Die fünf Achtsamkeitsübungen nach Zenmeister Thich Nhat Hanh
Wir haben gesehen, es gibt unterschiedliche Möglichkeiten, um das Prinzip der Achtsamkeit in unserem Alltag umzusetzen. Zenmeister Thich Nhat Hanh hat die Verwirklichung eines achtsamen Lebens in seiner Gemeinschaft in Plum Village perfektioniert. Die dort lebenden Laien, Mönche und Nonnen gestalten ihren Alltag auf der Grundlage der so genannten fünf Achtsamkeitsübungen (siehe unten). Inhaltlich basieren sie auf den fünf Silas, den „Basisgelübden“, die man bei der buddhistischen Zufluchtnahme (buddhistisches Glaubensbekenntnis) übernimmt.
Jede der fünf Übungen hat eine individuelle und eine gesellschaftliche Dimension: übe ich für mich selbst Achtsamkeit in bestimmten Bereichen meines alltäglichen Lebens, wird sich dies entsprechend positiv gestaltend auf meine Umgebung auswirken.
1. Achtsamkeitsübung
Im Bewusstsein des Leids, das durch die Zerstörung von Leben entsteht, gelobe ich, Mitgefühl zu entwickeln und Wege zu erlernen, um das Leben von Menschen, Tieren, Pflanzen und Mineralien zu schützen. Ich bin entschlossen, nicht zu töten, das Töten durch andere zu verhindern und keine Form des Tötens zu dulden, sei es auf der Welt, in meinen Gedanken oder in meiner Lebensweise.
2. Achtsamkeitsübung
Im Bewusstsein des Leids, das durch Ausbeutung, soziale Ungerechtigkeit, Diebstahl und Unterdrückung entsteht, gelobe ich, liebevolle Güte zu entwickeln und Wege zu erlenen, die zum Wohlergehen der Menschen, Tiere, Pflanzen und Mineralien beitragen. Ich gelobe Großzügigkeiten zu üben, indem ich meine Zeit, Energie und materiellen Mittel mit denen teile, die sie wirklich brauchen. Ich bin entschlossen, nicht zu stehlen und mir nichts anzueignen, was anderen zusteht. Ich will das Eigentum anderer achten, aber auch andere davon abhalten, sich an menschlichem Leiden oder am Leiden anderer Lebensformen auf der Erde zu bereichern.
3. Achtsamkeitsübung
Im Bewusstsein des Leids, das durch sexuelles Fehlverhalten entsteht, gelobe ich, Verantwortungsgefühl zu entwickeln und Wege zu erlernen, die Sicherheit und Integrität von Individuen, Paaren, Familien und der Gesellschaft zu schützen. Ich bin entschlossen, keine sexuellen Beziehungen einzugehen, die nicht von Liebe und der Bereitschaft zu langfristigem Zusammensein getragen sind. Ich bin entschlossen, meine Bindungen und die Bindungen anderer zu respektieren, um unser aller Glück zu erhalten. Ich will alles tun, was in meiner Macht steht, um Kinder vor sexuellem Missbrauch zu schützen und verhindern, dass Paare und Familien durch sexuelles Fehlverhalten auseinander brechen.
4. Achtsamkeitsübung
Im Bewusstsein des Leids, das durch unachtsame Rede und aus der Unfähigkeit, anderen zuzuhören, entsteht, gelobe ich, liebevolles Sprechen und tief mitfühlendes Zuhören zu entwickeln, um meinen Mitmenschen Freude und Glück zu bereiten und ihr Leid lindern zu helfen. In dem Wissen, dass Worte sowohl Glück als auch Leid hervorrufen können, gelobe ich, wahrhaftig und einfühlsam reden zu lernen und Worte zu gebrauchen, die Selbstvertrauen, Freude und Hoffnung fördern. Ich bin entschlossen, keine Neuigkeiten zu verbreiten, bevor ich nicht sicher bin, dass sie der Wahrheit entsprechen, und nichts zu kritisieren oder zu verurteilen, worüber ich nichts Genaues weiß. Ich will keine Worte gebrauchen, die Uneinigkeit oder Zwietracht säen oder zum Zerbrechen von Familien und Gemeinschaften beitragen können. Ich will mich stets um Versöhnung und um die Lösung aller Konflikte bemühen, so klein sie auch immer sein mögen.
