meditation

Ist Dein Glas halbvoll oder halbleer?

thay1Zählst Du auch zu den Menschen, die das halbgefüllte Glas Wasser als „halbleer” und nicht als „halbvoll” bezeichnen? Oder zu den Zeitgenossen, deren Blick direkt auf die eine Wolke inmitten des blauen Himmels fällt? Keine Sorge – damit bist Du nicht allein! Nicht umsonst wird oft gesagt: „Der Mensch ist ein Gewohnheitstier.”

Und eine typisch menschliche Gewohnheit ist es, dass wir aus dem bunten Korb aller Wahrnehmungsmöglichkeiten gezielt das herauspicken, was wir als „negativ”, unangenehm und störend empfinden. Unsere Brille ist in der Regel alles andere als rosarot. Der Punkt ist: Du kannst die Brille absetzen!

Vielleicht fragst Du Dich jetzt: Brille absetzen und dann? Ohne Brille kann ich ja gar nichts mehr sehen? Doch – Du wirst sehen können, aber auf andere Weise. Da die Welt Dir plötzlich anders erscheint, hast Du die Möglichkeit, Deine Wahrnehmung und Deine Gedanken neu zu schulen und zu verändern. So könntest Du Deine Aufmerksamkeit beispielsweise immer mehr auf die schönen Blumen vor Deinen Augen lenken, anstelle ständig über Deinen cholerischen Chef nachzudenken.

Aufgrund von Gewohnheiten wendest Du Dich Dingen zu, die Dir bestimmte negative Erwartungen erfüllen und innere Überzeugungen bestätigen. Wenn Du von Deiner Mutter immer wieder schwer enttäuscht wurdest, wirst Du in anderen Frauen immer wieder die Aspekte suchen und wiedererkennen, die Dir bestätigen, dass Du Dich auf das weibliche Geschlecht nun mal nicht verlassen kannst.

Negative Gewohnheiten, werden mit Hilfe von destruktiven oder unvorteilhaften Gedanken und Konzepten genährt. Letztere wiederum stehen in Wechselwirkung mit unangenehmen Gefühlszuständen. So versperrst Du Dir jeden Tag aufs Neue Deinen Weg zu mehr Freude und innerem Frieden. Gebe Dir selbst die Erlaubnis, die Tür zu einem glücklichen und friedlichen Leben zu öffnen.

Aber wie soll das funktionieren? Es gibt zugegebenermaßen keinen Fahrstuhl, in den Du einsteigen kannst, und mit dessen Hilfe Du Dich ohne jegliche Anstrengung in die Sphären der Himmlischen Wesen beförderst. Anstelle dessen gibt es ein Treppenhaus, das sich über mehrere Stockwerke erstreckt. Ja, Du musst jede einzelne Stufe selber, aus eigener Kraft, beschreiten. Das ist bisweilen anstrengend, aber die Mühe lohnt sich. Je höher Du die Stufen erklimmst, umso freier und weiter wird Dein Herz.

Im traditionellen Buddhismus kennen wir die Vier rechten Bemühungen (sammà vàyàma) – etwas moderner ausgedrückt, könnten sie folgendermaßen lauten:

1. Die negativen Ideen und Gedanken, die Du bereits in Deinem Kopf hast, versuche sie zu stoppen.
2. Gebe denjenigen negativen Ideen und Gedanken, die noch nicht aufgekommen sind, keinen Nährboden. Lasse sie erst gar nicht zu.
3. Nähre die positiven und konstruktiven Ideen und Gedanken, die bereits in Deinem Geist vorhanden sind. Erhalte sie am Leben und fördere sie.
4. Praktiziere Achtsamkeit und erzeuge Dir in jedem Moment Deines Erlebens bewusst und aktiv positive und konstruktive Gedanken – gerade auch in solchen Augenblicken, in denen es für Dich schwierig ist.

Oft nehmen wir das Gute, was schon da ist, gar nicht erst wahr. Es passt nicht in Dein Konzept.
Stell’ Dir vor, Du begibst Dich auf den Weg eines Bodhisattwas, eines Menschen, der sein Leben voller Hingabe dem Dienst an allen fühlenden Wesen widmet.
Auf welche Weise könntest Du – ganz ohne Zwang und große Anstrengung – anderen Menschen dienen und sie auf ihrer Reise durch ihr Leben begleiten? Worin besteht Deine wirkliche Stärke, eine Qualität, die Du einfach hast, ohne Dich dafür anstrengen zu müssen? Du benutzt sie nicht, um Dich aufzuwerten oder etwas zu kompensieren – sie entspringt direkt aus Deinem Herzen.

Es könnte die Flexibilität sein, mit deren Hilfe Du Dich mühelos in andere einfühlen kannst und eine gegebene Situation schnell erfasst. Oder Dein Mut, mit welchem Du auch in schwierigen Zeiten, anderen zur Seite stehen kannst.

Versuche in den folgenden Tagen Deine Aufmerksamkeit auf Deine „Bodhisattwa-Stärke” zu richten – nicht nur in der Meditation, sondern besonders auch im Kontakt mit anderen Menschen. Hole sie immer wieder aktiv hervor und erzeuge sie in Deinem Geist. Auf diese Weise kannst Du Deinen Geist Schritt für Schritt in eine positive und freudvollere Richtung transformieren. All die negativen Gewohnheiten und Gedanken verlieren zunehmend an Kraft.

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14. April 2010 Blog 1 Kommentar

Trauma und Depression: Abgeschnitten von der Lebendigkeit

Sangha, Jan 2010, 72dpi-6Mehr als 170 Menschen fanden sich am Mittwochabend in der Buddhahalle der Pagode Phat Hue ein, um den Ausführungen von Zen-Meister Thich Thien Son zum Thema Depression und Trauma zuzuhören. „Gefühle sind ein Indikator dafür, dass wir am Leben sind. Sie kommen und gehen. Wenn dieser Fluss aufgrund von schmerzhaften Erfahrungen stagniert, gerät unsere Lebensenergie ins Stocken. Wir verlieren den Kontakt zu uns selbst und zu unseren Mitmenschen.”

Depressionen – graue Wolken am Horizont unseres Geistes

Jeder 6. Patient in einer deutschen Allgemeinarztpraxis klagt über Depressionen. Betroffen sind nicht nur Erwachsene, sondern zunehmend auch Kinder und Jugendliche. Während vor allem Kinder über eher unspezifische Symptome wie wiederholte Bauchschmerzen und Spielunlust klagen, zeigen die meisten Erwachsenen eindeutigere Beschwerden.

Die Palette depressiven Erlebens reicht von chronischer Unzufriedenheit mit Reizbarkeit und aggressiven Durchbrüchen bis zu anhaltender innerer Lähmung und Schwermut, sowie in schwereren Fällen, Todessehnsucht. Wenn wir Gefühle dieser Art in uns tragen, entsteht eine Raum nehmende, depressive Gefühlswolke, die den Zugang zu Gefühlen der Freude und Zuversicht versperrt. Mit fortschreitender Symptomatik wird die gesamte Wahrnehmung immer weiter depressiv verfärbt und die Welt erscheint grau in grau.

Körper und Geist bilden eine Einheit…

Wenn wir auf der geistigen Ebene chronisch unzufrieden und niedergeschlagen sind, spiegelt sich dies auch in unserem Körper wider.

Daher finden sich in der Mehrzahl der Fälle auch auf der körperlichen Ebene Begleiterscheinungen, zum Beispiel Gewichtsverlust oder –zunahme, Schlafstörungen, Rückgang des sexuellen Verlangens und ausgeprägte Erschöpfbarkeit.

Auch unter den Menschen jenseits des 60. Lebensjahres haben Depressionen in den letzten Jahren drastisch zugenommen. „Die Menschen in der heutigen Zeit, vor allem in den Großstädten, definieren sich über ihre Leistung. Mit zunehmendem Alter stellen sie fest, meine körperlichen Möglichkeiten lassen nach, ich bin nicht mehr so leistungsfähig. Es entsteht das Gefühl der Wertlosigkeit und oft auch die Befürchtung, anderen eine Last zu sein.” Auf dem Land sieht dies in vielen Fällen noch anders aus: Die Familienältesten sind oft jene Menschen, die, aufgrund ihrer Lebenserfahrung, die Entscheidungen für die anderen Familienmitglieder fällen. Wir sollten die Weisheit unserer Mitmenschen im hohen Lebensalter wieder wertschätzen lernen. Sie können uns viel geben.

Depressive Männer – depressive Frauen …

Auch im Hinblick auf das Geschlecht, gibt es in der Ausprägung der depressiven Symptomatik erhebliche Unterschiede. Während Männer auch heute noch häufig Schwierigkeiten haben, mit ihren Gefühlen in Kontakt zu treten, definieren sich Frauen oft über ihre Gefühle.

Während einer Depression neigen Männer eher zu chronischer Unzufriedenheit und abwehrender Aggression und Reizbarkeit. Sie versuchen über das Ausagieren dieses Verhaltens den Kontakt zu ihrer Mitwelt aufrechtzuerhalten und ihre wirklichen Gefühle von innerem Schmerz zu überdecken. Meist wird dabei deutlich gemacht, dass „die anderen” (die Partnerin, der Chef, der Hund) Schuld an ihrem Leid sind.

Frauen hingegen ziehen sich häufig in Ohnmachtsgefühle und Hilflosigkeit zurück. Sie demonstrieren damit: „Ich kann nicht mehr, ich brauche jetzt Deine Hilfe.” Sie versuchen sich am Partner oder am Kind festzuhalten, um die verloren gegangene innere Sicherheit wiederzuerlangen.

Wie entstehen Depressionen?

Es gibt zahlreiche Ursachen für die Entwicklung einer Depression: z.B. Phasen der hormonellen Umstellung bei Frauen, Lichtmangel – vor allem im Winter, körperliche Erkrankungen wie Krebsleiden oder auch Medikamente wie Beta-Blocker oder die „Antibabypille”. Auch die Vererbung spielt eine wichtige Rolle: Zwillingsstudien zeigen, dass bestimmte Formen der Depression genetisch bedingt sind oder ihr Auftreten zumindest durch bestimmte Gen-Kombinationen begünstigt wird.

Oft ist es so, dass wir bereits unsere Kinder zur Depression erziehen, z.B. indem man versucht, sie zu übermäßiger Sauberkeit zu trainieren. Damit erzieht man sie, vom Leben Abstand zu nehmen. Hierbei fällt gerade auch in Asien auf, dass vor allem reiche Kinder von Depressionen betroffen sind, während Kinder in Slums mehr darauf konzentriert sind, ihr Überleben zu sichern.

Einschneidende Lebensereignisse, in welchen plötzlich Bezugspersonen nicht mehr da sind und Sicherheiten wegbrechen, können in der Folge ebenfalls zu depressiven Reaktionen führen.

Was tun, wenn der Partner/die Mutter/der Sohn depressiv sind?

