Wirtschaft und Ethik

01.08.09 Der Dalai Lama ist da!

dalai-lamaGeben ist nicht schwer! Oder: wie können wir unsere Gier überwinden und Nächstenliebe üben? Die Welt befindet sich im Wandel und die Menschen rücken enger zusammen. Wirtschaftliche und klimatische Veränderungen in einem Teil der Erde haben spürbare Auswirkungen auf den gesamten Globus und machen keinen Halt an nationalen Grenzen.dalai-lama-prof-dr-mojib-latif-prof-gw-werner1 Am dritten Tag seines Besuches sprach der Dalai Lama mit Prof. Dr. Karl-Heinz Brodbeck (Prof. für Volkswirtschaftslehre und Wirtschaftspolitik),

Prof. Dr. Mojib Latif (Klimaforscher) und Prof. Götz W. Werner (Gründer und Gesellschafter von dm-drogerie markt) über “Wirtschaft und Ethik, Umweltbewusstsein, globale und persönliche Verantwortung” und notwendige Kurskorrekturen in unserem Denken und Handeln

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“40 000 Menschen werden heute wieder verhungern, alle fünf Sekunden stirbt ein Kind an Hunger und eine Milliarde Menschen lebt von einem Dollar pro Tag”. Prof. Dr. Brodbeck nennt die Realität beim Namen, als er die Zahlen der UNO vorführt. Wie fühlt es sich an, wenn einem der Zugang zu lebensnotwendigen Ressourcen versagt bleibt, wenn man keinen Zugriff auf Grundnahrungsmittel hat, wenn die Voraussetzungen fehlen, um sich am Welthandel zu beteiligen und wenn man von einem menschenwürdigen Leben ausgeschlossen ist? Was können wir tun um hier zu helfen?

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Heute Morgen passierte etwas Seltsames. Das Restaurant in der Commerzbank Arena, in dem ich in den letzten Tagen wie selbstverständlich gefrühstückt hatte, war plötzlich für mich verschlossen. “Kein Zutritt mit Ihrem Armband, heute brauchen Sie die schwarze Karte”. Die schwarze Karte?

Ich war verwirrt und begann zu diskutieren. dalai-lama-madchen

Ich war doch JEDEN Tag in dieses Restaurant gekommen, warum denn heute nicht? Es gab keine logische Antwort, es war einfach so. Mir fehlte die richtige Eintrittskarte. Der Raum, den ich bisher ganz selbstverständlich und ohne Nachdenken genutzt hatte, war für mich nicht mehr passierbar. Ich wurde verzweifelt und wütend. Ich fühlte mich ausgeschlossen. Mein Blick auf die Sicherheitskräfte änderte sich abrupt. Meine Freundlichkeit vom Vortag schlug in Argwohn um. Mich trieb nur eine Frage: wo sollte ich jetzt etwas zu essen bekommen? Man schickte mich hin und her, doch nie hatte ich den richtigen Pass. Ich begann zu resignieren und das brachte mich zum Nachdenken.

hand-mit-reisEinem Großteil der Weltbevölkerung fehlt die richtige Eintrittskarte zu den Weltmärkten und somit zu einem menschenwürdigen Leben. Sie haben kein Geld, keine Mittel und Wege, um sich Nahrung, Kleidung, Wasser – lebensnotwendige Ressourcen – zu sichern. Sie sind von der Gesellschaft und von jeglichen Annehmlichkeiten des Lebens ausgeschlossen. Sie leben nicht nur am Existenzminimum, sondern ihr Leben ist jeden Tag neu bedroht.

dalai-lama-publikumDieser Ausschluss entbehrt jeder Logik, ist gekoppelt an Nationalität, Hautfarbe, Geschlecht oder Einkommen. Der Dalai Lama nennt diese Kriterien in seinem Vortrag “Merkmale der sekundären Ebene”. Auf dieser untergeordneten Ebene teilen wir die Menschen nach gesellschaftlichen Positionen, Religionszugehörigkeit und Nationalität ein und lassen außer acht, dass wir an der Basis, auf der “fundamentalen Ebene”, einfach Menschen sind.

