Die 5 Hindernisse

1. Gier (Pali Kamacchanda)

Mit unseren 5 Sinnen suchen wir ständig nach Sinnesobjekten, die für uns eine angenehme Wirkung haben. Vordergründig betrachtet kann man sagen, dass wir das Wohlgefühl erlangen wollen, um unangenehme Dinge zu verdrängen. Letztendlich aber trachten wir immer danach unserer sexuelle Sinnlichkeit zu stimulieren, denn all unsere Sinnesgelüste dienen der Aufgabe, unsere Gattung zu erhalten.
Wenn wir einen Wunsch oder ein Bedürfnis befriedigt haben, spüren wir sehr schnell, dass diese Befriedigung uns nicht wirklich ausreicht, deswegen gehen wir wieder schnell auf Suche nach Neuem. Wir möchten ständig unseren Durst stillen, aber damit schaffen wir genau jene Kraft, die uns ins Verderben führt. Bildlich gesprochen verhalten wir uns wie ein Mensch, der durstig ist, jedoch Salzwasser trinkt und glaubt, er könne seinen Durst löschen.
Je mehr wir unseren Sinnesgelüsten nachgeben und je mehr wir unser Leben allein an deren Befriedigung ausrichten, desto mehr verlieren wir den Sinn für die Wirklichkeit (1). Wer in seinem Leben nur die Gelüste zu befriedigen sucht- so sagte einst Buddha- verhält sich so unrealistisch wie ein Mensch, der einen großen Kredit aufnimmt, aber gar nicht in der Lage ist diesen abzuzahlen.

Wenn wir durch unsere Sinne Impulse aufnehmen, die für uns angenehm sind, entwickeln wir ein angenehmes Gefühl. Da aber alles vergänglich ist, kann dieses wunderbare Gefühl nur kurz andauern und so jagen wir wie ein hungriger Geist durch die Welt. Als Praktizierende sollten wir aber unsere 5 Sinne mit voller Achtsamkeit wahrnehmen, um zu sehen, wohin wir gesteuert werden. Beispielsweise wird ein junger Mann, der immer nach jungen Frauen Ausschau hält, erkennen müssen, dass er ständig neue Stimulationen erzeugt und deswegen seine Gier gar nicht transformieren kann. Zwar glauben wir gerne, dass unsere 5 Sinne uns dienlich sind, aber oft trifft das Gegenteil zu, d.h. wir sind unseren Sinne dienlich. Dies erklärt sich daraus, dass wir nicht achtsam genug sind und deswegen gar nicht erkennen können, ob die sinnlichen Wahrnehmungen für uns schädlich sind oder nicht. Wir verwerten also all das, was uns die Sinne anbieten, ohne jeden Filter

Buddha erklärte, dass die 5 Sinneswahrnehmungen unsere Welt kreieren. Um nun aus dieser Illusionswelt auszubrechen, brauchen wir Standhaftigkeit. Diese können wir nur durch die Samatha -Methode erreichen, denn hierbei sind wir in uns zentriert, so dass die 5 Sinne nicht mehr auf uns einwirken. Gelingt es uns, die kurzzeitigen Gelüste zu überwinden, brauchen wir nicht mehr den angenehmen Impulsen hinterherzulaufen, statt dessen können wir innere Ruhe entwickeln um uns anzuschauen und um uns zu fragen, woher wir kommen. Wenn wir diese Frage beantworten können, ist es uns auch möglich, die Gier loszulassen

2. Wut (Pali Vyapade)

Wut bezieht sich auf Personen, Objekte oder Situationen. Der Wütende richtet sich mit seiner zerstörerischen Kraft gegen jene, die sein Wunschbild, seine Erwartungen zerstört haben. Wut kann sich allerdings auch nach innen richten, nämlich dann, wenn diese durch Minderwertigkeits- oder Schuldgefühle erzeugt wird. Schließlich könnte ein Praktizierender die Wut auch auf das Geistesobjekt seiner Meditation projezieren, weil er den Eindruck hat, dass dieses Objekt ihn in seiner spirituellen Entwicklung nicht voranbringt (2).
Für seine Wut hat der Wütende immer eine Erklärung, denn er fühlt sich absolut im Recht, es ist aus seiner Sicht immer der andere, der Unrecht hat (3). Das Energiepotential der Wut ist sehr hoch, der Wütende nutzt sie, um sich über sie zu definieren und nach außen deutlich zu machen, wer er ist.

