Dharma of the Week

Videoblog: Ökumenischer Kirchentag – Religion als Wasser für die Welt

Im Rahmen des Podiumgesprächs „Kann das Christentum lebendiges Wasser für die Welt sein?” auf dem 2. Ökumenischen Kirchentag in München diskutierten VertreterInnen verschiedener Konfessionen, u.a. Zen-Meister Thich Thien Son, über die Rolle der Religion für den Einzelnen und für die Gesellschaft in einer Welt, die nach wie vor von Dualitäten wie arm und reich, schwarz und weiß, bestimmt wird. Der Videoblog besteht aus Teil 1, Teil 2 und Teil 3.

Teil 1

Teil 2

Teil 3

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Mönche, Politik und Gesellschaft

Neulich stellte mir ein Thai Mönch, sein Name vereinfacht der Ehrw. Andy, Fragen für ein Studienprojekt – er studiert in London. Ich dachte mir, ich könnte meine Antworten hier im Blog mit euch teilen. Ich möchte aber betonen, dass dies meine persönlichen Ansichten sind und diese daher nicht unbedingt dieselben der Pagode oder der buddhistischen Gemeinschaft weltweit sind. Viel Spaß beim Lesen. Bruder Hue Chuyen
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hue chuyenLieber Ehrwürdiger,
Ich werde mein Bestes tun, dir mit deinen Fragen behilflich zu sein. Ich hoffe, meine Antworten sind hilfreich genug für deine Zwecke.

Frage 1: Menschen kommen zu buddhistischen Tempeln mit unterschiedlichen politischen Ansichten und sogar unterschiedlichem Glauben. Wie sollen wir als Mönche am besten Position beziehen und uns verhalten, sodass wir die Menschen in ihren politischen Ansichten und Gedanken nicht beeinflussen?

Ich sehe kein Problem darin, die politische Ansichten von Personen mit denen ich in Kontakt stehe zu beeinflussen. Denn politische Einstellungen sind Ausdrücke der inneren Moralvorstellungen, Ideale kann man sagen. Ich sehe es als meinen Job an, als buddhistischer Mönch anderen Personen zu helfen, einen mitfühlenderen und wohltätigeren Weg zu Leben zu entdecken. Moralvorstellungen und Ideale verändern sich, sobald man tiefere Einsichten in sich selbst erlangt hat. Zum Beispiel mag jemand tiefen, starken inneren Schmerz spüren und daher nach außen aggressive Tendenzen zeigen. Vielleicht hat dann solch ein Mensch politische Ansichten, die Krieg und das damit verbundene Töten tolerieren. Wenn ein solcher Mensch in einen Tempel geht, mit einem Mönch spricht oder einem Dharma Talk zuhört, kann es sein, dass er sich selbst besser versteht. Man erkennt den eigenen Schmerz und weiß, wie er zu heilen ist. Vielleicht sehen Menschen nach einer solchen Erfahrung alle Menschen als gleich an, nicht als gut oder schlecht. Und daher würden solche Menschen Politiker unterstützen, die Krieg versuchen zu verhindern und internationalen Streit zu schlichten. Das wäre dann ein Beispiel dafür, wie eine Person ihre politischen Ansichten nach dem Kontakt mit uns neu orientiert.

Frage 2: Was sind die existierenden Lehren in deiner Praxis, die einen hohen moralischen Standard für Politiker darstellen können?

Der erste Schritt auf dem buddhistischen Weg ist es, Tugenden und ethische Stabilität zu entwickeln: Die Basis buddhistischer Praxis bilden hierbei die 5 Silas – welche auch die 5 Achtsamkeitsübungen genannt werden. Die Übungen sind:

1. Nicht töten / Leben beschützen
2. Nicht stehlen / Eigentum respektieren
3. Kein sexuelles Fehlverhalten / Sexuelle Verantwortung
4. Nicht lügen / ehrliche Kommunikation
5. Keine Drogen oder Alkohol konsumieren / Achtsamer Konsum

Diese Übungen wurden ursprünglich nur in der negativen Form beschrieben: Nicht töten. Nicht stehlen usw. Sobald wir jedoch aufhören zu töten, steigt in uns wahrscheinlich auch die gegenteilige Seite des Tötens auf und wir beginnen, bewusst Leben zu beschützen und zu respektieren. Durch unsere Praxis wird es uns die Verbundenheit aller Dinge bewusst. Wir sehen, dass all unsere Handlunge Resultate haben und diese Resultate uns beeinflussen. Wenn wir achtsamer mit dieser Tatsache umgehen, wird es automatisch schwieriger für uns, externen Schaden anzurichten – denn wir wissen, dass wir uns dadurch selbst schaden. Ein persönliches Beispiel: Ich saugte einst mein Zimmer. Als ich fertig war, sah ich, dass der Gang vor dem Zimmer und sogar die Nachbarzimmer meiner Brüdermönche staubig und dreckig waren. Obgleich ich eigentlich nur mein Zimmer säubern wollte, wusste ich: Sobald die anderen mein Zimmer betreten, tragen sie den Dreck in mein Zimmer hinein. Die Zimmer der anderen auch zu saugen, war die beste Methode, das eigene Zimmer vor weiterer Verschmutzung zu bewahren. Ich hoffe, du verstehst, was ich meine.