Für die Angehörigen von Betroffenen gilt: Sie brauchen viel Geduld, um ihren Familienmitgliedern aus einer depressiven Krise herauszuhelfen. Die innere Welt eines depressiven Menschen ist oft nicht leicht für Außenstehende nachzuvollziehen. Zunächst gilt es, tiefes Zuhören zu praktizieren. Denn oft ist „ein offenes Ohr” in der heutigen Zeit genau das, was fehlt und dringend notwendig ist. Das Signal „ich bin da für Dich” – kann häufig Wunder wirken, soll aber nicht dazu führen, die depressive Symptomatik, beispielsweise das Gefühl der Hilflosigkeit, zu nähren. Irgendwann kommt dann der Punkt, an dem „sanfter aber bestimmter Druck” angesagt ist. Dies kann z.B. im Rahmen eines gemeinsamen Spaziergangs geschehen. Denn: Auch Bewegung ist zum Kurieren einer Depression unabdingbar. Es müssen zu Beginn keine großen Sprünge sein, der Waldspaziergang oder fließende Übungen aus dem Qi-Gong genügen zunächst, um die stagnierende Lebensenergie wieder ins Fließen zu bringen.

Auch die Traditionelle Chinesische Medizin kann helfen

Aus der Sicht der Traditionellen Chinesischen Medizin gehen depressive Symptome mit einer geschwächten Nierenenergie und häufig auch mit einer Überaktivität im Leberfunktionskreis einher. Schlafstörungen und Änderungen des Appetits lassen sich darauf zurückführen. Auch die Schilddrüse ist in vielen Fällen in Mitleidenschaft gezogen – sei es in Form einer Unter- oder Überfunktion. Entsprechende Akupunktur, aber auch eine Therapie mit Chinesischen Heilkräutern können hier den Heilungsprozess unterstützen. Hilfreich ist auch eine Ernährungsumstellung gemäß den Richtlinien der Fünf-Elemente-Küche. Vitaminreiche Kost zum Harmonieren der Leberenergie, sowie wärmende Speisen für die Unterstützung des Nierenfunktionskreises stehen dabei im Vordergrund.

Manchmal nicht zu vermeiden: Antidepressiva

In besonders schweren Fällen kann eine stationäre Behandlung und die Therapie mit Medikamenten, üblicherweise mit Antidepressiva, vorübergehend notwendig sein. Dennoch sollte man nicht länger als unbedingt erforderlich, zu Medikamenten greifen. Aufgrund ihrer Wirkungsmechanismen haben Antidepressiva ein weit gefächertes Spektrum von Nebenwirkungen. Darüber hinaus sind sie zwar imstande, ein Ungleichgewicht der Botenstoffe im Gehirn (vor allem Serotonin und Noradrenalin) für einen gewissen Zeitraum auszugleichen, können aber nicht die oftmals einer depressiven Symptomatik zugrunde liegenden Konflikte und Traumata lösen.

Den Menschen begleiten – die Seele heilen …

Dazu ist eine psychotherapeutische Begleitung notwendig. Entscheidend dabei ist, dass der Therapeut die Fähigkeit des „Mitfühlens” hat und zuhören kann – Qualitäten, die leider nicht in allen therapeutischen Praxen zu finden sind.

„In Vietnam herrschte Krieg, als ich dort im Kloster aufwuchs. Ständig kamen Menschen, die plötzlich Familienangehörige oder ihr gesamtes Hab und Gut verloren hatten. Man wusste nie, ob die Familie am nächsten Tag noch leben würde. Von den schweren Traumata auf der Flucht ganz zu schweigen. Da war es ganz natürlich, dass die Mönche und Nonnen all die schmerzhaften Prozesse begleiteten. Auf diese Weise wurden wir aufgrund der Notwendigkeit und der daraus erwachsenen Erfahrung auf ganz natürliche Weise zu Begleitern und Therapeuten. Wir haben gelernt, den Menschen in schwierigen Zeiten beizustehen.”

Lebendigkeit wiederfinden, dank Licht und Farben…

Licht- und Farbtherapie sind ebenfalls hilfreich bei der Behandlung von Depressionen. Eine morgendliche „Lichtdusche” von 10.000 Lux hilft vielen Betroffenen über die weit verbreitete Winterdepression hinweg. Auch Wechsellampen mit abwechselndem Farblicht (5 Minuten pro Farbe) gleich einem bunten Regenbogen, können die Lebendigkeit wieder anregen.

Untersuchungen zufolge können auch die Farben Braunrot und zartes Apfelgrün andauernde Schwermut besänftigen. Ein tiefes Braunrot vermittelt die Geborgenheit des Mutterleibs, diese Farbe ist uns vertraut aus unserer vorgeburtlichen Zeit. Das zarte Grün sorgt dann, wenn wir die Grundlage für unsere innere Geborgenheit wieder erlangt haben, für Frische und neuen Lebensmut.

Was passiert nach einen Trauma?

Nach dem Erleben eines traumatischen Geschehens, wie etwa nach einer Vergewaltigung oder einem Flugzeugabsturz, kommt es zunächst zu einem kurzzeitigen Aussetzen des Verstandes. Die Intensität des Schmerzes ist für unsere Psyche nicht tragbar – ein Betäubungsmechanismus tritt in Kraft, um die mit dem Trauma verbundenen Bewusstseinsinhalte zu verschleiern.

Das Trauma wird eingekapselt und ist so unserer bewussten Erinnerung in der Regel nicht mehr zugänglich. Bei einigen Betroffenen „meldet” sich das Trauma nach einiger Zeit in Form von so genannten Flash-backs, Erinnerungsfetzen des traumatischen Geschehens, wie z.B. Geruchsfragmente, zurück. So lange wir das Trauma nicht bewusst kennen, besteht die Gefahr der Retraumatisierung. Über unsere Gewohnheitsstrukturen suchen wir instinktiv immer wieder vergleichbare, uns traumatisierende Situationen auf. Wir verbinden die schmerzhafte Empfindung mit unserem Ich-Gefühl, definieren uns über den Schmerz und erhalten damit – so meinen wir – unsere Lebendigkeit.

Wie kann man Traumata überwinden?

Nur über die Bewusstwerdung der traumatischen Erfahrungen kann das Trauma konstruktiv bearbeitet werden. Es kann zwar nicht gänzlich aufgelöst werden, da es als Abdruck in unserer Erinnerung gespeichert ist, aber über die Bearbeitung unserer Annahmen und Wandel der inneren Haltung zum traumatischen Ereignis können wir das Geschehene zunehmend integrieren. Dies kann zum Beispiel im geschützten Rahmen unserer ZEN-Seminare geschehen.

Im Buddhismus sagen wir, die Vergangenheit ist vergangen, wir können daran nichts mehr verändern. Aber wir können jeden Moment unseres Seins neu definieren und gestalten. So können wir dem Hier und jetzt mit Offenheit begegnen.
Das Trauma verliert zunehmend an Brisanz, nimmt weniger Raum in uns ein.

Depressionen als Betäubungsmittel…

Eine Depression auf traumatischer Grundlage dient als Selbstschutz, um eine Retraumatisierung zu verhindern. Denn durch Abnahme der Lebendigkeit vermindern wir die Intensität der Schmerzwahrnehmung. So gesehen dient die Depression hier als Betäubungsmittel.
Wenn die depressive Symptomatik abnimmt, kann das zugrunde liegende Trauma dem Bewusstsein zugänglich gemacht werden, was auch bedeuten kann, dass der Schmerz aktiviert wird. Daher ist bei diesem Prozess eine kompetente, therapeutische Begleitung unerläßlich.

Bei Depressionen und anderen Folgen von traumatischen Erfahrungen ist es gleichermaßen hilfreich, sich immer wieder zu vergegenwärtigen:
„Du bist nicht die Depression – Du bist nicht das Trauma. Du bist viel mehr als das.”
Und, wie bereits oben gesagt, „was vergangen ist, ist vergangen. Was jetzt ist, ist die Gegenwart. Und jeder Moment Deines Seins, ist Deine Chance für einen Neuanfang.”

“Lebe jetzt!”

VERANSTALTUNGSHINWEISE:

Vom 16. bis 18. April 2010 findet ein Themen-Wochenende mit Zen-Meister Thich Thien Son zur Vertiefung des Vortragsthemas statt.

Veranstaltungsort: BUDDHAS WEG Kloster, Seminarhaus & Gesundheitszentrum im Odenwald

Der nächste Vortrag der Reihe “Heilung von Körper und Geist” mit Zen-Meister Thich Thien Son findet am Freitag, 23. April zum Thema “Umarme Deine Wut” statt.

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18. März 2010 Allgemeines Keine Kommentare

Wer wir sind – Impulse jenseits von Konfession und Dualität

Unsere Annahmen und Konzepte, mit welchen wir die Welt betrachten und kategorisieren, begrenzen unsere Wahrnehmung und damit unser tägliches Erleben. Je nachdem, aus welchem kulturellen und/oder spirituellen Umfeld wir stammen, laufen wir mit einem entsprechend voreingestellten Tunnelblick durch unser Leben. Dabei sind wir häufig auf das Außen fokussiert. Sei es, dass wir die Verantwortung für unser Leid oder Wohlbefinden an unser Umfeld abgeben, oder aber alles tun, um den (vermeintlichen) Erwartungen unserer Mitwelt zu entsprechen: „Ich muss unbedingt noch 10 Kilo abnehmen, dann wird mein Partner bestimmt bei mir bleiben” und „Ja, wenn meine Tochter besser in der Schule wäre, muss ich nicht ständig Stress haben!”

Doch was ist eigentlich mit uns selbst? Wo bleiben wir und wer oder was sind wir?

Nicht nur im Buddhismus, sondern in allen Religionen und auch Philosophien der Welt wird die Frage nach dem „wer bin ich” gestellt. Besonders in Zeiten persönlicher Krisen und tief greifender Veränderungen, stellen wir uns Fragen dieser Art. Oft betrachten wir uns dabei nicht isoliert, sondern suchen auch nach einem Schöpfer, einer übergeordneten Macht, einer kosmischen Energie oder im Buddhismus nach der Leerheit. Dabei gibt es zwischen den einzelnen spirituellen Ansätzen zwar große Unterschiede hinsichtlich der Terminologie – schaut man aber hinter die einzelnen Begriffe wird deutlich, dass die Ideen oder das Grundverständnis über die Natur des Menschen und des Kosmos einander sehr ähneln.

Überwinden wir unseren Geist begrenzende Vorurteile und studieren wir z.B. als Buddhisten die Bibel, werden wir dort auch für uns fruchtbare Impulse finden. Begriffe wie Selbst, Seele oder Gott, die im Traditionellen Buddhismus oft verneint werden, können dann in einem anderen Licht betrachtet werden. Die offene Betrachtungsweise erweitert lediglich den eigenen Horizont und vertieft den Einblick und das Verständnis über die Erscheinungen der Welt.

Je offener unser Geist für die Vielfalt der Möglichkeiten ist, umso mehr sind wir bereit, die Leerheit, über das lediglich intellektuelle Verstehen hinaus, zu erfahren.
Wer oder was sind wir?

Um diese Frage beantworten zu können, sollten wir vor allem drei Aspekte, die unser Denken und Handeln bestimmen, unterscheiden lernen: Das äußere Ich (Selbstbild), das innere Ich (Seele, Psyche, Geist) und das Selbst (Leerheit, Gott, Kosmos, Buddhanatur).