Folgt man den Worten Buddhas, so ist Wut eine Art Krankheit und so wie Krankheit uns an der Erfahrung von Freiheit und der Glücksseligkeit hindert, so hindert uns Wut an der Erfahrung des Glücks und der inneren Zufriedenheit.
Wenn uns jemand Leid zufügt, würde man normalerweise fragen, warum tut er gerade mir das an? Ein Praktizierender sollte aber anders fragen, nämlich, warum gehe ich ausgerechnet bei dieser Person und in dieser Situation in Resonanz? Wenn wir einen solchen Perspektivenwechsel vornehmen, ist Wut eine große Chance, denn wir können unsere eigenen Fehler entdecken. Praktizieren wir nun gleichzeitig liebende Güte, so entwickeln wir Mitgefühl für uns selbst, was dazu führt, dass wir uns auch verzeihen können. Eigene Schwächen annehmen und sich selbst verzeihen können ist wiederum Voraussetzung dafür, dass wir auch anderen gegenüber Barmherzigkeit üben und ihnen verzeihen können. Wir sehen, die Praxis der liebenden Güte ist ein probates Mittel gegen die Wut.

Wenn wir in der Meditation ständig Wut in uns spüren, so können wir weder innere Gelassenheit noch Frieden entwickeln, was bedeutet, dass unsere Praxis nicht zu den erhofften Ergebnissen führt und wenig Sinn macht. Um davon loszukommen, uns auch in der Meditation noch mit unsere Wut beschäftigen zu müssen, sollten wir unsere Aufmerksamkeit bewusst auf den Atem richten. Wir können uns dabei deutlich machen, dass der Atem uns nichts getan, wir atmen ein und sagen uns, dass der Atem uns am Leben erhält, wir atmen aus und sagen uns, dass der Atem unsere Praxis unterstützt.

Der Wütende sollte verstehen, dass nur er selbst für sein Wohlbefinden verantwortlich ist, dies beinhaltet dann, dass er lernt, seine Defizite zu akzeptieren. Er kann dann erkennen, welche Wunschbilder er selbst kreiert hat, mit welchen Mitteln er seine Konzepte aufrechterhält und welche Verteidigungsmittel er anwendet, wenn er befürchten muss, dass diese Illusion zerstört wird.

3. Trägheit (Pali Thina-Middha)

Trägheitsenergie liegt schwer in unserem physischen Körper und in unserem Geist und bewirkt deswegen einen Zustand von Dösigkeit und Frustration. Wenn ein Meditierender in Trägheit verfällt, hat er das Gefühl, er werde gleich auseinanderfallen, er spürt Schwäche und im schlimmsten Fall empfindet er das Bedürfnis sich hinzulegen und zu schlafen. Trägheit kann in der Meditation zu einer Gewohnheit werden, die ständig in der meditativen Praxis wiederkehrt.
Trägheit existiert in jedem von uns, wenn wir nun aber zulassen, dass wir auf Grund der Trägheit nicht mehr recht erkennen, was wir tun und was wir wahrnehmen, wird sich völlige Dumpfheit über unseren Geist ausbreiten und unser analytisches Denken weitgehend benebeln. Buddha erklärte mit Hilfe eines Bildes, der Zustand von Trägheit entspricht der Situation eines Menschen, der in einer Dunkelkammer verbleibt, wiewohl draußen die Sonne scheint.
Unser Bewußtsein hat eigentlich die Aufgabe, Impulse aufzunehmen oder Befehle zu geben, Trägheitsenergie führt hingegen dazu, dass das Bewusstsein uns an die Realität bindet.