Frage 3: Sollten Mönche sich an politischen Angelegenheiten beteiligen?

Diese Frage ist für mich nicht so Schwarz und Weiß. Ich sehe dort kein „sollte“ oder „sollte nicht“. Nichts ist absolut. Es gibt viele Faktoren, die zu berücksichtigen sind, wenn man diese Frage beantworten will. Zuerst würde ich fragen: Was ist das Ziel des Mönches? Wenn er die Befreiung erlangen möchte, würde ich ihn ermutigen die Lehren zu studieren, zu praktizieren und zu meditieren. Ich würde ihn nicht dazu ermuten, seine Zeit und Energie politischen Angelegenheiten zu widmen. Will der Mönch sich in sozialen Angelegenheiten engagieren, dann würde ich erwägen, ihm nahe zu legen auch die politischen Angelegenheiten zu berücksichtigen und zu untersuchen. Ich persönlich glaube, dass Mönche einen sehr hohen moralischen Standard besitzen und sich weniger um die 8 Winde kümmern (Gewinn/ Verlust, Wohlgefühl/ Schmerz, Ruhm/ Verruf, Lob/ Schuld). Es gibt viele Beispiele von Mönchen wie dem Ehrw. Thich Nhat Hanh und SH XIV Dalai Lama, welche sozial sehr aktiv sind und unglaubliche öffentliche Unterstützung erhalten, die aus der Tiefe ihres Verständnisses und der Reinheit ihrer Herzen heraus resultieren. Mönche agieren als Vorbilder für andere Menschen und ich glaube, dass Menschen vielen Wesen helfen können, wenn sie in einer Position, in der sie gesehen werden und Entscheidungen treffen können. Ich wünsche mir dann natürlich auch, dass ihre Praxis weiterhin stark genug ist, diese Wünsche und Ziele zu unterstützen.

Frage 4: Wie könntest du etwas zur Lösung eines politischen Konfliktes beitragen, der Auswirkungen auf deinen Tempel und deine Tradition hat?

Das ist ein uraltes Problem, das viele, viele Mönche seit Urzeiten bewältigen müssen. Wir Mönche haben einerseits gesellschaftliche/ soziale Entsagung praktiziert, sind aber trotzdem gewissermaßen immer noch ein Teil der Gesellschaft. Die Proteste der Mönche in Burma und Tibet sind Beispiele dafür, wie Mönche versuchten, soziale Probleme zu korrigieren. Wir können auch gut mit der Gesellschaft kommunizieren, indem wir tiefes Vertrauen in die Mitglieder der Gesellschaft haben. Der Ehrw. Thich Nhat Hanh engagierte sich sehr stark dafür, eine soziale Lösung der Vietnamkriegsfrage herbeizuführen – während und nach dem Krieg. Er schrieb Bücher, gründete Gruppen, gab Vorträge, informierte Andere über die Situation in Vietnam und lehrte Verständnis unter den Menschen – dadurch erlangte er Unterstützung für diese Sache. Manchmal sind Mönche damit erfolgreich, manchmal nicht. Aber ich würde sagen, es ist sehr wichtig für Mönche, ihre Praxis weiter zu verfolgen, besonders in schwierigen Zeiten. Denn wie wir sagten: Unsere Handlungen beeinflussen alle um uns herum. Wenn wir in Hass und Übelwollen verfallen, helfen wir uns selbst nicht und anderen ebenso wenig. Mit einem starken Geist und einer altruistischen Motivation können wir viele Dinge tun und großen Einfluss bekommen. Was allerdings letztlich aus diesen Handlungen entsteht, ist unser Karma.

Frohes Neues Jahr, Bruder – und viel Erfolg mit deiner Studienarbeit.
In Dharma
Bruder Hue Chuyen

Du / Ich

world_sunlight_map_rectangularÖffne dein Fenster und lasse eine frische Brise hereinwehen. Lass sie einfach hereinkommen…

Du bist hier. Wirklich. Nimm dir einen Moment, das zu überprüfen. Ernsthaf. Atme tief ein, fühle deinen Körper hier sitzen, den Stuhl. Veriss nicht – du bist hier, als du. Ein Universum, gemacht aus Raum und Galaxien. Galaxien, gemacht aus Raum und Solarsystemen. Du bist eine Person, du weißt das. Du bist auch ein Säugetier. Ein Tier. Du bist ein lebendiges Ding. Genau jetzt kannst du deinen Atem fühlen, dein Herz klopfen spüren. Dein Körper ist relativ warm. Fühle das.

Solarsysteme, entstanden durch Raum und Sonnen. Sonnen, gemacht aus Raum und Gas.