Selbst_Ich_InneresIch

1. Das äußere Ich – (Selbst- und Wunschbilder)

Das äußere Ich enthält die Vorstellungen darüber, wie wir uns der Außenwelt präsentieren möchten, aber auch Wunschbilder, die wir sinnlos verfolgen, z.B. „ich bin stark.“ Wir wollen stark sein für jemand anders – nicht für uns selbst. Typische Bedürfnisse des äußeren Ichs sind daher Anerkennung, Wertschätzung und Akzeptanz. Wenn wir im Alltag miteinander kommunizieren, tun wir dies in der Regel über unser äußeres Ich. Abhängig von der Rolle, die wir in einem gegebenen Augenblick erfüllen möchten, verändert sich das jeweilige Selbstbild. Wenn z.B. eine Frau, während sie ihr Kind in den Kindergarten bringt, die Rolle einer guten Mutter erfüllen möchte, wird sie ein „Gute-Mutter-Selbstbild“ mit der Botschaft „ich bin fürsorglich” benutzen. Geht sie danach zu ihrem Arbeitsplatz, wird das Selbstbild eher von Qualitäten wie z.B. Stärke und Ehrgeiz bestimmt sein. Dies bedeutet, dass wir nicht nur ein Selbstbild in uns tragen, sondern unzählige. In der inneren Arbeit geht es darum, die von uns bevorzugten Selbstbilder und die Situationen, in welchen wir sie vorzugsweise einsetzen, zu identifizieren. Auf diese Weise lernen wir die Funktionsweise unseres Ichs verstehen und werden dadurch offener für die zwei weiteren Aspekte.

2. Das innere Ich – (Psyche, Geist, Bewusstsein, Seele)

Die Bedürfnisse des inneren Ichs sind Geborgenheit, Frieden, Liebe und Harmonie. Oft setzen wir die „innere Stimme” unseres inneren Ichs mit dem Selbst gleich. Die innere Stimme jedoch ist lediglich die Widerspiegelung unseres äußeren Ichs, der so genannte duale Gegenpol. Das innere Ich ist die Verbindung nach Innen, über das äußere Ich verbinden wir uns mit dem Außen. Jedesmal wenn wir mit der Außenwelt in Wechselwirkung treten, erzeugt dies auch eine innere Reaktion, die sich z.B. über Gefühle und Emotionen ausdrückt. Während wir nach außen demonstrieren „ich bin stark und mich wirft nichts um”, äußert das innere Ich oft das Bedürfnis, einfach nur geliebt werden zu wollen. Das innere Ich bzw. dessen Bedürfnisse entwickeln wir für uns selbst, nicht für jemand anders. Das äußere Ich ist das Reich der Annahmen und Konzepte – das innere Ich beherbergt den Ozean der Gefühle und Emotionen, welche die vielfältigen Reaktionen auf die im äußeren Ich angelegten Annahmen sind. Das bedeutet auch, dass im inneren Ich alle Verletzungen, Ängste und schmerzhaften Erfahrungen abgelegt sind.

3. Das Selbst – (Leerheit, Buddhanatur, Kosmos, Gott)

Das Selbst ist immer da – es wird weder geboren, noch stirbt es. Es ist ein Zustand von unendlicher Weite, Intersein oder eins sein mit Allem. Hier sind Konzepte und Gefühle keine Hindernisse mehr, da es dem Selbst möglich ist, die Dinge direkt, ohne jegliche subjektive Filter oder Verzerrung, wahrzunehmen.
Es bietet Raum für uns selbst, wir müssen dafür nichts tun und nirgends hingehen. Das Selbst trägt unendliche Möglichkeiten in sich und ist allgegenwärtig. Aber im Alltag haben wir häufig den Zugang dazu verloren, weil wir zu sehr auf unser Ich fokussiert sind. Dadurch, dass wir die Spielereien unseres Ichs viel zu ernst nehmen und aus unserer subjektiven Wahrnehmung heraus zur Realität machen, finden wir die Tür zum Selbst nicht. Der Schlüssel liegt in der Gelassenheit und Ruhe, z.B. mit Hilfe der regelmäßigen Meditation. Wenn der Geist ruhig ist und wir der wenigen noch aktiven geistigen Faktoren gewahr sind, haben wir die Chance, einen Funken des Selbsts zu erhaschen.

Das Ego steht in Beziehung mit allen drei Aspekten – es liefert uns das Gefühl der Existenz. Je nach in einem gegebenen Augenblick im Vordergrund stehenden Bedürfnissen, kann dabei das äußere Ich, das innere Ich oder auch das Selbst unser Existenzgefühl bestimmen. Die Art und Weise, auf welche wir unser Existenzgefühl sichern, folgt bestimmten Gewohnheitsmustern. Diese sind es auch, die uns immer wieder zur Wiedergeburt drängen.

Äußeres Ich, inneres Ich und das Selbst auf dem Weg der geistigen Schulung
In unserem Alltag stehen das äußere und innere Ich oft im Konflikt miteinander. Die Motivation für unsere Handlungen im Außen entspringt meist dem äußeren Ich und kann die eigentlich zugrunde liegenden Bedürfnisse des inneren Ichs nicht befriedigen. Chronische Unzufriedenheit und Rastlosigkeit sind die Folge dieses andauernden, inneren Konflikts.

Nachdem wir uns trainiert haben, die drei Aspekte zu identifizieren und die Wechselwirkungen zu verstehen, können wir beginnen, unsere im äußeren Ich verankerten Annahmen in eine heilsame Richtung zu verändern. Dies erreichen wir, indem wir den jeweiligen Gegenpol entlarven und dadurch die Dualität auflösen. So erkennen wir beispielsweise, dass Hass und Liebe lediglich zwei Seiten der gleichen Medaille sind. Es handelt sich um die gleiche Energie, jedoch mit unterschiedlichem „Vorzeichen”. Die Liebe unterliegt dem Prinzip der Anziehung, der Hass verkörpert den abstoßenden Pol. Wenn wir diese (vermeintlichen) Gegensatzpaare durchschaut haben, verlieren die Wechselwirkungen ihre Kraft und werden immer „weicher”: Das Spannungsfeld zwischen den beiden Polaritäten nimmt ab. Aus einem „ich bin stark” könnte so beispielsweise ein „es ist ok, wie ich bin”, werden. Denn je perfektionistischer und extremer unsere Selbstbilder sind, umso mehr stressen wir uns selbst. Stress wiederum verhindert, aufgrund der damit entstehenden Rastlosigkeit, den Zugang zu unserem Selbst.

Indem wir unsere Selbstbilder relativieren und immer mehr Facetten unseres Wesens zulassen, verändert sich auch die innere Haltung zu unserem Ich, also die Qualität unseres Geistes. Wenn wir uns selbst annehmen können, wie wir sind, werden die Konflikte zwischen nach außen gerichtetem und inneren Ich, die aus den unterschiedlichen Bedürfnissen der beiden Aspekte heraus entstehen, nachlassen. Aus Rastlosigkeit und Frustration wird dann Gelassenheit und innere Ruhe – wir kommen zunehmend mit uns selbst ins Reine.

Der buddhistische Leitfaden, um unsere geistigen Qualitäten positiv zu transformieren, ist der Achtfache Pfad. Indem wir Schritt für Schritt heilsames Denken und Handeln in unserem Alltag kultivieren, sowie über die Vergänglichkeit aller Erscheinungen kontemplieren, erlangen wir mehr und mehr Klarheit. Auch die im tibetischen Buddhismus verbreitete Praxis der meditativen Visualisierung von Buddha(s) und Bodhisattwas, wie z.B. der weißen Tara, helfen, dem Geist positive Impulse zu geben. Über die Kontemplation der typischen Erscheinungsformen, Symbole und positiven Eigenschaften der Bodhisattwas wie z.B. Mitgefühl und Liebender Güte, eröffnen wir unserem Geist den Zugang zu diesen Qualitäten. Da wir sehr oft unzufrieden mit unserem Ich sind, benötigen wir derartige, positive Aspekte, um das Ich aufzuwerten. Auf diese Weise können wir kurzfristige Zufriedenheit in uns herstellen.

Im Zen-Buddhismus arbeitet man direkt mit den geistigen Faktoren, die in einem gegebenen Moment im eigenen Bewusstsein vorhanden sind. Ziel ist die Identifizierung der einzelnen Komponenten, man beobachtet, wie sie entstehen und vergehen und kann die Erscheinungen dadurch loslassen, da man ihre fiktive Natur erkennt.

Je mehr sich die Qualität unseres Bewusstseins im Verlauf unserer inneren Arbeit verändert, und je mehr Klarheit wir über die einzelnen geistigen Komponenten haben, umso deutlicher wird, wie vergänglich und damit veränderbar unser geistiger Zustand ist. Auf diese Weise kommen wir in Kontakt mit der Substanzlosigkeit aller Erscheinungen, und damit mit der Leerheit, die dieser zugrunde liegt.

Wie wir unsere eigene Realität erzeugen …

Mit jeder Handlung, sei es auf geistiger, verbaler oder körperlicher Ebene, erzeugen wir Wechselwirkungen und damit karmische Verbindungen. Deshalb sollten wir verstärkt Achtsamkeit in jedem Moment unseres Lebens üben.
Wenn wir beispielsweise ständig mit dem Gefühl leben, verletzt worden zu sein und dies als real erachten, werden wir immer wieder Situationen im Leben begegnen, die es uns ermöglichen, genau dieses Gefühl wieder zu erzeugen. Wir tragen diese Energie von einem Leben zum nächsten und binden uns dadurch an das Rad der Wiedergeburten.

Ankommen …

Je größer die Anhaftung an das äußere Ich ist, umso schwerer wird das innere Ich, um die Dualität aufrechtzuerhalten. Wir bleiben im Spannungsfeld der beiden (dualistischen) Pole gefangen. Schaffen wir es, unser Ich mehr und mehr loszulassen, kommen wir zunehmend in die Ruhe und treten in (bewussten) Kontakt mit unserem Selbst. Das äußere und innere Ich als Brücke zum Selbst werden überflüssig. Die Dualität ist aufgehoben und – um es mit den Worten des Zen-Meisters Thich Nhat Hanh auszudrücken – wir sind angekommen.

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25. Februar 2010 Allgemeines Keine Kommentare

Das Zusammenspiel von Psyche, Geist und Bewusstsein

Die Bedeutung der drei Begriffe Psyche, Geist und Bewusstsein ist oft nicht klar umrissen. Häufig machen wir es uns schwer, genau zu definieren, worin sie sich eigentlich unterscheiden und welches die jeweiligen Funktionen sind. Aus buddhistischer Sicht handelt es sich um drei verschiedene Aspekte, die im Rahmen unserer inneren Entwicklung eine wichtige Rolle spielen. Nur wenn wir in einem jedem Moment Klarheit darüber haben, auf welcher Ebene wir uns bewegen, können wir auf dem Weg der Befreiung wirklich voranschreiten.

1. Die Psyche

Über die psychische Ebene interagieren wir mit unseren Mitmenschen – sei es im direkten Kontakt oder in unserer Vorstellung. Dabei dient uns das Gegenüber als Projektionsfläche. Oft spiegeln uns unsere Mitmenschen unsere tiefsten Ängste und Befürchtungen oder aber auch unsere unerfüllten Sehnsüchte und Wünsche. Wenn wir uns z.B. darüber aufregen, dass uns jemand auf der Autobahn überholt, kann dies unsere eigene Sehnsucht widerspiegeln, uns über Regeln hinwegzusetzen und entsprechend auf das Gaspedal treten zu wollen.

Die psychische Ebene manifestiert sich in Gestalt von Symptomen wie z.B. Hass, Scham, Angst und Aggression. Die meisten westlichen Psychotherapieverfahren, wie z.B. die Verhaltenstherapie, setzen auf dieser Symptomebene an und versuchen sie zu verändern.