Um unsere Trägheit zu überwinden, sollten wir unsere Bemühungen verstärken, diese Möglichkeit haben wir immer, nur wir nehmen sie nicht immer wahr. Wenn wir träge sind, sollten wir uns kleine Ziele im Alltag setzen. Vollziehen wir dann diese kleinen geplanten Schritte, spüren wir, dass wir mehr Kraft haben, als wir glaubten. Dies verschafft uns wiederum die Motivation weiterzugehen. Wenn wir uns zudem im Alltag mehr auf das Positive konzentrieren, können wir unsere Motivation steigern, um neue Impulse zu setzen. Generell ist die Entwicklung von Neugierverhalten förderlich, denn auf diese Weise lassen sich neue Ansichten entdecken, die uns auch zum Praktizieren anregen.

4. Rastlosigkkeit (Pali Uddhacca-Kukkucca)

Ein Mensch, der nie Ruhe findet und nie zufrieden sein kann- unabhängig davon, wo er sich aufhält – ist rastlos. Rastlosigkeit ist eine Energie, die dazu führt, ständig nach Fehlern in uns zu suchen, weswegen wir nie mit dem zufrieden sind, was wir haben. In der Folge richten wir uns nach Außen, in der Hoffnung, dort die Perfektion zu finden oder zu erreichen, wobei die angezielte Perfektion aus unserem Blickwinkel niemals in der nahen Zukunft liegen kann. Da wir nun befürchten, in der gegebenen Zeit das angestrebte Ziel nicht erreichen zu können, verspüren wir immer das Bedürfnis zu rennen. Buddha vergleicht den Rastlosen mit einem Sklaven, der tagein tagaus um seinen Herrn herumspringt und sich selbst niemals Ruhe gönnt.
Da die jeweils gerade zu vollziehende Aufgabe uns keine Zufriedenheit geben kann, denken wir bei deren Erledigung schon an die nächste Aufgabe. Entsprechend sind wir bei der Gehmeditation innerlich eher unruhig und versuchen diese Aufgabe so schnell wie möglich zu beenden.

Bedauern und Schuldgefühle sind unsere ständigen Begleiter, sie ergeben sich als karmische Folgen aus unserem vorausgehenden unheilsamen Verhalten. Nachdem wir Menschen attackiert, beleidigt oder auseinandergenommen haben – Typik des Rastlosen – , bereuen wir nach kurzer Zeit unser Verhalten und fühlen uns schuldig. Dieses Schuldgefühl versuchen wir nun wiederum mit aller Gewalt aus uns herauszureißen, wodurch wir eine gewaltige innere Aggression entwickeln, zum einen gegen uns selbst und zum andern gegen unsere Umwelt.

Für den Meditierenden bedeutet Rastlosigkeit höchste Gefahr. In der Samdhi- Praxis ist die rastlose Person angestrengt und versucht, vorher gefasste Erwartungen aufrechtzuerhalten. Sie erkennt nur sehr schwer, dass der Erfolg sich erst dann einstellt, wenn man entspannt ist und das Bewusstsein erwartungslos auf das Objekt ausgerichtet ist. Da der Rastlose in seiner Samadhi-Praxis mit allen Mitteln so schnell wie möglich alle Stufen erreichen will, kann er nichtunterscheiden, was Teil der wirklichen Praxis ist was nur Projektion darstellt; folglich erzeugt er illusionäre Jhanas. Weil aber das Bild in seinen Jhanas nur eine Illusion ist, kann er keine Konzentration aufbauen, denn das von ihm erzeugte Bild ist ständig in Bewegung.

Die rastlose Person soll lernen, alles so zu akzeptieren, wie es ist und mit wenig zufrieden zu sein. Dadurch kann sie sich davon befreien, ständig nach Fehlern suchen zu müssen. Wenn sich Genügsamkeit einstellt, kann sie auch noch am Geringsten ihre Freude zu haben. Da nicht das „mehr und mehr“ Glückseeligkeit verschafft, ist es wichtig, die Dankbarkeit in jedem Augenblick der Gegenwart zu spüren (4).
Rastlose müssen strenge Disziplin entwickeln und ihr Leben ordnen (5). Gehmeditation ist zunächst eine gute Methode um Bodenhaftung und Beständigkeit zu entwickeln