Du bist ein Körper, der hier sitzt. Dieser Körper wurde von deinen Eltern geschaffen. Er wuchs, da du Nährstoffe und Flüssigkeiten zu dir nahmst. Diese verarbeitete der Körper oder schied sie aus. Pflanzen tragen in sich die Energie der Sonne. Wir essen diese Pflanzen und nehmen die Energie für uns auf. Die Kraft der Sonne ist gespeichert in unserem Essen. Essen tritt ein und aus. Hitze tritt ein und aus. Wasser tritt ein und aus. Luft tritt ein und aus. Wir atmen immer noch.

Gas, gemacht aus Raum und Molekülen. Moleküle, gemacht aus Raum und Atomen.

Du bist auch ein Name, eine Person. Du hast eine Rolle, einen Beruf. Du bist ein Familienmitglied. Du bist das Kind zweier Elternteile, die dich schufen. Vielleicht hast du Geschwister, oder gar selbst Kinder. Du bist mancher Menschen Freund und manche Menschen haben dich noch nicht kennenlernen können. Du hast einen Platz im sozialen Raum der Welt.

Atome, gemacht aus Raum und Partikeln. Partikel, gemacht aus Raum und Enerie.

Wie kamst du dort hin? Wo kamst du her? Wohin wirst du gehen? Was hast du heute gemacht? Was wirst du morgen tun? Was passiert gerade? Wer hat deine Kleidung angefertigt? Wer hat dieses Haus gebaut? Wie lange wird es noch stehen? Wok amen die Teile her? Und wo gehen sie hin, wenn das Haus zerstört ist?

Energie, gemacht aus Raum und Bedingungen. Bedingungen, gemacht aus Raum und Kräften.

Du bist auch Gedanken. Du denkst gerade jetzt, nicht wahr? Diese Worte hier, sind jetzt in deinem Kopf, nicht wahr? Deine Augen nehmen diese Buchstaben und Wörter auf und dein Gehirn übersetzt sie in die Sprache, die du verstehst. Du trägst auch die Kräfte und Impulse deiner Schulerziehung in dir – hier wurde dir beigebracht, wie man eben diese Buchstabend und Wörter liest und schreibt.

Kräfte, gemacht aus Raum und Bewegung. Bewegung, gemacht aus Raum und Zeit.

Du bist auch ein Moment in der Zeit. Du bist hier jetzt. Vor 100 Jahren warst du noch nicht hier und du wirst nicht mehr sein nach weiteren 100 Jahren. Du, genau jetzt, sitzt hier, diesen Text lesend. Nur jetzt, so wie es ist. Jetzt ist ein vergehender Moment. Bald wirst du fertig sein und dich daran machen, etwas anderes zu tun. Du stehst vielleicht auf und gehst irgendwo hin und das hier wird fort sein. Wohin wird es gehen? In das Loch der Vergangenheit.

Zeit, gemacht aus Raum und Verhältnis. Verhältnis, gemacht aus Raum und Vergleich.

Wir haben Emotionen. Wir fühlen uns fröhlich, entspannt, in Frieden. Wir fühlen Ärger. Wir fühlen Angst. Wir hören etwas und denken, wir seien in Gefahr. Der Bauch spannt sich an. Das Herz schlägt schneller. Die Handflächen warden feucht. Der Körper reagiert auf die Wahrnehmung. Die Wahrnehmung kommt durch die Ideen von Ich, Gefahr, Schmerz, Leben, Tot, Hilfe, Sicherheit. Wir fühlen den angespannten Bauch und denken an Gefahr. Körperreaktion plus Gedanke ist gleich Emotion. Emotion besteht aus Teilen. Die Teile sind Emotion. Eine Gruppe besteht aus Teilen. Ohne die Teile ist dort keine Gruppe.

Vergleich, gemacht aus Raum und Dualität. Dualität, gemacht aus Raum und Geist.

Wir sehen, hören, fühlen, wir wissen. Ich bin dies, ich bin das. Ich bin nicht dies, ich bin nicht das. Der Apfel ist nicht Ich, er ist ein Apfel. Aber wenn ich den Apfel esse, ist der Apfel Ich. Der Apfel kommt vom Baum. Der Baum kommt von einem Kern. Der Kern kommt von einem Baum. Ich bin der Apfel, ich bin der Baum. Ich bin dies, ich bin nicht das. Ich bin nicht dies? Ich bin nicht das?

Geist, gemacht aus Raum und Universum. Universum, gemacht aus Raum und Geist.

Ich bin dies, dies ist Ich. Ich bin das, das ist Ich.
Was ich bin, bin ich nicht. Was ich nicht bin, bin ich auch.
Ich bin alles, ich bin nicht. Nicht bin ich, nicht bin ich nicht.
Etwas, nichts. Nichts, etwas.

Einatmen, ausatmen. Einatmen, ausatmen.
Ein, aus, ein, aus

Los geht’s – Lass los – Los geht’s – Lass los – Los geht’s – Lass los

Breathe in, Breathe out. Breathing in, Breathing out.
In, Out, In, Out

-bruder hue chuyen