Die Psyche setzt sich aus all unseren in der Kindheit erlernten Abwehr- und Schutzmechanismen zusammen. Ihre Zusammensetzung entsteht also in Abhängigkeit von den zwischenmenschlichen Erfahrungen, die wir in unserem Leben gemacht haben. Hatten wir eine glückliche Kindheit, die durch eine vertrauensvolle Beziehung zu unseren Eltern gekennzeichnet war, werden wir mit Zuversicht und Vertrauen in die Partnerschaften des späteren Lebens starten. Sind unsere Kindheitserfahrungen aber mehrheitlich durch Schmerz und Traumata geprägt, werden wir uns einen entsprechenden Schutzwall von Mechanismen zugelegen, die uns im Alltag begleiten und beschützen sollen. Darüber hinaus spielt die Psyche alle möglichen Spiele, damit wir uns an unser soziales Umfeld anpassen können und Akzeptanz und Bestätigung finden. Wir brauchen die Interaktionen mit unserer Umwelt, um unsere gelernten Verhaltensweisen und Glaubenssätze zu nähren und aufrechterhalten zu können. Im Prozess der Heilung und Bewusstwerdung können uns diese Interaktionen aber auch die Möglichkeit der Veränderung geben. Durch das Ausbrechen aus unseren starren Verhaltensmustern können wir neue Erfahrungen im Umgang mit unseren Mitmenschen machen und so – Schritt für Schritt – die Zusammensetzung unserer Psyche positiv verändern.

In der Buddhistischen Psychologie der Bewusstseinsschule (Consciousness only) entspricht die Psyche dem so genannten siebten Bewusstsein (Pali: manas), dem Egosinn. Seine Funktion besteht hauptsächlich in der Anhaftung an das Ego. Mithilfe von Ängsten, Wunschbildern und Vorstellungen über uns selbst erzeugen wir eine Pseudorealität. Dies führt dazu, dass wir an der Idee einer unveränderlichen, dauerhaften Ichidentität festhalten und uns darüber definieren. Wenn wir uns zu sehr mit dem 7.Bewusstsein identifizieren und es ist nicht als das erkennen, was es ist, schneiden wir uns und unsere Wahrnehmung von der Wirklichkeit im Hier und Jetzt ab. Über die aus dem Egosinn motivierten Interaktionen mit unserer Umwelt erzeugen wir ein Netz von (Selbst)täuschungen und Verwirrung und verlieren den Kontakt zur Realität. Mit Hilfe der Schulung der fünf Sinne können wir aus diesem Teufelskreis der Verblendung ausbrechen. Nur über die direkte Wahrnehmung – das heißt ohne jegliche, subjektive Verzerrung – können wir den Kontakt mit der Realität wiederherstellen und bewahren.

2. Der Geist

Durch die Betrachtung der geistigen Ebene können wir die Funktionsweise unserer Psyche verstehen. Denn die jeweilige Kombination von geistigen Bausteinen erzeugt unseren psychischen Zustand. Durch die geistige Arbeit durchschauen wir das Entstehen der jeweiligen Symptome auf psychischer Ebene und können so unsere Anhaftung daran reduzieren. Angst und Scham sind deshalb nicht aus unserem Leben gewichen, aber sie haben nicht mehr eine so große Macht über uns. Wir können ihnen mit Verständnis und Mitgefühl begegnen und lassen uns nicht mehr davon mitreißen. So entsteht beispielsweise Wut nicht einfach aus sich selbst heraus. Es gibt Bausteine im Hintergrund, die das Symptom Wut erzeugen – ähnlich wie bei der Entstehung einer Erkältung. Damit sich die typischen Symptome einer Erkältung zeigen, müssen nach TCM-Verständnis verschiedene Bedingungen zusammentreffen: Das Immunsystem ist nicht in Balance, der Lymphfluss blockiert und Nieren sowie die Lunge sind kalt geworden.

Im Westen kennen wir diese Herangehensweise im Rahmen der tiefenpsychologisch fundierten Therapieverfahren. Man sucht nach den Ursachen für die Entstehung einer Symptomatik. In der buddhistischen Psychologie sprechen wir von geistiger Arbeit. Man betrachtet den eigenen Geist, um dessen Zusammensetzung und das Zusammenspiel der einzelnen Faktoren zu erkennen.
Unser Geist besteht aus 52 Bausteinen, den so genannten geistigen oder mentalen Faktoren. 49 davon entstehen auf der Grundlage unserer Gewohnheiten.

Je nachdem, welche Erfahrungen wir im Verlauf unseres Lebens gemacht haben und was wir in dieses Leben aus vorangegangenen Existenzen mitgebracht haben, entwickeln wir „Vorlieben” für bestimmte Steine, die wir während der Wanderung durch unser Leben immer wieder vom Wegesrand aufsammeln. Obwohl es Bausteine unterschiedlichster Form und Farbe gibt, neigen wir aufgrund unserer Gewohnheitsstrukturen dazu, immer wieder die gleichen oder ähnliche Steine aufzunehmen. Dies kann unser Leben in vielerlei Hinsicht erleichtern, aber schränkt andererseits unsere Entwicklungsmöglichkeiten ein. Aufgrund mangelnder Offenheit sind wir nicht imstande, über unseren Tellerrand zu schauen.

Wenn jemand in seinem Leben zum Beispiel sehr verträumt ist, keine Ziele hat und immer passiv darauf wartet, dass eines Tages „sein” Glück von außen auf ihn zu kommt, dann beschreibt dieses seinen psychischen Zustand. Im Rahmen der geistigen Arbeit betrachten wir nun die mentalen Faktoren, die hinter den Symptomen liegen: Da finden wir die Bausteine 1. Trägheit, 2. den Zweifel (an sich selbst, er kann deshalb kein Ziel für sich erzeugen) und 3. den Ich-Wahn (Verblendung – er misst seinem Ichempfinden eine übersteigerte Bedeutung bei und hat den Kontakt zur Realität im Hier und Jetzt verloren). Nach außen erzeugt er als Symptom auf der psychischen Ebene „Orientierungslosigkeit”. Wenn wir diesen Menschen fragen würden, „Was ist mit Dir los?”, dann würde er wahrscheinlich nicht die einzelnen Bausteine benennen können. Meistens ist es so, dass wir dann in die Abwehr- und Schutzmechanismen gehen und auf der psychischen Ebene weiter kommunizieren. Botschaften wie, „Du hast mir ja nie ein brauchbares Ziel vorgegeben!”, wären dann die typische Reaktion. Wir schieben die Schuld auf den anderen, oder in Abhängigkeit der eigenen Persönlichkeitsstruktur, nehmen wir die Schuld auf uns selbst „Ja, Du hast recht, wie soll es bloß mit mir weiter gehen?”.

Wenn wir hier, also auf der psychischen Ebene verharren und nicht den Mut finden, hinter die Kulissen zu schauen, lassen wir uns von unseren Ängsten einsperren. Wir werden uns nicht weiterentwickeln und befreien können. Der Zugang zu unserem eigentlich vorhandenen Potential bleibt uns verschlossen.

In der buddhistischen Psychologie können wir den Geist mit dem 6. Bewusstsein, mano, dem Denksinn, beschreiben. Dem Denksinn kommt bereits im traditionellen Abhidhamma eine wichtige Wächterfunktion zu: Alle Wahrnehmungsprozesse, d.h. alle Impulse, die von der Außen- und Innenwelt eintreffen, müssen zunächst das Geisttor passieren, bevor sie weiter verarbeitet werden können. Nur ein wachsamer und achtsamer Geist kann die Weiterleitung unheilsamer oder destruktiver Impulse unterbinden oder ihnen entsprechend begegnen.

Durch die geistige Schulung lernen wir das Entstehen von starren Formen zu vermeiden. Denn: Ein Baustein kommt selten allein. So lange die Faktoren sich noch formieren, können wir unseren geistigen Zustand und damit auch die Auswirkungen auf die Psyche noch konstruktiv verändern. Wenn wir jedoch nicht achtsam genug sind, gesellt sich zu dem vorhandenen Zweifel noch Feindseligkeit hinzu und bewirkt auf der psychischen Ebene bereits das Anspringen eines Abwehrmechanismus „oh, mit diesem Menschen muss ich vorsichtig sein!” Dieser wiederum hat eine Wirkung auf die Formierung der folgenden geistigen Faktoren.

So stehen unsere Psyche und unser Geist in ständiger Wechselwirkung. Dies eröffnet vielversprechende, auch therapeutische, Möglichkeiten: Durch die bewusste Einführung von positiven geistigen Faktoren, wie Liebende Güte, Mitgefühl, Toleranz usw. verändern wir die topographische Landkarte unseres Geistes: Anstelle von schroffen Gebirgslandschaften finden wir dort nach einigem Training sanfte Hügellandschaften. Dies wiederum führt dazu, dass wir die Höhe unseres Schutzwalls zunehmend reduzieren können. Wir können unseren Mitmenschen freier und mit mehr Offenheit begegnen.

3. Das Bewusstsein

Das Bewusstsein an sich ist neutral, es bewertet nicht. Es dient lediglich als Trägersubstanz für die geistigen Faktoren. Ähnlich wie ein Fluss, fließt unser Bewusstseinsstrom, so lange wir leben. Wenn wir eine Stunde am Ufer eines Flusses stehen und das Fließen des Wassers beobachten, werden wir die ganze Zeit über Wasser sehen. Dennoch sind die einzelnen Wassermoleküle, also die Bestandteile des Wassers, die an uns vorbei fließen, immer andere. Manchmal ist auch Gestrüpp und Abfall im Wasser. Genau so verhält es sich mit unserem Bewusstsein auch. Die Qualität der geistigen Faktoren bestimmt über die Zusammensetzung und die Klarheit des Bewusstseins. Auch die Fließgeschwindigkeit des Wassers ist wichtig: Je turbulenter die Wasserbewegung, desto mehr Schlamm wird aufgewirbelt. Es wird unmöglich, den Grund zu sehen.

Je weniger Turbulenzen die Bausteine unseres Geistes im Bewusstsein verursachen, umso klarer können wir den Grund erkennen. Wir betrachten nun mit Hilfe des Bewusstseins die Wechselwirkungen zwischen Psyche und Geist. Wir schauen uns an, wie ein geistiger Baustein hochkommt und das Symptom auf psychischer Ebene erzeugt. Wenn wir den Prozess weiterlaufen lassen, kommen, wie wir oben gesehen haben, weitere Bausteine hinzu und formieren eine immer komplexere Symptomatik auf der psychischen Ebene. Das ganze Gebilde wird zusehends starr und ist dann immer schwerer einer Veränderung zugänglich. Wenn wir beginnen, das Symptom als Werkzeug zu benutzen, z.B. die Wut, um uns zu wehren, haben wir begonnen, es für die Sicherung unserer Existenz einzusetzen. Solche Muster kann man nur schwer auflösen, da das Infragestellen des Symptoms sofort Gefühle der Bedrohung und Existenzangst hervorruft.

Wir können nur auf der Bewusstseinsebene arbeiten, wenn der Geist klar ist. Wenn wir völlig in unseren Emotionen verstrickt sind, können wir die zugrunde liegenden geistigen Faktoren nicht von der Symptomatik auf der psychischen Ebene trennen. Sobald wir eine Wirkung, also ein Symptom, auf der psychischen Ebene haben, ist es bereits zu spät. Dann können wir für diesen Moment nichts mehr verändern. Deshalb ist es so wichtig, Klarheit und Achtsamkeit zu schulen, damit man rechtzeitig das sich zusammenbrauen der geistigen Faktoren erkennen kann. Nur so können wir die Wechselwirkungen der drei Aspekte untereinander in eine heilsame Richtung lenken.