tib-junge-und-madchen“Wir sind alle Brüder und Schwestern, unsere Interessen sind gleich. Deshalb muss ich mich um das Wohl der anderen kümmern. Dieses Wohl geht mich etwas an, denn jeder Mensch hat das Recht glücklich zu sein”, betonte seine Heiligkeit. Schon zu Beginn seines Beitrags nennt er das Leitmotiv dieses Gesprächs: “Unsere alten Denkkonzepte von “wir” als einer Nation oder abgeschlossenen Gemeinschaft und von “den anderen” müssen sich ändern. Das Glück und das Leben jeder Nation, jeder Gemeinschaft und jeder Familie ist heute mit dem Rest der Welt verbunden. Wir müssen die ganze Welt, jeden Menschen, als einen Teil von WIR denken”. Dieses Wir-Gefühl lässt sich nur durch die Einsicht erreichen, dass wir alle menschliche Wesen sind und vor diesem Hintergrund unterschiedslos. “I am just human” sagt der Dalai Lama dann auch – Ich bin nur ein einfacher Mensch!

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Solange ich selbst nicht betroffen bin denke ich wenig über die Menschen am Rande unserer Weltgemeinschaft nach. Wie fühlt es sich an Hunger zu haben, Durst zu haben? Welche Emotionen entstehen in Menschen, die Reichtum sehen und davon ausgeschlossen sind, die sehen wie ihre Kinder an Unterversorgung sterben, weil die notwendige medizinische Betreuung fehlt, während im gleichen Land Menschen im Überfluss leben? Wird ihre Wut irgendwann so groß werden, dass sie alle Hemmungen verlieren?

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Ich betrachte meine Wut angesichts dieser kurzen Erfahrung der verschlossenen Türen und frage mich, wie es ist, wenn ich wirklich Hunger habe und mir nichts gegeben wird. Meine Freundin Hue Trieu sieht mich auf der Tribühne sitzen und fragt, ob ich schon gefrühstückt habe. Ich erzähle ihr von meinem Ausschluss. “Kein Problem” sagt sie, “ich hole dir was du willst, denn mich lassen sie noch immer rein”. Irgendwie habe ich auf diese Zuwendung gewartet. Sofort ändert sich meine Stimmung. “Ja!” denke ich. Wir müssen unsere Eintrittskarte nutzen, wir müssen unseren derzeitigen privilegierten Status nutzen, um Ressourcen umzuverteilen, um zu teilen, zu geben, zu helfen!

tenzin-wangmoGeben ist nicht schwer! Mit diesen Worten meines Meisters Thich Thien Son endet der Benefizabend “2 songs for Dalai Lama”. Am heutigen Tag ist mir Geben überall begegnet. Künstlerinnen und Künstler treten ohne Gage für Seine Heiligkeit auf und verbreiten eine unglaublich friedliche und fröhliche Stimmung in der Commerzbank Arena. Die Nonne Tenzin Wangmo stellt ihre Lassokünste in den Dienst des Hilfsprojektes Chance to Grow. Mit ihren “Trick-Roping-Künsten” lockt sie viele Menschen hinter den Stand der Pagode Phat Hue und macht auf die Hilfsbedürftigkeit vietnamesischer Kinder und Jugendlicher in Zentralvietnam aufmerksam. Die deutsch-vietnamesische buddhistische Gemeinde der Pagode stellt Mittag- und Abendessen für Mönche und Nonnen bereit, die in Frankfurt zu Gast sind.

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Geben ist nicht schwer! Man kann Talent, Kreativität und Tatkraft nutzen, um für mehr Menschlichkeit zu werben. “Das menschliche Potential nutzen” darauf kamen auch die Referenten des heutigen Tages immer wieder zurück. “Die Menschen wollen füreinander tätig sein und über sich hinauswachsen” schließt Prof. W. Werner seinen Beitrag. Ich hoffe es sehr!

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