Klarheit über den Körper

Die erste Stufe der Betrachtung (Zen 1-3): Klarheit über unseren Körper

Warum es wichtig ist, uns zunächst mit dem Körper zu beschäftigen

In der ersten Zen-Stufe betrachten wir die körperliche Ebene Wir lernen die Signale unseres Körpers wahrzunehmen, unseren Körper in allen seinen Facetten anzunehmen und liebevoll mit ihm umzugehen. Dies ist eine Übung der Achtsamkeit auf der körperlichen Ebene und darüber hinaus ein Ausdruck der Dankbarkeit und der Einsicht, dass dieser Körper nicht uns allein gehört. Er kann nur entstehen, wenn vielfältige Bedingungen erfüllt sind.

Betrachten wir die genetischen Bedingungen, so haben unsere Vorfahren schon vor Generationen den Grundstein dafür gelegt, dass wir heute existieren können. Auf der geistigen Ebene sind es Werte, Ethik und Erfahrungen, die von Generation zu Generation weitergegeben wurden. Unsere heutige Zivilisation gäbe es mit Sicherheit nicht ohne unsere Vorfahren. Auf der Ebene der Natur sind Faktoren wie Sonne, Klima, Erde, Pflanzen und Tiere die Bedingungen unseres Daseins. Je mehr wir unseren Körper betrachten, umso mehr verstehen wir, dass wir in einem in sich abhängigen Geflecht leben und nicht individuell isoliert existieren können. Wir brauchen uns gegenseitig, um zu überleben.

Kontakt mit dem Körper aufnehmen: Blockaden erkennen und lösen

Am Anfang des Zen-Wegs beschäftigen wir uns damit, die Verspannungen zu lösen. Das ist zwar nicht das eigentliche Ziel des Zen, jedoch geben uns Entspannung und Gelassenheit die Möglichkeit, tiefer in den Körper einzudringen, um zu erkennen, wo sich Blockaden aufgebaut haben. Wenn wir auf der körperlichen Ebene verweilen und Kontakt mit unserem Körper aufnehmen, können wir beobachten, wie bestimmte Körperteile sich immer wieder zusammenziehen. Je mehr wir uns das anschauen, umso mehr verstehen wir die Situationen, in denen wir diese Reaktionen auslösen. Schließlich lernen wir, Reaktion und Situation sofort wahrzunehmen und zu verändern.

Die Beziehung von Körper und Geist: unterdrückte Gefühle befreien

Die Bedeutung des Körpers wird gerne unterschätzt, wenn es um geistige Entwicklung geht. Aber die Wichtigkeit wird schnell klar, wenn wir uns anschauen, wie sehr wir von unserem Körper abhängig sind, um uns wohl zu fühlen.
In der modernen westlichen Gesellschaft sind wir darauf trainiert, unser rationales Denken im Alltag einzusetzen und Sachverhalte zu analysieren, um ein Verständnis und ein Bild von uns und der Welt zu bekommen. Es geht um Fakten, um Kategorisieren und intellektuelles Verstehen. So wird unsere analytische Denkweise schon von der ersten Klasse an trainiert. Es gilt dagegen als nicht zivilisiert, wenn man in der Öffentlichkeit seine Gefühle (1) zum Ausdruck bringt. Körperliche Empfindungen, die durch Emotionen (1) ausgelöst werden, sollen unterdrückt oder ausgeblendet werden. Deshalb gibt auch die Erziehung wenig Raum, um Gefühle auf körperlicher Ebene zuzulassen.
Da wir Verstand und Gefühl immer trennen mussten, stellt unser Körper auf seine Art und Weise die Verbindung wieder her. So entstehen die im Westen weit verbreiteten psychosomatischen Beschwerden, deren wirkliche Ursachen nicht gefunden werden können, wie z.B. Migräne, Verspannungen (insbesondere im Lendenbereich), Asthma und Nervosität bis hin zu Depressionen. Aus der Sichtweise des ZEN verstehen wir, dass Körper und Geist eins sind und unterdrückte Gefühle unseren Körper rebellieren lassen. Er versucht, sich bemerkbar zu machen und uns zu zeigen, dass er existiert.