Das hier vorgestellte Bewusstsein entspricht dem 8. Bewusstsein in der buddhistischen Psychologie, dem alaya, oder Lagerhaus-Bewusstsein. Hier sind alle „Samen” unserer Gewohnheitsstrukturen und Erfahrungen aus diesem und vorangegangenen Leben abgelegt. Wir nennen das 8. Bewusstsein daher auch den Existenzsinn, da wir durch diese Gewohnheitsstrukturen unsere Existenz in Samsara definieren. Die Samen selbst können wir nicht auflösen. Was wir aber im Rahmen unserer geistigen Arbeit versuchen aufzulösen, ist unsere Anhaftung an die Samen. Denn diese „Anhaftungsenergie” ist es auch, die uns von einer Wiedergeburt in die nächste drängt.

Wenn nun ein Impuls ungefiltert über den Geist auf die Samen im 8. Bewusstsein trifft, geht er in Resonanz mit bestimmten dort abgespeicherten Gewohnheitsstrukturen, z.B. „die Farbe Rot ist gefährlich!” Die dadurch aktivierte, bis dahin „eingefrorene” Erfahrung wird nun zum 7. Bewusstsein, also zu der Psyche, weitergeleitet. Das wird dann aufgrund der Aktivierung von Abwehrmechanismen dazu führen, dass wir der Frau mit dem roten Kleid mit Vorbehalt und Vorsicht begegnen, obwohl wir sie noch nie zuvor in unserem Leben gesehen haben. Diese Interaktion wiederum wird bestimmte Erfahrungen zur Folge haben, z.B. dass diese Person auf uns mit Ablehnung reagiert. Dies nehmen wir über die fünf Sinne und unseren Geist auf und es nährt wiederum den bereits vorhandenen Samen in unserem 8. Bewusstsein. Wir werden in der Zukunft noch sensibler auf die Farbe Rot reagieren.

Es ist so wichtig für unsere spirituelle Entwicklung, dass wir das Zusammenspiel von Psyche, Geist und Bewusstsein in der Tiefe verstehen: Alle drei Aspekte erzeugen ständig Wechselwirkungen. Wir müssen uns trainieren, dass wir ein Bewusstsein für das Sein, wie es in einem gegebenen Moment ist, entwickeln und die jeweiligen Wechselwirkungen rechtzeitig erkennen. Wenn der Geist ruhig ist und die einzelnen Bausteine nicht so schnell hin- und herspringen, haben wir die Möglichkeit, klarer zu sehen. Wir sind uns des Dramas bewusst, welches auf der Bühne unserer Psyche gerade aufgeführt werden will, aber wir müssen nicht in das Geschehen hineinspringen. Wir nehmen es zur Kenntnis und bleiben mit unserem Bewusstsein im Hier und Jetzt.

Darüber hinaus können wir uns trainieren, neue, heilsame Bausteine in unserem Geist zu fördern, z.B. Glück und Freude. Dies ist zugegebenermaßen gerade zu Beginn der Praxis nicht einfach. Irgendwas passiert im Außen und man ist wieder versucht, den alten, vertrauten „Schuldgefühl-Baustein” darauf zu packen. Geben wir uns die Chance, unsere Psyche, unseren Geist und unser Bewusstsein aktiv in eine heilsame Richtung zu verändern.

BewusstseineGeist_Psyche_BWS

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25. Februar 2010 Allgemeines 1 Kommentar

Gier, Hass und Verblendung verstehen

GierHassVerblendungIn der buddhistischen Literatur werden Gier, Hass und Verblendung oft als die drei geistigen Gifte bezeichnet, die den Nährboden für alle unheilsamen Handlungen auf geistiger, verbaler und körperlicher Ebene in unserem Leben bereiten.
Wenn man dies liest, erzeugen die Begriffe eine gewisse Schwere und wecken eher negative Assoziationen. Es nährt die nach wie vor in einigen Kreisen verbreitete Ansicht, der Buddhismus sei eine Philosophie von und für Pessimisten.

Was steckt hinter den Begriffen Gier, Hass und Verblendung?

Jeder Mensch trägt Aspekte dieser drei in sich – jedoch ist es abhängig vom Persönlichkeitstyp und von der jeweiligen Lebenssituation, welches Thema im Vordergrund steht. Jeder der drei Kategorien liegt ein Mangel an etwas zugrunde. Erkennen wir die Dynamik zwischen Mangel und Kompensation, betrachten wir die entstehenden „Symptome” also als Überlebensmechanismus, können wir Gier, Hass und Verblendung in unserem Alltag besser verstehen und konstruktiver damit umgehen.

1. Gier (Unsicherheit)

Mit Hilfe der Gier versuchen wir einen inneren Mangel an Sicherheit durch das Greifen nach Objekten im Außen zu kompensieren – wir halten uns an ihnen fest, sie geben uns Halt und füllen die innere Leere. Der Schwerpunkt der Kompensation liegt häufig auf der materiellen Ebene in Form der Anhäufung von Besitz oder übermäßigem Gebrauch von Genuss- und Suchtmitteln. Er kann sich aber auch auf der geistigen Ebene, beispielsweise als Gier nach Anerkennung oder Wissen, manifestieren.

Ganze Industriezweige profitieren von dem Spiel mit der Unsicherheit. In der Lebens- und Genussmittelbranche ist es sehr offensichtlich, ebenso in der Pharmaindustrie, zum Beispiel über das Schüren von Ängsten vor Infektionskrankheiten und gleichzeitigem Anpreisen von teuren Impfstoffen.
Subtiler läuft das Geschäft mit der Unsicherheit in der Versicherungsbranche: Durch gezieltes Erzeugen von Angst vor der Zukunft mit gleichzeitigem Apell an das Verantwortungsgefühl. „Was soll aus Ihrer Frau werden, wenn Sie eines plötzlichen Todes sterben?” Auf diese Weise werden viele Lebensversicherungen erfolgreich an den Mann gebracht.

Abgesehen von objektiv lebensbedrohlichen Situationen, wie z.B. in Kriegszeiten oder bei Naturkatastrophen, entwickelt sich das Gefühl der Unsicherheit meist aufgrund von Angst vor Veränderungen. Sobald wir mit Veränderungen in für uns wichtigen Lebensbereichen konfrontiert werden, stellen wir fest, dass Dinge, Menschen oder Umstände, auf die wir uns zuvor verlassen haben, nicht mehr in gleicher Weise vorhanden sind. Da wir die Quelle für unser Gefühl der Sicherheit in das Außen verlagert haben, sind wir davon abhängig. Bricht dieses Fundament weg, schwimmen wir und verlieren die Kontrolle.

Oft ist das Gefühl der Unsicherheit so stark ausgeprägt, dass es von einer Generation zur nächsten weitergegeben wird. Dies ist besonders bei so genannten Nachkriegsgenerationen der Fall. Mit Hilfe von Generationsaufstellungen und Stammbaumanalysen kann man die Weitergabe an die Nachkommen sichtbar machen. Es ist wichtig, dass wir diese Samen von Ängsten und Unsicherheiten erkennen und uns immer wieder vergegenwärtigen: Es sind nicht unsere Ängste, wir haben sie lediglich „adoptiert”. Wenn wir eigene Kinder haben, sollten wir darauf achten, die Samen der Angst nicht an sie weiterzugeben. Es liegt in unserer Verantwortung als Praktizierende, die Kette der Angst in unserer Generation zu unterbrechen. Niemand sonst kann dies für uns tun.

2. Hass (Mangel an Liebe)

Destruktive Emotionen wie Unzufriedenheit, Hass und Wut entstehen, weil man etwas, was man sich gewünscht hat, nicht bekommen hat. In den meisten Fällen ist die Ursache fehlende Liebe. Wenn wir in unserer Kindheit keine Liebe erfahren konnten, wachsen in uns Hass und andere negative Emotionen, wie Neid auf diejenigen, die bekommen, was uns vorenthalten wurde. Wir entwickeln eine andauernde Unzufriedenheit und können unser Leben nicht mehr unvoreingenommen genießen.

Es ist sehr schwierig, fehlende Liebe nachträglich zu ersetzen. Der Ratschlag, doch die Selbstliebe zu entwickeln, um unabhängig von der Liebe anderer zu werden, ist für viele Menschen so nicht umsetzbar. Daher ist es hilfreich, zunächst Verständnis und Mitgefühl für unsere Eltern zu entwickeln. Warum konnten sie uns keine oder nicht genügend Liebe geben? War ihr eigenes Leben vielleicht durch Krieg, familiäre Zerwürfnisse und Krankheit geprägt, so dass es ihnen unmöglich war, selbst Liebe zu erfahren?

Wenn wir sie aus der Tiefe unseres Herzens verstehen können, vergehen der Hass und die Wut auf unsere Eltern. Erst auf dieser Basis können wir nach und nach die Liebe für uns selbst entwickeln.

3. Verblendung (Unwissenheit)

Die Unwissenheit wird als Grundlage für die Entstehung aller anderen „Übel” gesehen. Nur im „verblendeten Geisteszustand” verbinden wir uns mit Gier und Hass und nähren sie. Ein klarer Geist erkennt die destruktiven geistigen Faktoren, nimmt sie wahr, aber „lässt sie dann sitzen”, d.h. man identifiziert sich nicht mit ihnen und springt nicht hinein.

Im geistigen Zustand der Unwissenheit blenden wir (meist unbewusst) Faktoren, die wir nicht sehen wollen, aus. Das führt dazu, dass uns „Stücke der Realität” fehlen. Die Verblendung entsteht, weil wir zu sehr um uns selbst rotieren. Wir nehmen uns selbst zu wichtig, fokussieren zu sehr auf unsere eigenen Schwächen oder auch Stärken und gestehen anderen nicht die gleiche Wertigkeit zu. Unsere eigene Realität ist mehr wert als die der anderen. Deshalb ist es uns nicht möglich, das ganze Bild mit all seinen Facetten wahrzunehmen. Wir sprechen daher in der buddhistischen Psychologie auch manchmal von „Ich-Wahn”, anstelle von Verblendung. Wir erzeugen in der Konstellation von Befriedigung oder Nicht-Befriedigung ein Gefühl von Ich-Identität, z.B. wertig oder nicht-wertig. Aber wir sind viel mehr als dieses Gefühl – dennoch nehmen wir es als Wirklichkeit wahr und verbinden es mit der Vorstellung eines Ichs.

Egal ob der Schwerpunkt in unserem subjektiven Erleben auf der Gier (Unsicherheit), den destruktiven Emotionen wie Hass und Unzufriedenheit oder der Verblendung (Unwissenheit, Ich-Wahn) basiert, wir erzeugen uns durch das Verstärken der Dualität eine Ich-Identität und fühlen uns dadurch vermeintlich sicher. Wenn wir in uns häufig Gefühle von Frieden und Harmonie verspüren, ist die Notwendigkeit zur Abgrenzung von anderen und damit die Anhaftung an das Ich nicht so stark ausgeprägt. Wir leben im Einklang mit unseren Mitmenschen und mit uns selbst, daher benötigen wir keine Schutz- und Abwehrmechanismen. Wir müssen nicht mehr unterscheiden zwischen Du und Ich und können die Gleich-Gültigkeit allen Seins in der Tiefe unseres Herzens erfahren.

