Ist Dein Glas halbvoll oder halbleer?
Zählst Du auch zu den Menschen, die das halbgefüllte Glas Wasser als „halbleer” und nicht als „halbvoll” bezeichnen? Oder zu den Zeitgenossen, deren Blick direkt auf die eine Wolke inmitten des blauen Himmels fällt? Keine Sorge – damit bist Du nicht allein! Nicht umsonst wird oft gesagt: „Der Mensch ist ein Gewohnheitstier.”
Und eine typisch menschliche Gewohnheit ist es, dass wir aus dem bunten Korb aller Wahrnehmungsmöglichkeiten gezielt das herauspicken, was wir als „negativ”, unangenehm und störend empfinden. Unsere Brille ist in der Regel alles andere als rosarot. Der Punkt ist: Du kannst die Brille absetzen!
Vielleicht fragst Du Dich jetzt: Brille absetzen und dann? Ohne Brille kann ich ja gar nichts mehr sehen? Doch – Du wirst sehen können, aber auf andere Weise. Da die Welt Dir plötzlich anders erscheint, hast Du die Möglichkeit, Deine Wahrnehmung und Deine Gedanken neu zu schulen und zu verändern. So könntest Du Deine Aufmerksamkeit beispielsweise immer mehr auf die schönen Blumen vor Deinen Augen lenken, anstelle ständig über Deinen cholerischen Chef nachzudenken.
Aufgrund von Gewohnheiten wendest Du Dich Dingen zu, die Dir bestimmte negative Erwartungen erfüllen und innere Überzeugungen bestätigen. Wenn Du von Deiner Mutter immer wieder schwer enttäuscht wurdest, wirst Du in anderen Frauen immer wieder die Aspekte suchen und wiedererkennen, die Dir bestätigen, dass Du Dich auf das weibliche Geschlecht nun mal nicht verlassen kannst.
Negative Gewohnheiten, werden mit Hilfe von destruktiven oder unvorteilhaften Gedanken und Konzepten genährt. Letztere wiederum stehen in Wechselwirkung mit unangenehmen Gefühlszuständen. So versperrst Du Dir jeden Tag aufs Neue Deinen Weg zu mehr Freude und innerem Frieden. Gebe Dir selbst die Erlaubnis, die Tür zu einem glücklichen und friedlichen Leben zu öffnen.
Aber wie soll das funktionieren? Es gibt zugegebenermaßen keinen Fahrstuhl, in den Du einsteigen kannst, und mit dessen Hilfe Du Dich ohne jegliche Anstrengung in die Sphären der Himmlischen Wesen beförderst. Anstelle dessen gibt es ein Treppenhaus, das sich über mehrere Stockwerke erstreckt. Ja, Du musst jede einzelne Stufe selber, aus eigener Kraft, beschreiten. Das ist bisweilen anstrengend, aber die Mühe lohnt sich. Je höher Du die Stufen erklimmst, umso freier und weiter wird Dein Herz.
Im traditionellen Buddhismus kennen wir die Vier rechten Bemühungen (sammà vàyàma) – etwas moderner ausgedrückt, könnten sie folgendermaßen lauten:
1. Die negativen Ideen und Gedanken, die Du bereits in Deinem Kopf hast, versuche sie zu stoppen.
2. Gebe denjenigen negativen Ideen und Gedanken, die noch nicht aufgekommen sind, keinen Nährboden. Lasse sie erst gar nicht zu.
3. Nähre die positiven und konstruktiven Ideen und Gedanken, die bereits in Deinem Geist vorhanden sind. Erhalte sie am Leben und fördere sie.
4. Praktiziere Achtsamkeit und erzeuge Dir in jedem Moment Deines Erlebens bewusst und aktiv positive und konstruktive Gedanken – gerade auch in solchen Augenblicken, in denen es für Dich schwierig ist.
Oft nehmen wir das Gute, was schon da ist, gar nicht erst wahr. Es passt nicht in Dein Konzept.
Stell’ Dir vor, Du begibst Dich auf den Weg eines Bodhisattwas, eines Menschen, der sein Leben voller Hingabe dem Dienst an allen fühlenden Wesen widmet.
Auf welche Weise könntest Du – ganz ohne Zwang und große Anstrengung – anderen Menschen dienen und sie auf ihrer Reise durch ihr Leben begleiten? Worin besteht Deine wirkliche Stärke, eine Qualität, die Du einfach hast, ohne Dich dafür anstrengen zu müssen? Du benutzt sie nicht, um Dich aufzuwerten oder etwas zu kompensieren – sie entspringt direkt aus Deinem Herzen.
Es könnte die Flexibilität sein, mit deren Hilfe Du Dich mühelos in andere einfühlen kannst und eine gegebene Situation schnell erfasst. Oder Dein Mut, mit welchem Du auch in schwierigen Zeiten, anderen zur Seite stehen kannst.
Versuche in den folgenden Tagen Deine Aufmerksamkeit auf Deine „Bodhisattwa-Stärke” zu richten – nicht nur in der Meditation, sondern besonders auch im Kontakt mit anderen Menschen. Hole sie immer wieder aktiv hervor und erzeuge sie in Deinem Geist. Auf diese Weise kannst Du Deinen Geist Schritt für Schritt in eine positive und freudvollere Richtung transformieren. All die negativen Gewohnheiten und Gedanken verlieren zunehmend an Kraft.
Vom Nutzen der Leere
Dreißig Speichen treffen die Nabe
Die Leere in der Mitte
macht das Rad
Ton formt man zu einem Krug
Die Leere in der Mitte
macht das Gefäß
Türen und Fenster bricht man in Mauern
Die Leere in der Mitte
macht das Haus
Darum:
Die Form entsteht aus dem Sein
Die Verwendung aus dem Nicht-Sein