5. Mißtrauen (Pali Vicikiccha)

Der Misstrauische stellt ständig seine Fähigkeiten und Handlungen in Frage, was dazu führt, dass er sich selbst verwirrt und keine innere Ruhe finden kann. Zwar versucht er immer wieder Klarheit zu gewinnen, indem er sich Orientierungslinien sucht, aber durch das ständige Hinterfragen bewegt er sich eigentlich nur im Kreis. Die misstrauische Person stellt jedoch nicht nur sich selbst, sondern auch die Personen ihrer nächsten Umgebung in Frage, sie ist geradezu geschickt darin, die Fehler der anderen herauszufinden, um diese dann anzuprangern

Wir versuchen auf dem spirituellen Weg den perfekten Meister zu finden, aber kaum sind wir überzeugt, den richtigen Meister gefunden zu haben, verliert er durch unsere Wahrnehmung, die zwanghaft von Misstrauen geprägt ist, den besonderen Wert. Wir stellen uns nun die Frage, ob wir wirklich den richtigen Meister gefunden haben und ob die Methode, die er anwendet, wohl wirklich die richtige ist. Sobald wir dann Probleme mit uns selbst haben oder sobald unsere Praxis uns Probleme bereitet, kritisieren wir den Meister; so greifen wir beispielsweise den Meister an, indem wir anderen gegenüber seine Unvollkommenheiten hervorheben (6). Ziel unseres Vorgehens ist dabei letztlich, uns eine Rechtfertigung dafür zu schaffen, dass wir mit unserer Praxis keine Fortschritte machen, nicht wir, sondern der Meister ist schuld ! Allgemein gesprochen heißt das, dass wir unsere Verantwortung an andere abgeben und von anderen fordern, dass sie unsere Probleme aus der Welt zu schaffen haben.
Die Situation eines misstrauischen Menschen ist der eines Menschen vergleichbar, der sich in der Wüste verirrt hat, er hungert, dürstet und ist völlig orientierungslos. Zwar sehnt sich der Misstrauische nach Menschen und Gruppen, aber er ist nicht in der Lage sich wirklich auf Beziehungen einzulassen,
deswegen bleibt er auch letzendlich lieber in der Wüste.

Von all den aufgeführten Hindernissen ist Misstrauen für den Praktizierenden die größte Barriere, sie ist wirklich nur mit sehr viel Geduld und sehr viel Zeit transformierbar. Misstrauische Menschen benötigen Abstand von allem, damit sie überhaupt merken, dass ihr Problem von innen kommt und sie diese nicht anderen anzulasten haben, noch erwarten können, dass diese sich ihres Problems anzunehmen haben. Sie werden lange Zeit Dialoge mit sich selbst führen und ihr Vorgehen zu rechtfertigen suchen. Aber schließlich werden sie sich begegnen und mit sich selbst auseinandersetzen müssen. Sie werden dann erkennen, dass sie tief in ihrem Herzen Angst haben, verletzt zu werden. Um die Angst vor Verletzungen abzubauen und das Misstrauen überwinden zu können, sollten sie innere Festigkeit entwickeln (7), dies kann aber nur gelingen, wenn sie sich ihre Fehler eingestehen.

Anmerkung
(1) Missbrauch in der Familie lässt sich zum Beispiel genau durch einen solchen Realitätsverlust erklären
(2) Gerade dann, wenn ein Meister das treffende Geistesobjekt für den Meditierenden ausgewählt hat, kann es zum Ausbruch von extremen Wutatacken kommen.
(3) „Du hast nicht das Recht mir das zu sagen,“, kann die Parole eines Wütenden lauten.
(4) Was heißt eigentlich Dankbarkeit? Man freut sich über das, was man bekommt. Wenn man wahrnimmt, wie reichlich man beschenkt wird, muss man nicht immer nach Fehlern anderer suchen.
(5) ) Dies fängt bereits damit an, dass sie ihre persönlichen Sachen sortieren.
(6) Je misstrauischer jemand ist, desto zerstörerischer wirkt er. Eine misstrauische Person versucht in ihrer Tendenz anderen die Schuld zuzuweisen, diesen über lange Zeit Schmerzen zuzufügen.
(7) Meditation ist dabei ein wichtiges Mittel