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25. Februar 2010 Allgemeines Keine Kommentare

Die 6 Stufen der Bodhisattwas: Hilfreiche Begleiter auf dem Weg

Vesakh Ostpark 2Auf dem Pfad der geistigen Schulung gibt es bekanntermaßen Höhen und Tiefen. Wenn alles gut läuft, wir in der Meditation die gewünschte Ruhe und Frieden finden können, sind wir guter Dinge. Aber dann, wenn die Realitätsprüfung im Alltag, z.B. in Gestalt von Konfrontationen mit unseren Mitmenschen kommt, sieht es schnell ganz anders aus: Die soeben noch spürbare Ruhe und Gelassenheit auf dem Sitzkissen, wandelt sich schnell in Angespanntheit und Ärger.

Diese Diskrepanz in unserem Erleben kann dazu führen, dass wir uns zunehmend aus dem Alltag und der Realität in die Fantasiewelt eines geschlossenen Systems zurückziehen. Wir vergessen dabei, dass alle natürlichen Systeme ihrer Natur nach offen sind, um überleben und sich entwickeln zu können. Die zwischen „uns und den Anderen” zwangsläufig entstehenden Wechselwirkungen sind ein guter Test, um uns selbst kritisch zu überprüfen, wo wir in unserer geistigen Entwicklung stehen. Daher ist es nicht förderlich, sich ausschließlich in die Welt der meditativen Versenkung zu flüchten und sich dem Hier und Jetzt unseres weltlichen Alltags völlig zu entziehen.

Wie häufig im Leben, ist der „Weg der Mitte” und Ausgewogenheit angesagt. Zu bewältigende Konfliktsituationen, aufkommende Gefühle und Emotionen, Stress und Überforderung gehören genauso zu unserem Leben, wie Zeiten der inneren Einkehr und Harmonie. Die Art und Weise jedoch, mit welcher wir den Herausforderungen des Alltags begegnen, verändert sich mit fortschreitender, geistiger Entwicklung. Konflikte und Belastungen werden nicht etwa weniger, aber wir können zunehmend gelassener damit umgehen.

Im Mahayana-Buddhismus haben sich für die Praktizierenden folgende sechs Stufen als hilfreiche Qualitäten für den Umgang mit sich selbst, aber auch mit den Mitmenschen, bewährt. Gerade auch in der heutigen Zeit können sie uns helfen, immer wieder auf den Weg zur Befreiung zurückzufinden – besonders dann, wenn es schwierig und unübersichtlich wird.

Die 6 Stufen (traditionell die 6 Vollkommenheiten genannt) sind:

1. Teilen (dana – traditionell übersetzt als Großzügigkeit)
2. Disziplin (sila – traditionell übersetzt als Tugend)
3. Geduld (kanthi)
4. Anstrengung (viriya – traditionell übersetzt als Energie oder Kraft)
5. Gelassenheit und Ruhe (samadhi – traditionell übersetzt als Sammlung)
6. Klarheit (panna – traditionell übersetzt als Weisheit).

1. Teilen – „Geteiltes Leid ist halbes Leid”

Wir alle haben diese Erfahrung bereits gemacht: Wenn wir unseren Schmerz und unser Leid mit jemanden teilen, wird die Situation, wie unerträglich sie auch zunächst erschien, erträglicher. Oft hilft uns dieses (Mit)teilen, unser Leid zu relativieren. Wir erkennen, dass sich auch die Menschen um uns herum in ähnlicher Weise mit ihrem Leid auseinandersetzen müssen. Wir sind also gar nicht so einzigartig. Wenn wir diese Erkenntnis auf andere Dinge in unserem Leben übertragen, sei es auf andere Gefühle und Emotionen oder auch auf Gegenstände, verlieren diese ihre Besonderheit und damit einen Großteil der Wichtigkeit für uns. Wir sind eher geneigt, sie loszulassen und zu teilen. Das macht uns freier und unabhängiger und stärkt das Gefühl der Verbundenheit mit anderen fühlenden Wesen.

Das Teilen können wir besonders gut in einer Gruppe Gleichgesinnter üben. Denn dann haben wir die Sicherheit, dass das, was wir teilen möchten, mit Liebe und Verständnis aufgenommen wird, ohne direkt bewertet zu werden. Deshalb sagt der Buddha in seinen Lehren immer wieder, dass es für einen Praktizierenden wichtig ist, die richtigen Freunde zu wählen – also solche, mit denen wir den Weg der Befreiung teilen können. Dies erleichtert die eigene Praxis und bereitet zudem auch viel mehr Freude.

2. Disziplin – „höre nicht auf, gib’ nicht auf!”

Gerade zu Beginn unseres spirituellen Weges kämpfen wir oft mit Zweifeln und anderen inneren (und äußeren) Hindernissen. Wir benötigen dann viel Durchhaltevermögen und Disziplin, um diese Schwierigkeiten immer wieder zu überwinden und trotzdem frohen Mutes weiter zu praktizieren. Dies macht die Entwicklung der dritten Stufe erforderlich.

3. Geduld – „es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen”

Viele, vor allem leistungsorientierte Menschen der heutigen Zeit, haben nur wenig Geduld – sowohl mit sich selbst, als auch mit Anderen. Umso wichtiger ist es, sich den Nutzen dieser Qualität immer wieder zu vergegenwärtigen. Wenn wir z.B. sehen, wie sehr jemand leidet und wir haben nicht die Möglichkeit, ihm in diesem Moment zu helfen, müssen wir Geduld aufbringen. Wir warten dann auf den richtigen Moment, in welchem er die Hilfe annehmen kann. Geduld hat daher auch viel mit Verständnis und Verzeihen zu tun. Denn wir wissen aus Erfahrung, unser Kind, unser Partner oder unser Schüler wird wieder den gleichen Fehler machen und lernt immer noch nicht daraus. Dies erfordert, dass wir tiefes Verstehen und Verzeihen üben, um die Geduld füreinander kultivieren zu können.

Wenn wir die drei Qualitäten Teilen, Disziplin und Geduld in unseren Beziehungen praktizieren, haben wir die „Liebe” aus buddhistischer Sicht verwirklicht: Egal, was passiert, wir teilen alles miteinander, und egal wie die Beziehung ist, wir geben nicht auf, und egal, wie oft unser Partner oder wir selbst die Fehler wiederholen, wir haben die Geduld füreinander. Denn alles ist vergänglich und geht vorüber – die glücklichen und die leidvollen Momente.

Mit uns selbst müssen wir auch auf diese Weise umgehen. Wenn Sie ein großes Problem haben, dann versuchen Sie es in kleine Teile aufzuteilen. Besprechen Sie es mit Ihrer Familie, Ihren Freundinnen oder Ihrem Meister. Auch ein großes Problem wird so – Schritt für Schritt – überwindbar. Wir dürfen nur nicht aufgeben und müssen lernen, Geduld zu üben.

4. Anstrengung – „vor der Erleuchtung Holz hacken und nach der Erleuchtung Holz hacken”

Wenn wir die vorangegangenen Stufen betrachten, wird deutlich, ohne Anstrengung und Bemühen kommen wir nicht weit! Selbst die Disziplin können wir ohne Energieaufwand nicht lange aufrechterhalten. Über den Kopf wissen wir, kontinuierliches, geistiges Training ist anstrengend. Wir sagen uns, Erleuchtung ist gut, aber wir schaffen es nicht, jeden Tag um 5 Uhr aufzustehen.

5. Gelassenheit und Ruhe – „nur in der absoluten Ruhe und Stille sieht man die Bewegung”

So lange wir unser Ich (Ego) mit all seinen Sehnsüchten und Begierden noch zu ernst und wichtig nehmen, werden wir in der Rastlosigkeit bleiben. Deshalb ist es hilfreich, sich die Gleich-Gültigkeit aller Dinge zu vergegenwärtigen. Man kann dies tun, indem man darüber reflektiert, dass jedes Wesen, jede Ansicht, seine/ihre Existenzberechtigung hat und niemand und nichts wichtiger oder unwichtiger ist als man selbst. Jeder ist zu jedem Zeitpunkt ersetzbar. Diese Einsicht befreit und entzieht den Nährboden für übermäßigen Ehrgeiz, Neid, Konkurrenzdenken und die Illusion der eigenen Einzigartigkeit. Der Alltag – sei es beruflich oder privat – kann um einiges entspannter werden.

Daraus folgt, man muss weder tausende Verbeugungen machen, noch eine Million Mantren rezitieren, um Ruhe und Gelassenheit zu kultivieren. Es geht mehr um das Loslassen unserer Ansichten und Konzepte. Die Gelassenheit können wir nur erlangen, wenn wir in einem Augenblick begreifen, dass wir unser Leid loslassen müssen. Und manchmal kommt dieser Augenblick nicht durch die Belehrung von einem Meister, sondern von einem Kind oder von irgendjemandem: Es ist wie ein Schlag vor den Kopf – der berühmte „Aha-Effekt”.

Samadhi beinhaltet nicht, dass man sich unbedingt auf einen Fokus konzentriert, sondern Versenkung oder tiefe Ruhe. Der Weg dahin, kann alles Mögliche sein, aber das Ziel ist, dass wir die Ruhe in uns finden. Diese erlangen wir nur, wenn wir in einem Augenblick diesen click, ein tiefes Erkennen, erfahren haben.

6. Stufe: Klarheit – „mit der Klarheit kommt die Verantwortung”

Wir benötigen diesen Moment des Erwachens, um unsere Ansichten wirklich zu verändern oder loszulassen. Daraus entwickelt sich dann die letzte Stufe, die Klarheit. Es ist nicht so, dass wir, wenn unser Geist erstmal Ruhe und Klarheit erlangt hat, nur noch in der meditativen Versenkung verweilen und uns nicht mehr in den Trubel des Alltags begeben. Ganz im Gegenteil – man kann sagen, Klarheit verpflichtet. Denn je klarer wir das Prinzip von Ursache und Wirkung sehen und die gegenseitige Abhängigkeit der Dinge verstehen, desto mehr Verantwortung tragen wir. Wir erkennen sofort, dass wir die Wasserpfütze auf dem Boden entfernen müssen, weil sonst jemand ausrutschen könnte. Wir sehen auch, wann wir uns zurückhalten müssen, um einem anderen die Möglichkeit des Wachstums zu geben. Ohne einen klaren Geist werden wir immer wieder auf der Basis unseres Ich (Egos) agieren – erst die Klarheit ermöglicht es uns, andere fühlende Wesen wirklich in ihrer Entwicklung zu unterstützen.

Eine Stufe nach der anderen …

Man muss die Stufen nacheinander kultivieren und kann nicht direkt in die Gelassenheit und Ruhe „springen“. Die meisten Menschen aber wollen umgekehrt vorgehen: Erst Klarheit, dann Gelassenheit und dann erst wollen sie Anstrengung und Geduld üben. Auf diese Weise funktioniert es aber leider nicht.
In der Regel ist es so, dass wir diese Stufen mehrmals durchlaufen müssen. Wir schaffen es nicht, direkt auf die absolute Ebene zu gehen. Denn dann würde „Teilen” nämlich „gib’ alles, behalte nichts” bedeuten. Dieser Anspruch beschert uns eher das Gefühl der Überforderung und weniger die Ermutigung und Unterstützung, die wir auf unserem Weg benötigen. Je häufiger wir die Stufen durchlaufen, umso mehr Chancen haben wir, unsere geistigen Qualitäten zu trainieren. So erlangen wir nach und nach mehr Klarheit, was dann wiederum die Kultivierung der anderen Qualitäten positiv unterstützt.