5. Achtsamkeitsübung
Im Bewusstsein des Leids, das durch unachtsamen Umgang mit Konsumgütern entsteht, gelobe ich, für mich selbst, meine Familie und die Gesellschaft auf körperliche und geistige Gesundheit zu achten, indem ich achtsames Essen, Trinken und Konsumieren übe. Ich will nur das zu mir nehmen, was das Wohl und den Frieden meines Körpers und meines Geistes fördert und was ebenso der kollektiven körperlichen und geistigen Gesundheit meiner Familie und der Gesellschaft dient. Ich bin entschlossen, auf Alkohol oder andere Rauschmittel zu verzichten und keine Nahrungsmittel oder andere Dinge zu konsumieren, die mir schaden könnten, wie z.B. bestimmte Fernsehprogramme, Zeitschriften, Bücher, Filme und Gespräche. Ich bin mir bewusst, dass ich meinen Vorfahren, Eltern, der Gesellschaft und künftigen Generationen Unrecht tue, wenn ich meinen Körper und meinen Geist solch schädigenden Einflüssen aussetze. Ich will daran arbeiten, Gewalt, Angst, Ärger und Verwirrung in mir selbst und in der Gesellschaft zu transformieren, indem ich eine maßvolle Lebensweise übe. Mir ist bewusst, dass eine maßvolle Lebensweise entscheidend ist, für meine eigene Veränderung und die Veränderung der Gesellschaft.
(Quelle: Thich Nhat Hanh „Jeden Augenblick genießen“, Seiten 125-127)
Ich habe Schwierigkeiten die erste bzw. auch die zweite Achtsamkeitsübung im Alltag einzusetzen.
Zu einem aus Gewohnheit, weil ich es nicht gut hinbekomme mich vegan zu ernähren. Zum anderen ist in mir ein Gefühl von Mangel, mit dem ich nicht recht umgehen kann und daher sehr wenig Großzügigkeit in meinem Leben praktiziere.
Können Sie mir weiterhelfen und einen Rat dazu geben aus diesen beiden Gewohnheiten herauszutreten?
mfg
May
Hallo May,
zur ersten Achtsamkeitsübung:
Wenn du es nicht schaffst, vegan zu essen, dann kannst du auch weiterhin Milchprodukte zu dir nehmen, ohne dass du dabei etwas “falsch” machst. Die Achtsamkeitsübungen sind ja dazu da, um mehr Achtsamkeit, Dankbarkeit und Sorgfalt in unsere alltäglichen Handlungen und Gedanken zu bringen. Du könntest weiterhin Milchprodukte zu dir nehmen und gleichzeitig ein tiefes Gefühl von Dankbarkeit in dir entwickeln: Ein Tier hat mir diese Nahrung ermöglicht, hat etwas von sich gegeben, damit ich meinen Hunger stillen kann. Versuche es nicht zu verurteilen, dass du die vegane Lebensweise nicht bewältigen kannst, sondern versuche das, was du kannst wertzuschätzen und mit einem Gefühl der Dankbarkeit zu leben. Sobald du ein wenig stabiler wirst, kannst du ja einige Tage in der Woche vegan leben. Man muss in vielen Dingen erst einmal langsam Erfahrungen sammeln, bevor man sie wirklich stabil und langfristig leben kann. Wenn du dann einige Tage die Woche vegan leben kannst, wird es sich einfacher ausweiten lassen.