Sobald man in den Körper hinein meditiert, spürt man Verspannungen. Diese Blockaden entstehen, weil durch die Unterdrückung der Gefühle Energien an jene Körperteile angelagert werden, die mit diesen Gefühlen in Resonanz gehen. In der Folge kommt es zur Überlagerung unterschiedlicher Energien, die mit hoher Frequenz schwingen.

Körperliche Folgen der Unterdrückung von Gefühlen

Ignoriert man die Signale des Körpers, indem man z. B. mit Medikamenten die Warnzeichen unterdrückt, werden die Signale verstärkt. Dies ist ein Naturgesetz: Im Körper fließen Ströme und Energien, sobald diese blockiert sind, sammeln sie sich wie das Wasser in einem Stausee an. Ist nun der Wille nicht stark genug, diese Energien zu unterdrücken, bricht der Damm.
Aggressionen (2), Wutanfälle und Black-outs bilden die Vorstufe eines solchen „Dammbruchs.“ Werden die Anzeichen überhört, so gräbt sich das Gefühl und die damit verbundene Energie tief in die Organe unseres Körpers ein. Gleichgültig um welche Organmatrix es sich handelt, eine übermäßige Ansammlung von Energien führt zu starken Schwingungen, die unsere Zellen schneller verfallen lassen. In der Folge wird das Immunsystem geschwächt, die Organe können ihren Funktionen nicht mehr ausreichend nachgehen und Krankheiten entstehen.

Ist unsere einzige Antwort auf die Krankheitssymptome die Chemie, erhalten wir irgendwann die Quittung dafür, dass wir unseren Körper und unsere Gefühle abgelehnt haben und mit aller Gewalt dauerhaft unterdrücken. So können beispielsweise Tumore entstehen. Durch die Gewalt, mit der wir uns selbst behandeln, entsteht in der Folge Gewalt, die nun unser Körper uns antut. In der Regel merken wir das erst, wenn eine schwere Krankheit auftritt. Durch deren Einschränkungen lernen wir dann endlich, unseren Körper zu schätzen und zu lieben – doch leider meist zu spät.

Ein gesunder Körper als Fahrzeug für die geistige Entwicklung

Die Zen-Tradition lehrt uns, den Körper im Alltag wahrzunehmen, um ihn mit vollem Respekt anzunehmen und gut mit ihm umzugehen, denn ein gesunder Körper liefert uns die beste Möglichkeit für unsere Praxis. Wenn wir mit Hilfe der Meditation uns in unserem Körper wohl fühlen können und gesund sind, dann ermöglichen wir damit auch die Entwicklung eines gesunden Geistes. Solange wir aber nicht gesund sind, beschäftigen wir uns zu sehr mit unserer Krankheit und dem Gesundungsprozess und vergessen dabei die geistige Ebene.
Die ersten Hindernisse für die Praxis sind aus dem Weg geräumt, wenn wir wirklich lernen, unseren Körper zu lieben, zu akzeptieren und zu pflegen. Er ist das Fahrzeug auf unserem Weg. Wir müssen behutsam mit ihm umgehen, da wir ihn für eine lange Zeit brauchen. Daher besteht die erste Stufe auf den Zen-Weg darin, Bedingungen zu schaffen, damit wir die geistige Arbeit beginnen können.
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Anmerkungen
(1) Aus buddhistischer Sicht müssen wir an dieser Stelle die Begriffe Gefühl und Emotion unterscheiden: Unser Körper reagiert auf alles, was wir wahrnehmen und erleben, er reagiert entweder mit Anspannung (Anziehung) oder mit Entspannung (Abstoßung) oder aber neutral. Diese unmittelbare körperliche Reaktion nennen wir Gefühl.
Emotion ist dagegen die Idee, die wir mit diesem Körpergefühl verbinden, z.B. „ich bin traurig“, ich bin „fröhlich“. D.h. Emotion ist das geistige Konzept, das sich im Zusammenhang mit dem Körpergefühl bildet.
(2) Der Körper reagiert auf das geistige Konzept. Aus der körperlichen Reaktion entsteht ein Antrieb zu einer Handlung, die Aggression. Aggression muss nicht zwangsläufig in eine Tat umgesetzt werden – auch ein Gedanke kann schon Aggression beinhalten.