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25. Februar 2010 Allgemeines 3 Kommentare

Auf der Suche nach dem Glück…

Lotus 2Jeder Mensch hat eine andere Vorstellung von Glück: Für denjenigen, der gerade eine schwere Krankheit überwunden hat, bedeutet die wiedererlangte Gesundheit oder auch einfach nur der Fakt, noch am Leben zu sein, das Glück. Andere wiederum suchen ihr Glück im Außen, z.B. über die Anhäufung materieller Güter oder über Anerkennung und Ruhm.

Oft ist es aber so, dass wir gar keinen wirklichen Zugang zu unserem Glück haben. Wir haben zwar vage Vorstellungen darüber, was uns wohl glücklich machen könnte, aber wir vergessen dabei, dass sich das wahre Glück gerade in diesem Moment vor unseren Augen befindet: Wir müssen nur richtig hinschauen, oder noch besser: Richtig hinfühlen! Die Glücksempfindung ist im Hier und Jetzt.
Viel leichter fällt es uns, uns mit den leidvollen Momenten in unserem Leben zu verbinden. Es steht außer Frage, Leiderfahrungen sind wichtig, sie gehören zu jedem Leben dazu. Nur durch die Erfahrung von Leid und Schmerz lernen wir den gegenwärtigen Augenblick wertzuschätzen. Glück und Leiden sind zwei Seiten einer Medaille. Sie sind Ausdruck der Dualität, die unser tägliches Leben charakterisiert. Wir dürfen jedoch unser Existenzgefühl nicht über das Leid definieren. Für unser inneres Gleichgewicht und unsere Gesundheit ist es daher wichtig, dass wir uns nicht zu sehr auf die leidvollen Aspekte konzentrieren und uns dadurch Lebensfreude und –kraft nehmen.

Wie können wir uns (erneut) mit dem Glück in unserem Leben verbinden?

Gehen wir in der Erinnerung in unsere Kindheit zurück – zu irgendeinem Zeitpunkt gab es sicherlich einen Moment, in welchem wir tiefes Glück empfunden haben. Schauen wir uns dieses Glücksmoment genauer an: Welche Personen waren daran beteiligt? Wie waren die situativen Umstände und Bedingungen? Was wurde getan/gesagt/gemacht, damit wir dieses Glück in uns spüren konnten?
Dieser Glücksmoment (oder mehrere davon) in unserer Kindheit hat maßgeblich dazu beigetragen, dass wir in unserem Leben ein bestimmtes Glückskonzept in uns tragen. Instinktiv versuchen wir immer wieder, diese Kindheitserfahrung wiederherzustellen. Wir suchen nach ähnlichen Personen und Umständen, damit wir unser Glücksgefühl wiederbeleben können. Das ist nur natürlich, aber es schränkt ganz entscheidend unsere Möglichkeiten und unser Erleben ein. Indem wir nur auf dieses eine Glückskonzept fokussiert sind, nehmen wir die vielfältigen, anderen potentiellen Glücksmomente gar nicht wahr. Sie ziehen unerkannt an uns vorbei, wie die vielen Wolken am Himmel.

Es kann daher heilsam sein, über neue Wege zum Glück zu reflektieren. Was ist es eigentlich, wonach ich immer wieder suche? Welche Aspekte finde ich in meinen Glückserfahrungen immer wieder? Ist es das Gemeinschaftsgefühl, das Abenteuer, die Lebendigkeit oder die Freiheit? Je nachdem, um welchen individuellen Aspekt es sich handelt, können wir versuchen, diesen in neuen Rahmenbedingungen zu erfahren. Haben wir bisher die Freiheit auf unseren Reisen durch die Welt versucht zu finden, können wir uns nun als Experiment auf die Reise nach innen begeben.

Der nächste Schritt wäre, eine völlig neue Erfahrung – jenseits der ausgetretenen „Aspekt-Pfade” – zu suchen. Dazu müssen wir uns erstmal in das Reich unserer Fantasie begeben. Was können wir uns vorstellen, könnte uns sonst noch glücklich machen? Damit erweitern wir das Spektrum unserer Glückskonzepte um mögliche Alternativen: Wenn eines nicht funktioniert, haben wir so noch andere Wege zum Glück „auf Lager”. So wird unser Leben wenigstens ein bisschen glücklicher.

Mit Hilfe von geistigem Training können wir uns zunehmend von den unsere Möglichkeiten einschränkenden Aspekten befreien. Wir benötigen die vorher scheinbar unabdingbare Freiheit oder die Fürsorglichkeit unseres Partners nicht mehr, um das Glücksgefühl für uns zu erzeugen. Wir finden es im Hier und Jetzt – unabhängig von inneren und äußeren Begebenheiten. Das macht uns frei und je freier wir selbst sind, umso unvoreingenommener und leichter können wir unsere Mitmenschen allein durch unser Dasein glücklich machen.
Es gibt darüber hinaus viele, verschiedene Methoden, mit deren Hilfe wir unser Glück wiederfinden können.

Tröpfchenmeditation: Das Sammeln von Glückströpfchen

Wenn Sie die Vorstellung des „großen Glücks” eher abschreckt und Sie Schwierigkeiten haben, herauszufinden, was Sie wirklich glücklich macht, können Sie die Tröpfchenmeditation ausprobieren.
Dazu lenkt man die Aufmerksamkeit und Achtsamkeit auf jene Momente im Alltag, in welchen man positive Empfindungen verspürt, also Freude, Wohlbefinden und eben Glück. Diese kurzen Momente versucht man intensiv und sehr bewusst wahrzunehmen, um sie dann „abzuspeichern”. Das heißt, man legt eine Art „Glückvorrat” an, auf welchen man in schwierigen Zeiten zurückgreifen kann. Am Ende eines Tages kann man sich dann nochmal auf die Glückstropfen rückbesinnen. Nach einiger Übung wird man feststellen, dass es mehr Glücksmomente im Alltag gibt als zunächst angenommen – man war sich dessen nur nicht bewusst. Wir tendieren dazu, auf das Leid zu fokussieren.

Glück und Dankbarkeit liegen eng beieinander

Wir können beispielsweise unsere Hand vor unsere Augen halten und einfach nur betrachten. Stellen Sie sich vor, Ihre Hand wäre nicht mehr da. Versuchen Sie dann, Dankbarkeit und Glück dafür zu empfinden, dass Sie jeden Tag aufs Neue für Sie da ist, um Ihr Leben zu ermöglichen und zu bereichern. Stellt man sich vor, unsere selbstverständlichsten Dinge wären nicht mehr vorhanden, erkennen wir erst, was für ein großes Glück uns jeden Tag beschert wird.

Wie wir sehen, ist das Gefühl von Glück eng mit dem Gefühl der Dankbarkeit verbunden.
Eine erweiterte Art der Dankbarkeit ist die Würdigung der Eltern, Großeltern, Urgroßeltern – all derer, die uns vorangegangen sind. Ohne unsere Eltern gäbe es uns nicht. Ohne die Eltern unserer Eltern gäbe es unsere Eltern nicht. So viele Generationen haben es ermöglicht, dass wir heute hier sind. Wir tragen so viel Gutes in uns. Dafür können wir jeden Tag Dank aussprechen. Dies können wir abends vor dem ins-Bett-Gehen tun, um dann mit diesem Gefühl von Dankbarkeit und Glück einschlafen zu können.

Und für unser Aufstehen können wir uns drei Versprechen an uns selbst merken, an die wir uns liebevoll erinnern, sobald wir aufwachen:

1. Ich verspreche mir, heute weder mich, noch andere Menschen zu verletzen. Es ist so wichtig, sich daran zu erinnern: Verletzen wir Andere, so nehmen sie auch keine Rücksicht auf uns selbst, das heißt, letztendlich schaden wir uns immer auch selbst.

2. Ich will lernen, mir selbst zu verzeihen und mich lieben zu können. Dann kann man auch allen Anderen verzeihen und sie wertschätzen und lieben. Dies entspannt und erleichtert unsere zwischenmenschlichen Beziehungen und Interaktionen.

3. Ich möchte friedlich mit allen fühlenden Wesen leben. Wir wollen dadurch unser Mitgefühl nicht auf einige wenige Personen beschränken, sondern zu allen Wesen eine friedliche und liebevolle Beziehung entwickeln. Über die Kultivierung dieser altruistischen Grundhaltung senden wir jeden Tag heilsame Impulse in die Welt.

So startet man einen neuen Tag. Tragen wir diese Gedanken im Alltag in uns, können wir mit Situationen jeglicher Art konstruktiver umgehen. Auf diese Weise können wir Schritt für Schritt Achtsamkeit in uns zu entwickeln – Achtsamkeit für das Glück in jedem Moment unseres Lebens.

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25. Februar 2010 Allgemeines 3 Kommentare

Die Leerheit im Alltag praktizieren…

WegGehen

Es liegt in der Natur der Sache, dass es schwierig ist, die Leerheit zu beschreiben. Folgende Begriffe können jedoch einige Hinweise geben.

Die Leerheit zeichnet sich aus durch (vgl. Lamotte 1944):

  • Gleich-Gültigkeit,
  • Los-Lösung,
  • die Abwesenheit einer Grundlage,
  • die Substanzlosigkeit,
  • das Nicht-Kennzeichen und
  • das Nicht-in-Betracht-Ziehen.

Die oben genannten Begriffe können wir als Schritte betrachten, mit deren Hilfe wir uns von unseren Konzepten befreien und die Leerheit in unserem Leben üben und umsetzen können. Besonders in äußeren und inneren Konfliktsituation können die Schritte als eine Art Leitfaden zur (Auf)lösung dienen. Wichtig ist, dass wir sie der Reihe nach nacheinander durchlaufen, um die damit verbundenen, notwendigen geistigen Prozesse auch wirklich in der Tiefe zu erfahren. Oft ist es aber im Gefühlswirrwarr des Alltags so, dass wir uns irgendwo zwischen 1 und 6 wiederfinden und nicht am Anfang. Wir sollten uns daher schulen, in jedem Augenblick, unseren geistigen Zustand in seinen Komponenten erfassen, also identifizieren, zu können. Erst dann wissen wir, wo wir ansetzen können. Ohne die vorangegangene Diagnose einer Erkrankung, wird die Therapie bekanntermaßen schwierig und wenig erfolgreich.

1. Gleich-Gültigkeit

Gleich-Gültigkeit bedeutet, jedes Objekt, sei es eine Person oder eine Verhaltensweise, hat die gleiche Existenzberechtigung. In Bezug auf seine Wertigkeit ist alles Sein gleich. Deshalb dürfen wir im Buddhismus auch keine fühlenden Lebewesen töten.

Das bedeutet nicht, dass wir alle gleich sind – jeder ist individuell. Wenn wir dies wirklich verinnerlichen, können wir auch die Bedürfnisse und Gefühle des Anderen besser akzeptieren. Das bedeutet auch, dass wir den Neid unseres Nachbarn nicht zu unserem Problem machen müssen. Geben wir der Gefühlswelt anderer und unserer eigenen die gleiche Wertigkeit, können wir die Dinge auch leichter mal „so stehen lassen” und müssen nicht auf den Zug aufspringen. Besonders in einer Partnerschaft oder im Zusammenleben einer Gemeinschaft ermöglicht uns das Verinnerlichen der Gleich-Gültigkeit, einander Raum zu geben, und Respekt für den anderen zu entwickeln.

