Rolle. Er spiegelt die Probleme seiner Schüler wider. Er sieht es als erster, welche seiner Kressepflanzen sich zu weit nach oben reckt und gestutzt werden müsste – wer am höchsten wächst, wird zuerst gefressen.

Ein Lächeln schenken…

In Sanghagemeinschaften ist das höchste Ziel Harmonie. Nur in einer harmonischen Gemeinschaft kann die buddhistische Praxis Früchte tragen ohne Zwietracht zu streuen. Wir wissen, wie schnell der Neid die Menschen enzweit und Distanz schafft. Ich kenne einige Mönche und Nonnen aus der vietnamesischen Tradition, die sich nicht durch besondere große Dharma-Reden auszeichnen, sondern allein durch ihr Lächeln Menschen belehren. Ein Lächeln zu schenken bedeutet oft viel, viel mehr als tausend Worte. Wer seiner Sanghagemeinschaft ein Lächeln schenkt, trägt bereits viel zu Harmonie und gegenseitigem Respekt bei. Und das sollte man nicht nur bei Personen praktizieren, die uns sympathisch sind. Gerade den Menschen, mit denen wir Problemen haben, müssen wir ein Lächeln schenken und versuchen, einen neuen Weg zu finden, mit ihnen umzugehen. Mönchspraxis bedeutet auch Lächeln. Gerade in Situationen des Ärgers und der Enttäuschung ist es wichtig, liebende Güte zu praktizieren.

Klarheit und Harmonie

Die 5 Silas geben den Kressepflanzen einer Sangha einen gesunden Halt, durch den sie gemeinsam wachsen können. Es ist sehr wichtig, dass die Mitglieder einer Sangha die gleiche Praxis verfolgen. Die jungen Sanghamitglieder, die noch grüne Pflänzchen sind, sich aber leicht zu Unkraut weiterentwickeln können, müssen daher gemeinsam der Silapraxis nachgehen. Die Silas sind, wenn man sie mit Klarheit praktiziert, der Schlüssel zu einem harmonischen und heilsamen Gemeinschaftsleben.

Samen des Unheils herausreißen…

Wir müssen achtsam mit unseren Sanghabrüdern und –schwestern umgehen. Wenn wir offen und mit liebender Güte das Sanghaleben leben, schaffen wir dadurch den Ort, an dem die buddhistische Praxis blühen und gedeihen kann. Sind wir jedoch nur auf unser Ego konzentriert und heben uns über die Sangharegeln hinweg, schaffen wir unheilsame Energien in der Sangha. Neid, Zwietracht, Missgunst sind die Früchte dieser Haltung. Einem faulen Kressesamen gleich, können sie die restlichen Pflanzen anstecken und jegliche Harmonie zerfressen. Daher ist es erste Aufgabe eines jungen Praktizierenden, alle unheilsamen Samen in seinem Geist zu erkennen und mit der Wurzel herauszureißen.

15. September 2008

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