Und zur zweiten Achtsamkeitsübung:
Großzügigkeit muss nicht nur materielle Geben sein. Man kann Menschen Zeit schenken, ein offenes Ohr schenken, Anwesenheit schenken. Wenn du jemandem hilfst, hast du Hilfe geschenkt. Sobald du jemanden ein warmes Lächeln schenkst, hast du Liebe oder Akzeptanz geschenkt. Man kann soviel geben und die materiellen Dinge sind dabei nur ein kleiner Teil. Egal wieviel materielle Besitztümer man verschenken kann – manchmal sind es viel kleinere und feinere Dinge wie ein Lächeln oder ein offenes Ohr, die Menschen glücklich machen können.
Was uns auch bei den Achtsamkeitsübungen oft auffällt ist: Sie sind so weitgefasst, wenn man das alles einhalten könnte, wäre man ja schon halb erleuchtet! Viele fühlen sich überfordert und sehen schnell, was sie alles NICHT einhalten oder umsetzen können. Daher auch ein Rat: Schau nicht nur nach deinen Fehlern oder Unzulänglichkeiten, sondern betrachte auch, was du bereits schaffst. Wenn du siehst, wieviele Gewohnheiten du bereits neu entwickelt hast und wieviele schlechte Muster du durchbrochen hast oder immer wieder überwindest, dann kann dir das die Motivation geben, weiter zu machen…Ich wünsche dir auf deinem Weg alles Gute, viel Kraft und ein warmes Herz…
Gibt es eine Gruppe die In Bonn Praktiziert und wo ich auch praktizieren kannn?
Gerne an die mail oder 0228 – 8863493
Hier gibt es einige Auswahlmöglichkeiten: http://www.bhsg.uni-bonn.de/bonnergru.html
Vielleicht findest du dort, was du suchst.
Alles Liebe
Admin
Zur ersten Achtsamkeitsübung eine Frage:
Ich mache Selbstverteidigungstraining, daß im Notfall mein Leben retten soll. Dabei werden Techniken geübt, die in einem Ernstfall den Angreifer sehr stark schädigen.
Wie ist das, wenn man angegriffen wird? Wie ist das, wenn der Angreifer dabei (im schlimmsten Fall) getötet wird?
Gibt es hier Ausnahmen, wenn der Leib und das Leben vom Menschen selbst und seinen Lieben bedroht wird?
Danke!
Hier habe ich eine Website, die sich unter anderem damit beschäftigt: http://www.buddhanet.net/cmdsg/getting7.htm
“In the unlikely event that killing is absolutely inevitable, it may be advisable to note the obvious distinction between killing out of cruelty and killing out of necessity. A person who goes out fishing for pleasure is cruel. While he may love children or make big donations for charitable institutions, as far as spirituality is concerned his mind is not refined enough to be sensitive to the pain and suffering of the poor creatures living in the river. A man who hunts for a living does so because it is necessary to maintain himself and his family. It would seem quite understandable that in the latter case the unwholesome effects would likely be much lighter than the former. The same thing is true in the case of killing for self defense. Killing dangerous animals, vermin, and insects accrues less kammically unwholesome consequences than killing a human being or an animal that serves man (such as a horse, a dog, or an elephant).”
Die Kraft oder das Gewicht eines karmischen Abdrucks, den du bei Handlungen, Sprache und Gedanken hinterlässt, hängt entscheidend von deiner Motivation und deiner Intention ab. Verteidigung hat ja als Motivation Schutz und nicht die Intention von Töten, Angreifen und Verletzen. Das ist ein deutlicher Unterschied. Ich wünsche dir allerdings, dass du deine Kampfkünste niemals anwenden musst und dass selbst bei Konflikten oder Ähnlichem es immer zu einer friedlichen Lösung kommt!
Alles Liebe und Gute
Admin
Hallo Leute!
Ich meditiere auch seit lange schon,und Achtsamkeit,Yoga,Aut.Trainig usw. sind auch nicht neu für mich. Aber was ich hier gelesen habe,ist zwar schön ,aber… na ja ,so kann man heuzutage leider nicht leben!!!
LG
K.