2. Die Los-Lösung

Wenn wir direkt vor einer Wand stehen, können wir nur einen kleinen Ausschnitt davon wahrnehmen. Entfernen wir uns drei Schritte von ihr, sehen wir Dinge, die wir vorher gar nicht sehen konnten. Ähnlich ist es im Alltag, vor allem bei der Lösung von Konflikten: Nur wenn wir die Probleme ein Stück weit loslassen, können wir Lösungen dafür finden. Das Abstandnehmen ermöglicht uns das Entdecken neuer Perspektiven, erweitert unser Gesichtsfeld.

Oft sieht es in akuten Konfliktsituationen aber ganz anders aus. Wir verteidigen unsere Position mit Händen und Füßen und wollen sie eher stärken. Wir tun dies, um uns von unserem Kontrahenten abzugrenzen und unser Anderssein zu unterstreichen. Dadurch meinen wir, unsere Existenz zu sichern.

Zen-Meister Thich Nhat Hanh hat für die Lösung von Konflikten so genannte Friedensregeln aufgestellt. Eine Regel davon besagt, dass man den Konfliktstoff zunächst 24 Stunden ruhen lässt, bevor man erneut darüber diskutiert. Oft ist es so, dass sich das ursprüngliche Problem bereits aufgelöst hat oder aber, dass sich aufgrund der Distanz dazu neue Lösungsstrategien ergeben haben.

3. Die Abwesenheit einer Grundlage

Wenn wir unsere Position im Rahmen eines Konflikts verteidigen, tun wir dies meist auf der Basis einer grundlegenden Annahme, mit welcher wir Dualität erzeugen. Zum Beispiel, indem wir sagen, weil wir männlichen Geschlechts sind, brauchen wir nicht den Müll herausbringen.

Um Konflikte wirklich zu lösen, müssen wir diese Grundlagen in Gestalt von Annahmen loslassen. Am besten gelingt dies, indem wir die Achtsamkeit im Hier und Jetzt praktizieren. Denn: Wer kann sagen, ob die Verärgerung unseres Chefs vom Vortag heute überhaupt noch aktuell ist? Vielleicht ist er uns heute wohlgesonnen und wir würden mit unserer Anhaftung an den gestrigen Tag lediglich ein Wiederbeleben einer an und für sich bereits vergangenen Erfahrung provozieren.

4. Die Substanzlosigkeit

Wie eingangs erwähnt, sind aus buddhistischer Sicht alle Erscheinungen leer. Auch Annahmen, wie z.B. „Herr Müller ist aber dumm!” haben keinerlei Substanz – sie haben nichts mit der betreffenden Person an sich zu tun, sondern beruhen lediglich auf den subjektiv wahrgenommenen Wechselwirkungen zwischen zwei Objekten.

5. Das Nicht-Kennzeichen

Wir schreiben den Dingen Merkmale oder Kennzeichen zu – auch diese basieren auf Annahmen. Beispielsweise bezeichnen wir bestimmte Gefühlszustände als Traurigkeit, aber was bedeutet schon Traurigkeit? Es handelt sich lediglich um eine vorübergehende Kombination von geistigen Faktoren wie Leid, Resignation und vielleicht noch Hilflosigkeit. Sobald wir versuchen, Dinge zu kennzeichnen, halten wir die Erscheinungen fest und binden uns bzw. unsere Aufmerksamkeit dadurch an die Vergangenheit. Wir verlieren den Kontakt zum Hier und Jetzt.

Daher sollten wir überprüfen: Ist das, was ich fühle, immer noch Ärger oder hat sich die Zusammensetzung meiner geistigen Faktoren bereits verändert?

6. Das Nicht-in-Betrachtziehen

Der vorher empfundene Ärger ist jetzt nicht mehr notwendigerweise Ärger – wir haben ihn losgelassen und sind offen für das, was sich in unserem Geist im jeweiligen Moment zeigt – ohne Voreinstellungen und Erwartungen. Wenn wir das Nicht-in-Betrachtziehen üben, können wir der Leerheit Raum geben und Offenheit praktizieren. Wir können die Dinge wahrnehmen, wie sie wirklich sind – in all ihrer Fülle und Vielfalt.

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25. Februar 2010 Allgemeines Keine Kommentare

Die Leerheit als Quelle der unendlichen Möglichkeiten…

ErleuchtungKaum ein Begriff der Buddhistischen Philosophie wird so häufig missverstanden wie der der Leerheit. Insbesondere im Westen haben viele Menschen Schwierigkeiten, Zugang zu diesem so zentralen Punkt des Buddhismus zu bekommen. Oft wird „die Dinge sind leer” mit „die Dinge sind nicht vorhanden” gleichgesetzt. Dem ist aber nicht so.

Vom leer sein zur Leerheit …

Zu Beginn des Buddhismus, also zu Buddhas Lebzeiten, wird die Leerheit in den meisten Lehrreden mit Hilfe des Adjektivs „leer” dargestellt: Die Erscheinungen der Welt werden in ihrer Natur als leer beschrieben. „Leer ist die Welt…, leer von Ich oder zum Ich Gehörigen” (SN 35.85). Grundlage der Philosophie der Leerheit ist die Lehre des Nicht-Selbst (Pali: anatta). In der späteren Entwicklung wurde der Leerheits-Begriff, vor allem auf der Grundlage des Abhidhamma, erweitert.

Beginnend mit der Prajnaparamita-Epoche (etwa 1. Jh.v.Chr.) wurde das Verständnis der Leerheit weiter verallgemeinert. Jede innere und äußere Erscheinung ist demnach leer von einem Selbst und Eigennatur (svabhava). Nichts entsteht und vergeht aus sich selbst heraus, sondern aufgrund des Zusammentreffens von die jeweilige Erscheinung ermöglichenden Faktoren oder Bedingungen. Auch unser Ich unterliegt diesen Gesetzmäßigkeiten und kann daher nicht dauerhafter und substantieller Natur sein. Alles ist aus verschiedenen, sich ständig neu zusammenfindenden Komponenten zusammengesetzt und daher der Vergänglichkeit und Veränderung unterworfen.

Nehmen wir das Beispiel einer Tasse Tee: In der Tasse befindet sich nach buddhistischem Verständnis kein Tee, sondern lediglich die Kombination von den Komponenten Wasser, Wärme (= Feuer) und pflanzliche Bestandteile (= Erde) in veränderlichen Mengenverhältnissen. Aufgrund unserer abgespeicherten Erfahrungen und darüber gestülpten Konzepte, fassen wir die Einzelteile jedoch verallgemeinernd als Tee zusammen und verbinden damit „substantielle Vorstellungen”. Das Konzept Tee hat aber keinerlei Eigennatur und ist in sich substanzlos.

Da alles in sich leer ist, kann es auch keine Unterschiede mehr zwischen den einzelnen Objekten geben. In der Leerheit ist jegliche Dualität aufgehoben. Aus dem adjektivischen „leer” wurde die substantivische „Leerheit” – sie wurde nun als ein anzustrebender Zustand beschrieben und häufig als „absoluter” Gegenpol zu unserer „relativen”, samsarischen Welt gesehen.

Sobald wir jedoch an einem Zustand oder Konzept festhalten, rufen wir damit gemäß dem Gesetz der Dualität, den entsprechenden Gegenpol auf den Plan. Da ein Ziel der Leerheit aber die Auflösung genau dieser Dualität ist, darf man sie nicht als Zustand oder Konzept missverstehen und daran anhaften. Buddhistische Gelehrte wie Vasubandhu und Nagarjuna haben dieses Problem erkannt und in ihren Schriften entsprechend darauf hingewiesen. So schrieb Nagarjuna, dass man mit der Annahme der Substanzlosigkeit automatisch die Annahme der Nicht-Substanzlosigkeit nährt – beide können nicht der letztendlichen Realität entsprechen, da sie die Dualität aufrechterhalten.

Eine Buddhastatue z.B. besteht zwar aus Material wie Ton oder Metall, aber sie enthält keine „Buddha-Substanz” – deshalb gibt es viele Zengeschichten, in denen Statuen demonstrativ zerstört werden. Dann aber haftet man an dem Nicht-Substanzlosen, weil man der Überzeugung ist, dass alle Buddhastatuen in sich keine Substanz haben und dadurch wiederum den dualistischen Gegenpol erzeugt. Es nutzt folglich nichts, das Objekt, auf welches sich eine Annahme bezieht, zu zerstören, sondern man muss die Anhaftung an die Annahme selbst auflösen, um die Leerheit in sich erfahren zu können.

Die Realität liegt zwischen den Dingen

Es gibt weder Substanz noch Nicht-Substanz – die äußeren und inneren Erscheinungen bestehen lediglich aus Wechselwirkungen von Bedingungen. Geben wir diesen zu viel Wichtigkeit und Aufmerksamkeit, d.h. haften wir an den Dingen an, erzeugen wir die Illusion der Substanzhaftigkeit und nehmen die Phänomene selbst als vermeintliche Realität wahr.

Eigentlich geht es aber nur darum, die Dynamik von Ursache und Wirkung und damit die Wechselwirkungen zwischen den Dingen zu erkennen und zu verstehen. Aus dieser Klarheit heraus können wir uns dann immer noch für oder gegen unser Handeln auf körperlicher, geistiger und verbaler Ebene entscheiden. Sobald wir durchschaut haben, dass unser Wutanfall bei unserem Gegenüber ebenfalls Zorn hervorruft und das Ganze unserem eigentlichen Bedürfnis nach Nähe eher nicht dienlich ist, sind wir bereit, unser Verhalten zu verändern und damit auch die Wechselwirkung in der Beziehung. Wir erzeugen so eine neue (andere) Realität.

Was also bedeutet Leerheit wirklich?

Leerheit bedeutet in erster Linie das Loslassen von jeglichen Annahmen und daraus resultierend Unabhängigkeit und geistige Freiheit. So lange wir an unseren Ansichten und Überzeugungen als imaginäre Realität festhalten, sind wir in unserer eigenen, gefärbten Wahrnehmung gefangen: Wir betrachten die Welt durch unsere subjektiven Brillengläser. Die Leerheit aber ist frei von Subjektivität und damit frei von Dualität – in ihr können sich alle Möglichkeiten gleichwertig entfalten. Eine Begleiterscheinung der Leerheit ist daher die Offenheit: Dadurch, dass allen Erscheinungen eine gleiche Gültigkeit, also Existenzberechtigung zukommt, können wir ihnen mit Offenheit begegnen.

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25. Februar 2010 Allgemeines 2 Kommentare

Buddhas Weg Video Blog: Was ist dein Glück?

Am Dienstag verbrachte die Sangha einen Tag in Buddhas Weg, wo der Ehrw. Thich Thien Son sie jede Woche unterrichtet. Dieses Mal nutzten wir einen Teil unserer Zeit für einen gemeinsamen Spaziergang – die Sonne war nach vielen Monaten wieder durch die Wolken gebrochen. Während des Spazierganges griffen wir das Thema der Belehrungen wieder auf: Was ist Glück?

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18. Februar 2010 Blog, Buddhas Weg Keine Kommentare